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Beim Scheitern zuschauen

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Angestrichen:
„Clearly, we love a good train wreck, especially a female one.“

Wo steht das?
In einem Artikel auf der Seite des „Guardian“ mit dem Titel “Amanda Bynes’ public meltdown says more about us than her”.  

Und worum geht’s?
Der Text beschäftigt sich mit der Frage, warum wir weiblichen Stars so gerne bei ihrem Niedergang zusehen, männlichen aber nicht. Die Autorin diskutiert diesen Aspekt am Beispiel eines ehemaligen Kinderstars, der US-amerikanischen Schauspielerin Amada Bynes, die etwa in „Hairspray“ und als Hauptdarstellerin in der Serie „Hallo Holly“ (org. „What I Like About You“) mitgewirkt hat. Bynes hatte ihre Schauspielkarriere schon vor einiger Zeit unterbrochen, um Modedesignerin zu werden, und tauchte dann wieder in der Öffentlichkeit auf, weil sie mit Alkohol am Steuer erwischt und ihr anschließend der Führerschein entzogen wurde. Ende Mai wurde sie wegen Drogenbesitzes verhaftet. Auf Twitter sorgte sie schon vorher für Aufsehen, mit Fotos in knapper Unterwäsche, einem zur Hälfte rasierten Kopf, gepiercten Wangen und Videos, in denen sie überschminkt und nicht zurechnungsfähig wirkte. Zum Schluss kamen noch ihre Eltern ins Spiel, die bei der eigenen Tochter angeblich eine Schizophrenie vermuten und sie einweisen lassen wollten.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Amanda Bynes erschien nach ihrer Verhaftung mit einer üppigen Perücke vor Gericht.

Amandy Bynes’ Geschichte erinnert an viele andere weibliche Stars, die mit psychischen Problemen zu kämpfen hatten und deren Privatleben darum öffentlich ausgebreitet wurde, zum Beispiel Britney Spears, Anna Nicole Smith oder Lindsay Lohan. An Berichten über Drogen- oder Alkoholmissbrauch, rasierte Köpfe oder Konflikte mit der Polizei kam und kommt man nicht vorbei, weil die Medien diese Fehltritte der Stars immer wieder ausschlachten. Seltsamerweise treffen die skandalgeilen, empörten und mitleidigen Blicke berühmte Frauen sehr viel öfter als berühmte Männer: Bei Charlie Sheen, so der „Guardian“, würden Fehltritte inklusive zugedröhntem Fernsehauftritt als „antics“ (also „Eskapaden“ oder „Mätzchen“) abgetan und Chris Brown könne Rihanna schlagen und mit Stühlen werfen, ohne dass seine Karriere Schaden nähme und man auch nur seine seelische Gesundheit diskutiere.  

Woran liegt das? Möglicherweise an der größeren Fallhöhe. Im klassischen Rollendenken gesteht man den Männern eine gewisse Rüpelhaftigkeit zu. Sie dürfen die Kontrolle verlieren wie ein junger Hund, mit dem die Energie durchgeht und der sich deswegen aus Versehen im Arm seines Herrchens verbeißt. Die Öffentlichkeit hat von Charlie Sheen und Chris Brown nie verlangt und erwartet, perfekt zu sein. Von Britney Spears und Amanda Bynes aber schon. Sie waren eine zeitlang, so der Guardian, „der Ingegriff weiblicher Lieblichkeit und Unschuld“. Für sie gibt es ein Rollenbild, das sie in ein enges Korsett gezwängt hat: Das All-American-Girl, das bei uns am ehesten mit dem „Mädchen von Nebenan“ beschrieben werden kann. Hübsch, geradlinig, sauber, erfolgreich. Der sogenannte „männliche Blick“ fördert dieses Stereotyp, er sieht die Frau als Objekt und gleicht sie mit bestimmten Ideal- und Wunschvorstellungen ab. Den männlichen Blick haben nicht nur Männer, auch Frauen nehmen ihn an, wenn sie Amands Bynes entsetzt dabei zuschauen, wie sie die Kontrolle über ihr Leben verliert. Wie sie dem Druck, ein Ideal zu erfüllen, nicht standhält und aus dem Rahmen fällt – was für eine Frau bedeutet, sehr schnell auf die Gegenseite geschoben zu werden, hin zu den Schlampen und Skandalnudeln.  

„Perfektion, die von Scheußlichkeit zerschnitten wird, kann besonders faszinierend sein“, schreibt der „Guardian“. Und diese Perfektion wird bei Frauen wie Amanda Bynes vorausgesetzt, bei einem Mann wie Charlie Sheen jedoch nicht. Gefallene Frauen werden darum, anders als Männer mit ähnlichen Problemen, als „moralische Geschichten“ benutzt, als Warnung vor dem Sturz, der auf „übermäßigen Genuss und Narzissmus“ folgen kann. Während Charlie Sheen also nur belächelt und Chris Brown als „Bad Boy“ weiterhin gefeiert wird, werden Amanda Bynes und Britney Spears beklagt und belästert. Besser wäre es, man würde auch die Damen in Ruhe lassen. Aber vielleicht ist es ein erster Schritt in die richtige Richtung, wenn man versucht zu verstehen, warum wir es nicht tun.   


Text: nadja-schlueter - Foto: Reuters

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