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Bambiland
Angestrichen: Es sollte wenigstens einer aufstehen und die gegnerischen Ideale verleugnen, finden Sie nicht. Von dort, bis er die eigenen Ideale verleugnet ist es nur noch ein kleiner Schritt. Aber ein großer für die Menschheit. Wo steht das denn? In „Bambiland“ von Elfriede Jelinek. Schallplattenjournalist Karl Bruckmair hat aus dem Text ein Hörspiel für den Bayerischen Rundfunk gemacht und dem Stück damit seine Idealform gegeben. Geht es um Medien im westlichen Diskurs, dann steht vor allem ein Faktor im Mittelpunkt: Der vermeintlich riesige Abstand zwischen tatsächlichem Geschehen und Wahrnehmung des Zuschauers. So massiv wird der Kontrast zwischen Realität und Repräsentation empfunden, dass ein Theoretiker wie Jean Baudrillard schreiben kann, Bilder aus den Medien seien mächtiger, als die Wirklichkeit an sich. Folge: Wenn die Welt auseinander fliegt, kann man sich das im Fernsehen ansehen. Schaltet man den aber aus, hört die Welt mit dem Unsinn wieder auf. Nix da, sagt Elfriede Jelinek. In Bambiland bilden Krieg, Medien und Zuschauer eine Einheit, die aufgeht in Sprache. Schließlich hat ja jeder immer etwas zu sagen. Ständig prasseln offizielle Reden, der Nachrichtensprech der Fernsehsender, die Plattitüden der Stammtische und die Phrasen disputierender Kaffeehausbesucher auf unsere Ohren. Jelinek hat sie alle in eine Form gepackt, die sie Textfläche nennt. Eine zugegeben etwas fragwürdige Bezeichnung, doch das Ergebnis überzeugt. Denn Jelinek fügt die verschiedenen Kommunikationsebenen zu einer plappernden Wirklichkeit zusammen. Dabei kommen irrwitzige Passagen heraus, wie: „Stundenlang haben wir ihr die Landkarte eingebläut und jetzt fliegt sie auf den Markt. Was wollt’ sie denn einkaufen, die liebe Tomahawk? Wollt’ sie vielleicht auch was essen? Viel haben sie ja nicht zu bieten auf ihrem Markt, was fliegt die eigens dorthin.“ Im Originaltext hängen diese Sätze aneinander, ohne, dass zwischen Sprechern differenziert wird. In Bruckmairs Hörspielinszenierung aber sprechen mehrere Stimmen, zwei Frauen und drei Männer. Da schreit eine heisere Frau: „Setzen Sie sich wieder hin und wackeln sie nicht so in dem Boot, in dem wir alles sitzen!“, eine andere krächzt: „Also da hört sich’s aber auf. Der Krieg aber nicht. Nein, der kriegt nicht genug. Der nicht. Der kriegt den Hals nicht voll, der kriegt jetzt den Arsch voll.“ Auch beim Lesen machen solche assoziativen Textgefüge ziemlich gute Laune. Aber erst im Hörspiel wird der Gegensatz zwischen der eigentlichen Wut und der Phrasenhaftigkeit, in die sie verpackt wird, wirklich deutlich. Gegen Elfriede Jelinek kann man einiges einwenden: Die Versessenheit auf sexuelle Gewalt und Erniedrigung, die Hysterie mit der sie Gesellschaft betrachtet. Aber mit Bambiland hat sie einen Text verfasst, der – im Gegensatz zu irgendwelchen Hyperrealitäten – den Kern eines westlichen Dilemmas trifft: Sprache ist unser Spielzeug und unsere Waffe. Sie ist letztlich alles was wir haben und doch vollkommen machtlos. Denn den Raketenflugkörper, der irgendwo im Irak auf einem Markt explodiert, vermag sie nicht aufzuhalten. Steht im Bücherregal zwischen: „Profit over People“ von Noam Chomsky und einem Album von Rage Against The Machine. Bambiland von Elfriede Jelinek, Regie von Karl Bruckmair und Musik von FSK, 3 CD-Box, 22,90 Euro. Erschienen bei intermedium records erschienen.