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Zwei wie Pech und Schwefel

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Der Firmensitz von Dolce & Gabbana in der Via Goldoni ist ein schlichter Bau mit Glasfassade und begrüntem Empfangsbereich. Dahinter jedoch herrscht raffaelitische Opulenz: Blumenbouquets in jeder Ecke, Lüster an der Decke, sizilianische Obstschalen auf den Tischen. Im Aufzug lächelt die Assistentin nervös, dann beugt sie sich herüber und flüstert: »Herr Dolce wird leider nicht bei uns sein können.« Es klingt, als läge er im Sterben. »Bitte haben Sie Verständnis, er arbeitet an der Kollektion.« Wir sind also nach Mailand geflogen, um das mächtigste Duo der Mode zu sprechen, aber es kommt nur die Hälfte. Da biegt Stefano Gabbana auch schon um die Ecke, gehetzt, mit schnellen Schritten. Domenico, sagt er, sei unabkömmlich, keine Chance. Er muss unten im Atelier noch letzte Hand an die Couture-Kleider anlegen, die am nächsten Tag präsentiert werden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dolce & Gabbana gehören zu den erfolgreichsten Designern der Welt.

SZ-Magazin: Herr Gabbana, ehrlich gesagt sind wir gekommen, um mit Ihnen beiden zu sprechen. Sollen wir das Ganze vielleicht verschieben, bis Herr Dolce …
Stefano Gabbana: Verschieben? Bloß nicht! Dann kommen Sie eben mit runter.
Es geht ein paar Stufen hinab zum Showroom, wo Domenico Dolce gerade mit Nadeln im Mund an einem Mädchen herumzupft. Drumherum eine Entourage an Schneiderinnen und Assistenten. Die Sonne flutet durch die Fenster. Die Atmosphäre: geschäftig, aber irgendwie auch friedlich. Gabbana schiebt sich einen Stuhl unters Gesäß, sein Partner stellt sich kurz dazu, schüttelt brav die Hand, um im nächsten Moment wieder hinter einem Kleiderständer zu verschwinden. Er sei jedoch »voll da!«

Sie sind seit dreißig Jahren im Geschäft – und haben erst jetzt mit »Alta Moda«, also Haute Couture, angefangen. Hat Sie das vorher nie gereizt?
Domenico Dolce: Ich sage immer: Wenn Sie ein Stück Land haben, dann kommt irgendwann die richtige Zeit für die Erdbeeren, die Zeit für die Wassermelonen, und irgendwann sind die Äpfel dran. Wir sind genau jetzt reif dafür.

Nicht wenige behaupten, die Couture sei mausetot: zu teuer, zu unrentabel, zu unzeitgemäß.
Gabbana: Tatsächlich? Wir hatten in letzter Zeit immer häufiger Anfragen von Kundinnen für Sonderanfertigungen. Die wollen ein Kleid nicht bei einer Modenschau sehen, nicht in einem Magazin, nicht an irgendeinem Hollywood-Starlet – die wollen ein Kleid, das nur für sie gemacht worden ist.

So eine Couture-Show ist natürlich auch ein hübscher Imagefaktor für eine Marke.
Dolce: Wir machen das hier nicht für ein paar Fotos, die wir dann um den Globus schicken können, um noch mehr Parfum zu verkaufen!
Gabbana: Obwohl es ja stimmt, Domenico. Nach unserer ersten Alta-Moda-Show im Sommer sind tatsächlich viele Leute in die Läden gegangen und haben sich ein Parfum gekauft oder sonst was – das funktioniert.
Dolce: Aber wir machen keine so große Show daraus wie in Paris, es ist eine private Veranstaltung. 130 Leute, keine Blogger, keine Stars. Es geht hier nur um die Kleider, die Handarbeit, etwas zum Träumen! Nicht um ein paar Handtaschen.

Im Blickpunkt Ihrer ersten Alta-Moda-Kollektion stand Sizilien, dieses Mal Mailand, überhaupt geht es in Ihrer Arbeit immer um Italien. Verbraucht sich das nicht irgendwann?
Gabbana: Wir versuchen gelegentlich, Italien zu entkommen, aber am Ende landen wir immer wieder hier.
Dolce: Stefano, schau mal kurz her: mit Mantel oder ohne? (Dolce steht neben einem Model, das unter einem weißen Kurzmantel eine Art Badeanzug trägt.)
Gabbana: Herrgott, zieht ihr doch bitte etwas über – mit Mantel natürlich! Diese Modenschau findet in einem Salon statt, Domenico, da kann man nicht so viel Haut zeigen! Wo war ich?

In Italien. Wie steht es derzeit um die italienische Seele?
Gabbana: Ich denke, das System hat sich nicht groß verändert seit der Antike. Es ist seit Julius Cäsar das gleiche geblieben.

