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Unser Autor hat einen Terroralarm am Flughafen in Nizza miterlebt

Bild: dpa, Bearbeitung: Katharina Bitzl

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Am späten Dienstagnachmittag ist der Flughafen in Nizza evakuiert worden. Der genaue Grund ist bislang unklar. Der Flughafen selbst schreibt von einem Streik, manche Medien berichten von einer Drohung, die ausgesprochen worden sei. Viele Menschen aber, die plötzlich den Flughafen verlassen mussten, hatten Angst, ein Anschlag könnte der Grund sein. Unser Autor Markus Herrmann berichtet für seinen Blog Falsche Neun von der Fußball-Europameisterschaft und war gerade zufällig im Flughafen, als dieser schlagartig geräumt wurde. Hier beschreibt er, wie das ablief. Und wie sich das anfühlt, wenn man dabei die Bilder vom Terror in Paris, Brüssel und Ankara im Hinterkopf hat. 

Es ist Dienstagnachmittag,  ich bin gerade in Nizza gelandet und habe jetzt noch gut zwei Stunden Zeit zu vertrödeln, weil ich noch auf einen Freund warte, dessen Flieger Verspätung hat. Ich setze mich in ein Café und schlürfe einen Bananen-Shake.  Draußen schwanken die Palmen gemächlich im Wind, aus meinen Kopfhörern kommen meditative Regensounds, um das billige Mumford & Sons-Techno-Cover, das im Café läuft, zu übertönen.

Während ich überlege, was vielleicht noch besser als die Regensounds funktionieren oder wohin ich stattdessen gehen könnte, springt mir gegenüber auf einmal eine Reisegruppe auf. Die Leute schauen ganz aufgeregt und greifen sofort nach ihren Sachen. Klassischer Fall von falsche-Abflugzeit-im-Kopf-behalten denke ich noch, doch dann springen plötzlich noch mehr Menschen auf.  Soldaten und Polizisten treiben die Leute nach draußen und ein Sicherheitsgitter zwischen Café und Empfangshalle wird heruntergelassen. 

Sofort macht sich Panik breit. Alle sind schnell, hektisch und ängstlich aber niemand ruft oder schreit. Alle haben Angst, das spürt man richtig, aber hysterisch wird keiner. Ich frage mich, ob ich jetzt wirklich in einem dieser Momente gelandet bin. Ist hier gleich alles voller Staub und Geschrei? Es ist interessant zu sehen, wie man in einem solchen Moment reagiert. Während alle nach draußen stürmen, versuche ich ruhig zu bleiben, packe meine Sachen mit zittrigen Händen in meine Tasche und lasse lediglich meinen Bananenshake zurück.

 

Anhand der sehr ruhigen Reaktionen der Café-Mitarbeiter sehe ich aber recht schnell, dass solche Alarme mittlerweile offenbar zur Routine gehören. Es ist ein absurdes Bild, wie alle aus dem Cafè stürmen, während die Angestellten noch die Maschinen ausknipsen, die Kasse sichern und gefühlt noch mal alles nass abwischen. Mein Puls fährt wieder etwas runter. Wahrscheinlich hat einfach irgendein Rentner seinen Koffer an der Sicherheitskontrolle stehen lassen und jetzt wird alles evakuiert.

 

Trotzdem habe ich Angst. Denn wenn ein belebter Flughafen innerhalb von einer Minute komplett leer geräumt wird, ist das allein schon ein gruseliger Anblick. Was, wenn etwas am anderen Terminal passiert ist?  Ich überlege, ob ich meiner Frau schreiben soll, dass es sein könnte, dass hier gerade etwas passiert. Oder würde ich sie damit unnötig verrückt machen?

 

Letztlich schreibe ich ihr und schicke dazu ein Selfie von mir unter Palmen, um mögliche Sorgen zumindest etwas abzuschwächen. Während die meisten Leute nämlich direkt vor den Türen des Flughafens stehen bleiben, gehe ich zumindest 20 Meter weiter und setze mich auf die Steinmauer einer Grünanlage. Wenn es knallen sollte, will ich schließlich nicht in unmittelbarer Nähe sein. Und außerdem reicht das WLAN des Flughafens auch bis hierhin. Ha! Willkommen im Jahr 2016. 

 

20 Minuten später geht der Flughafenbetrieb wie gewohnt weiter. Es gibt keinerlei Durchsagen und niemand weiß, was letztlich den Alarm ausgelöst hat. Ich schaue mir Leute, die aus den Toiletten kommen, jetzt genauer an und überlege zweimal, in welche Ecke des Flughafens ich mich für die restliche Wartezeit setze. 

 

Ich weiß, dass das paranoider Quatsch ist, aber ganz abstellen kann man so etwas nun mal nicht. So funktioniert Terror: Es ist die kalkulierte Angst vor Dingen, die passieren könnten. Am Donnerstag werde ich zum Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich im Stadion von Marseille sitzen. Natürlich will ich dann keinerlei Angst haben. Und doch werde ich dort sehr wahrscheinlich den ein oder anderen „Was wäre eigentlich, wenn“-Gedanken haben.

 

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