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  1. Die Seele des Soldaten: Studie will Psycho-Stress der Isaf-Truppe messen

    Deutsche Soldaten haben erstmals detailliert Auskunft über die psychischen Nachwirkungen ihrer Einsätze in Afghanistan gegeben. Das Ergebnis der Befragung überrascht: Der verbleibende Seelenschaden nach vier bis sechs Monaten Auslandseinsatz scheint gering zu sein. Die Antworten der 118 Soldaten, die zur International Security Assistance Force (Isaf) gehörten, deuten gar eine niedrigere psychische Belastung an, als sie für die Allgemeinbevölkerung oder aus anderen militärischen Stichproben bekannt ist (Psychotherapie, Psychosomatik und Medizinische Psychologie, Bd. 57, S. 373, 2007). Obwohl die Autoren der Studie die Aussagekraft ihrer Ergebnisse einschränken, wirbt das Verteidigungsministerium bereits mit den Ergebnissen der Befragung. Der Leutnant und zukünftige Arzt Robin Hauffa, der die Studie geleitet hat, befragte Soldaten nach Angsterkrankungen, Depressionen, Alkoholmissbrauch und Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Jeder dritte Soldat gab in der Studie an, in Afghanistan etwas sehr Schreckliches erlebt zu haben. Jedoch schienen lediglich ein bis drei Soldaten aus der Stichprobe durch ein Trauma nachhaltig belastet zu sein. Nur ein Rückkehrer war mit hoher Wahrscheinlichkeit traumatisiert - das entspricht 0,8 Prozent der Stichprobe, und es ist so wenig, dass Wissenschaftler keinen statistischen Unterschied zu der Häufigkeit des Krankheitsbildes in der Bevölkerung ausmachen können. Studien in amerikanischen, australischen oder norwegischen Auslandseinheiten ermittelten traumabedingte Störungen bei bis zu 13 Prozent der Soldaten. Auffällig ist nicht nur die geringe Rate von PTBS bei den befragten Isaf-Soldaten; auch Angststörungen gab es überraschend selten. Wiederum war nur ein Soldat betroffen, und mit 0,8 Prozent war der Unterschied zu US-Stichproben mit mehr als 15 Prozent nach Einsätzen im Irak eklatant. Ähnlich verblüffend ist, dass nur einer von 20 Soldaten unter einem depressiven Syndrom litt, ebenfalls deutlich weniger als US-Soldaten nach Einsätzen in Afghanistan. Als bedenklich erwies sich bei deutschen Truppenmitgliedern nur eins: der Alkoholmissbrauch. Er war bei den Soldaten doppelt so hoch wie rechnerisch zu erwarten wäre, doch wiederum viel niedriger als bei US-Soldaten. Fehlende Kampfeinsätze Was steckt hinter der Diskrepanz? Sind deutsche Soldaten psychisch besonders stabil? Wer auf die Studie baut, die als Doktorarbeit in der Abteilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig betreut wurde, mag sich zurücklehnen: Alles scheint halb so schlimm zu sein. Der Autor der Arbeit gibt aber zu bedenken, dass stark belastete Soldaten bereits vor der Befragung medizinisch behandelt worden waren und dass Rückkehrer mit Problemen womöglich erst gar nicht teilnahmen. Die Beantwortung der Fragebögen war freiwillig. Das aber führt oft zum sogenannten Healthy User Effect: Demnach ist der Ausgang einer Studie oft erfreulich, weil freiwillige Teilnehmer tendenziell eher gesund und belastbar sind. Auch andere Faktoren haben das Ergebnis der Studie womöglich verzerrt: Es sei nicht auszuschließen, dass Soldaten ihre psychischen Beschwerden verheimlichen, weil diese für eine Karriere hinderlich seien, sagt Hauffa. Er betont zudem, dass Soldaten es für ihre Aufgabe halten, belastende Situationen problemlos zu meistern. Schwäche wird überspielt oder verdrängt. Günter Niklewski, Direktor der Psychiatrischen Abteilung am Klinikum Nürnberg, hält die Studie aus einem weiteren Grund für wenig aussagekräftig. "Nur Soldaten, die in Kampfhandlungen verwickelt waren und traumatisierende Gewalt erfahren haben, haben ein erhöhtes Risiko für PTBS", sagt der Berater eines WHO-Projekts zur seelischen Gesundheit in Mazedonien und im Kosovo. Isaf-Einsätze seien längst nicht so belastend wie die Kampfeinsätze der Amerikaner - auch wenn täglich Anschläge drohen und Kameraden sterben. Die Kritik an der Studie hält das Verteidigungsministerium jedoch nicht davon ab, mit den Ergebnissen zu werben. Dass die deutschen Soldaten im Vergleich mit anderen Einheiten so gut abschneiden, könne daran liegen, dass schon bei der Musterung in psychologischen Tests die Belastbarkeit bei Auslandseinsätzen berücksichtigt würde, sagt Oberstleutnant Harald Kammerbauer vom Presse- und Informationsbüro des Ministeriums. Zudem würden Vorgesetzte die passenden Soldaten vorschlagen. Für ausschlaggebend hält er überdies die konkrete Vorbereitung. Da werden unter anderem Einsatzszenarien mit Schauspielern durchgespielt, sodass sich Soldaten in Situationen wie bei einem Verkehrsunfall im Krisengebiet, einer Patrouillenfahrt in unbekanntem Gelände oder Kontrollen am Checkpoint üben können. Bei den Vor- und Nachbereitungsseminaren im Zentrum Innere Führung in Koblenz könnten die Soldaten überdies "über Belastungen sprechen und reflektieren, was der Einsatz bei ihnen mental verändert hat". Seit 1996 sind etwa 850 deutsche Soldaten und Soldatinnen wegen posttraumatischer Störungen untersucht und behandelt worden. Dass sich einige Soldaten nicht behandeln lassen wollen und andere gar nicht erkennen, dass sie belastet sind, will Kammerbauer nicht von der Hand weisen.

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