Und, ist es ein gutes System?
Gabbana: Nein, ist es nicht. Ich hoffe, dass es sich eines Tages ändert. Aber ich glaube an das italienische Volk. Es ist kreativ. Nicht im modischen Sinne, sondern was das Leben und Überleben betrifft. Zur Zeit gibt es viel Unmut wegen der hohen Steuern. Aber viel schlimmer ist: Wir haben ein System, das zu wenig Arbeitsplätze schafft. Ein Staat sollte wie eine große Familie sein. Das fehlt uns im Moment. Wenn Sie Ihrem Sohn kein Geld mehr geben, kann er auch nichts aus sich machen.

Macht es Sie traurig, wenn sich die Welt über Silvio Berlusconi wundert und über das Land, das einfach nicht von ihm lassen kann?
Gabbana: Das ist mir egal. Mich interessiert auch nicht, wie Angela Merkel oder François Hollande privat sind. Alles nicht wichtig. Mir ist mein Haus wichtig. Ich schaue nicht, was mein Nachbar so macht.

Wirtschaftlich ging es Ihrem Land schon mal besser.
Gabbana: Hören Sie, ich liebe mein Land. Wir Italiener wollen uns ausdrücken und verwirklichen. Deshalb gibt es so viele Handwerksbetriebe, so viele kleine Unternehmen. Wir sind kein Land für die Großindustrie. Wir sind auch in keinem Bereich die größten, aber in vielen Bereichen die besten. Der beste Motor? Ferrari. Der beste Käse? Parmesan. Die beste Pasta? Natürlich aus Italien! Das wird so bleiben, ganz gleich, wer uns regiert.

Wer von Ihnen kocht die bessere Pasta?
Gabbana: Domenico, ganz klar. Ich koche nicht. Vielleicht mal zwei Spiegeleier und dazu einen Teller Spaghetti ohne Sauce.

Ihr bestes Rezept, Herr Dolce?
Dolce: Selbst gemachte Pasta mit Auberginen, ah! Oder mit Ricotta, kann ich auch gut.

Sie beide sind von einer Nachrichtenagentur gerade in die offizielle Liste der Milliardäre aufgenommen worden …
Dolce: Haben wir auch gehört.
Gabbana: Wir haben damals mit nur zwei Millionen Lire angefangen (rund 1000 Euro, Anm. d. Red.), keiner hat an uns geglaubt. Wenn wir nicht …
Dolce: (lugt hinter dem Rücken eines Models hervor und hält den Stoff hinten enger zusammen): Stefano, hör mal auf zu quatschen und schau hierher! Besser so?
Gabbana: Bellissimo, habe ich doch längst gesehen, ich kriege hier alles mit. Also: Wir hätten das alles nicht geschafft, wenn wir damals nicht ineinander verliebt gewesen wären. Die Marke, unsere Kollektionen, sind die Kinder unserer Liebe.

Sie waren Jahrzehnte ein Paar und haben sich Anfang 2000 getrennt. Wie anders ist die Zusammenarbeit jetzt?
Dolce: Was die Arbeit angeht, hat sich rein gar nichts geändert.
Gabbana: Es ist jetzt eine andere Art der Liebe. Ich habe einen neuen Freund, er hat einen Freund. Trotzdem kann ich mir ein Leben ohne Domenico nicht vorstellen. Wir sitzen in einem Büro, verbringen den ganzen Tag miteinander.

Fahren Sie noch gemeinsam in den Urlaub?
Gabbana: Natürlich! Aber nicht immer. Nach zehn Tagen sagt mein Freund dann auch mal, jetzt reicht’s.

Nie in den vergangenen Jahren mal gedacht, ach, wären wir doch zusammengeblieben?
Dolce: Es ist gut so, wie es jetzt ist.

Sie wohnen sogar noch im selben Haus.
Gabbana: Ja, ich im sechsten Stock, er im fünften.

Also haben Sie, Herr Gabbana, die bessere Aussicht.
Dolce: Aber ich habe die größere Wohnung!

Haben Sie bei der Trennung darüber nachgedacht, sich auch geschäftlich zu trennen? In einem früheren Interview sagten Sie, Herr Gabbana, danach einfach weiter zusammenzuarbeiten, sei für Sie unvorstellbar, da würden Sie lieber noch Schauspieler.
Gabbana: Die erste Zeit war schwierig, ich war neu verliebt, und dann sitzt man da im selben Raum. Das war nicht gut. Aber wir haben nie darüber nachgedacht, uns ganz zu trennen.

Sie waren berühmt für Ihre ausgiebigen Streitereien. Hat das jetzt nachgelassen?
Gabbana: Kein Stück. Wann haben wir uns das letzte Mal gestritten?
Dolce (vom anderen Ende des Raumes herüberbellend): Vor zehn Minuten.
Gabbana: Ach komm, vor zwei Wochen bei den Männerschauen, da haben wir uns richtig gezofft. Worüber noch mal? Ich hab’s vergessen.

