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Von Clemens Meyer 

Vor ein paar Jahren habe ich mir ein Buch gekauft, Haiku für Liebende. Mit Haikus wie »Als du mich küsstest,/fiel Sonnenschein auf meine/sprachlosen Lippen« oder »Wie weich ist das Fell/einer Bärin –/wenn ein Männchen naht« wollte ich…nennen wir es »arbeiten«, bei einer ganz besonderen Frau, wenn Sie mich verstehen. Aber kurze Zeit später war ich arbeitslos, und Haikus wie »Ich bin sehr glücklich!/Meine Zunge in deinem/Ohr: Es schmeckt wie Wachs« wurden überflüssig. Ich schmiss das Buch am Abend, ja, nur abends geht so was (es regnete, tatsächlich, es regnete!), in die Mülltonne vor meinem Haus, man neigt zu dramatischen Reaktionen bei dramatischen Enttäuschungen, nur um es am Morgen wieder herauszufischen, zwischen alten Windeln und Essensresten… Obwohl, ich muss zugeben, in Wahrheit lag es in einer fast leeren Altpapiertonne, weniger dramatisch und unbeschmutzt.

In diesem Augenblick, die Haikus an die Brust gepresst, es regnete immer noch, und wenn’s nicht geregnet hätte, würde ich’s mir jetzt ausdenken, bin ja schließlich Schriftsteller, in diesem Augenblick dachte ich: Was für eine verdammte Zicke, und ich alter Bock bin wieder mal blind in ihren Stall galoppiert, mitten in die Scheiße! (Ach Hilfe, was für Klischees, aber sind es nicht die Klischees, die uns so gut unterhalten?)

 

Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht mehr genau, ob ich sie in Gedanken tatsächlich »Zicke« nannte, und ich weiß auch gar nicht genau, was eine sogenannte Zicke so ausmacht. Die Unberechenbarkeit? Aber das ist doch ein Merkmal der Diva, oder? Und die Diven sind es, die exzentrischen Frauen, um die es sich für einen Mann lohnt zu kämpfen. Oder?

 

Wenn sie mit dir an einem Tag nach Las Vegas fliegen will und am nächsten sagt, alles sei vorbei ? ist das zickig, ist das divenhaft? Und bringt dich das Achterbahnfahren in höchste Ekstase und zu rauschhaften Zuständen oder schlichtweg zum Kotzen? Wenn ich so weitermache, wird es ein Text, der nur aus Fragen besteht, und ich spüre immer mehr, dass es mit dem Bild der zickigen Diva so ist wie mit der Unterschicht (Frauen und Unterschicht, schönen Gruß an Frau Schwarzer), es gibt sie nicht, es gibt sie in den unterschiedlichsten Facetten, bunt schillernd wie bestimmte Fliegen. Ich hab dich lieb/es ist so schön/aber du musst trotzdem gehn. Und dummerweise kann ich nicht loslassen, jedenfalls nicht die Frauen mit den Macken, für die zieh ich in die Schlacht, bis zum letzten Atemzug, bis zur letzten Erektion.

 

Den zweiten Teil findest du auf sueddeutsche.de

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