Schreien Sie sich dann an oder sprechen Sie einfach nicht mehr miteinander?
Gabbana: Nein, wir streiten leidenschaftlich. Und alle anderen, die eben noch im Raum waren, sind plötzlich verschwunden.

Sie kleiden seit vielen Jahren Fußballer ein, David Beckham, Lionel Messi, die Spieler des AC Mailand. Wann waren Sie beide das letzte Mal im Stadion?
Dolce: Vor ein paar Wochen noch.
Gabbana: Ihn interessiert das mehr als mich.

Sind Sie, Herr Dolce, auch der bessere Fußballer?
Gabbana: Ha, von wegen. Ich mache Sport, er schaut gerne Sport!

Haben Sie noch Kontakt zu Madonna, Ihrer Muse?
Gabbana: Ja, aber nicht mehr so oft. Im November hat sie zu meinem Geburtstag angerufen.

Sie trägt auch nicht mehr so oft Dolce & Gabbana wie früher, oder?
Gabbana: Weil sie eine der cleversten Frauen der Welt ist. Sie wechselt die Designer – von Gaultier zu uns und zu vielen anderen – und ist trotzdem noch ganz Madonna. Deshalb habe ich so einen Respekt vor ihr. Eine wahre Diva macht jedes Outfit zu ihrem eigenen.

Wer wäre heute so eine Diva?
Gabbana: Diva? Die gibt es doch gar nicht mehr. Die waren unantastbar, haben sich rar gemacht. Die Dietrich ist nicht über jeden roten Teppich gelaufen. Heute ist es genau umgekehrt – je mehr Sie von jemandem sehen, desto mehr wird er ein Star.

Sie haben in einem Interview einmal gesagt, es sei Ihnen unmöglich, sich auch nur von einem einzigen Kleidungsstück zu trennen. Den Schrank dazu würden wir gern sehen.
Gabbana: Was? Domenico, hast du das gehört? Habe ich nie gesagt. Ich wechsle meine Garderobe jede Saison. Die Sachen kriegen dann meine Neffen. Der Rest geht an ein Kloster hier um die Ecke. Ich mag ja in der Mode arbeiten, aber ich bin nicht abhängig davon.

Kann es sein, dass das Thema Sex in Ihrer Mode nicht mehr so wichtig ist wie früher?
Gabbana: Ja, aber das liegt weniger an unseren Sachen, sondern an den Leuten, die sie tragen. Da ist weniger Sex in der Attitüde. Das Kleid ist nur das Vehikel.
Dolce: Schauen Sie hier, was ich dem Model gerade angezogen habe – schlicht schwarz, klassischer Schnitt, maskuline Schuhe dazu. Ohne die aufwendige Kette und die glitzernden Ohrringe sähe das Kleid auf den ersten Blick gar nicht sexy aus. Es liegt ganz bei Ihnen!

Wenn Sie beide an Ihre Kindheit zurückdenken, welche Bilder sehen Sie?
Dolce: Mich im Schneiderladen meines Vaters. Dort hat alles angefangen. Am liebsten denke ich an die Nachmittage, wenn die Leute zur Anprobe kamen. Die Auswahl der Stoffe, das genaue Maßnehmen, das lange Stillhalten – für mich als Kind war das eine verzauberte, anziehende Welt.
Gabbana: Ich sehe immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit. Ich habe mit sieben Jahren angefangen zu arbeiten. Meine Mama war Putzfrau, mein Vater Schichtarbeiter in einer Zeitungsdruckerei. Ich habe meiner Mutter beim Putzen geholfen. Danach half ich ihr in einer Bäckerei. Später habe ich in einem Restaurant gearbeitet. Ich hatte viele Jobs, bevor ich Designer wurde. Aber das steckt in mir drin, mein Vater hatte drei Jobs gleichzeitig. Was ich damit sagen will? Ich hatte nie Angst, keine Arbeit zu haben.

Haben Sie beide schon mal an Ruhestand gedacht?
Gabbana: Nein. Ich will bei einer Anprobe sterben.

Sie könnten den Laden verkaufen und sich eine schöne Zeit in Ihren Häusern in Frankreich und Portofino machen.
Gabbana: So um das Jahr 2000, als das große Markenkaufen im Gange war, hatten wir viele Angebote, die wir alle abgelehnt haben. Wir machen unseren Job nicht wegen des Geldes. Wir sind reich genug. Was bringt es uns, noch reicher zu sein als jetzt?

Wie kommt es dann, dass Sie sich gerade wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verantworten müssen?
Gabbana: Das macht uns keine Angst. Wir haben nichts zu befürchten. Wir haben nichts Falsches getan.

Immerhin stehen Sie vor Gericht. Auf Steuerhinterziehung stehen bis zu fünf Jahren Gefängnis.
Gabbana: Ich sage nur: Italien ist ein seltsames Land.

Text: jetzt-redaktion - Interview: Silke Wichtert & Thomas Bärnthaler, Foto: afp

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