- • Startseite
- • SZ-Magazin
-
•
Schicksale zur Wiedervorlage
Von: Simone Kosog (Text); Armin Smailovic (Foto)
»Sehr geehrter Herr Saryan, Ihnen wird hiermit die Abschiebung nach Armenien angekündigt. Die Abschiebung wird vollzogen, sobald ein entsprechender Flug durch die Polizeiinspektion Schubwesen München gebucht ist.« Mit amtlichem Schreiben vom 27. September 2007 beendet eine Behörde die Hoffnungen einer Familie. Levon und Armine Saryan* sollen mit ihrer Tochter Mariam aus Gunzenhausen, Mittelfranken, in ein Land geschickt werden, das sie nicht kennen, von dem die Behörden aber behaupten, es sei ihre Heimat. Schluss, Aus, Entsetzen.
Levon Saryan ist armenischer Christ, seine Frau Armine aserbaidschanische Muslimin, und immer wieder erklären die beiden, dass sie aus Aserbaidschan kommen – nicht aus Armenien, wie es die Ausländerbehörde herausgefunden haben will. Nach dem Krieg um die Region Bergkarabach Anfang der Neunzigerjahre sei das Leben in Aserbaidschan für ihn unerträglich geworden, erzählt Levon Saryan. Die Endsilbe seines Namens weist ihn eindeutig als armenischstämmig aus, und Armenier werden von nun an bedroht und verfolgt. 1995 heiratet er Armine, und auch sie bekommt nun den Hass zu spüren. Als sie 1999 schwanger wird – sie ist 24 Jahre alt, Levon 31 –, setzen sich die Saryans in den Bus und fahren so weit, wie ihr Geld reicht. In Deutschland ist die Reisekasse leer.
Nach acht Jahren voller Gedanken über Asyl, Duldung und Bleiberecht scheint das neue Leben nun wieder vorbei. Aber dann, im letzten Moment – es geht nur noch um Wochen – wissen Freunde von Freunden der Saryans etwas: In den vergangenen zwei Jahren haben alle Bundesländer Härtefallkommissionen gegründet, als letzte Gnadeninstanz für abgelehnte Asylbewerber. Lange hatten Hilfsorganisationen und Kirchen die Einrichtung solcher Gremien gefordert, auf Grundlage des geänderten Aufenthaltsgesetzes. Die Kommissionen untersuchen die Schicksale einzelner Flüchtlinge und können, wenn zwingende humanitäre oder persönliche Gründe vorliegen, ein Härtefallersuchen stellen, über das in der Regel der Innenminister des jeweiligen Bundeslandes entscheidet. Stimmt er zu, bekommt der Flüchtling ein Aufenthaltsrecht. Eine letzte Hoffnung für die Familie aus Aserbaidschan.
In Berlin trifft es Tierno Jabi*. Mit 14 Jahren ist er ganz allein aus Guinea, Westafrika, hierher gekommen. Aber allein war er ohnehin: Seine Mutter starb, sein Vater sitzt als politischer Häftling im Gefängnis, er selbst war eine Zeit lang Kindersoldat. Als Tierno am Morgen des 8. Juni 2003 im Hauptbahnhof Berlin aus dem Zug steigt, hat er große Angst und große Hoffnungen. Er läuft durch die Straßen, bis er endlich ein schwarzes Gesicht sieht. Den Afrikaner fragt er, wohin er gehen müsse. Heute, fast fünf Jahre später – Tierno ist fast 19 und inzwischen Vater geworden – geht es immer noch um diese Frage: Wo gehört er hin? Die Behörde sagt: nach Guinea, Tierno sagt: nach Berlin. Auch für ihn gibt es nur noch die Härtefallkommission. Was, wenn sein Antrag abgelehnt wird? »Dann ist mein Leben kaputt!«
*Alle Namen von der Redaktion geändert.
Wie die Geschichte weitergeht, erfährst du auf sz-magazin.de
Nach acht Jahren voller Gedanken über Asyl, Duldung und Bleiberecht scheint das neue Leben nun wieder vorbei. Aber dann, im letzten Moment – es geht nur noch um Wochen – wissen Freunde von Freunden der Saryans etwas: In den vergangenen zwei Jahren haben alle Bundesländer Härtefallkommissionen gegründet, als letzte Gnadeninstanz für abgelehnte Asylbewerber. Lange hatten Hilfsorganisationen und Kirchen die Einrichtung solcher Gremien gefordert, auf Grundlage des geänderten Aufenthaltsgesetzes. Die Kommissionen untersuchen die Schicksale einzelner Flüchtlinge und können, wenn zwingende humanitäre oder persönliche Gründe vorliegen, ein Härtefallersuchen stellen, über das in der Regel der Innenminister des jeweiligen Bundeslandes entscheidet. Stimmt er zu, bekommt der Flüchtling ein Aufenthaltsrecht. Eine letzte Hoffnung für die Familie aus Aserbaidschan.
In Berlin trifft es Tierno Jabi*. Mit 14 Jahren ist er ganz allein aus Guinea, Westafrika, hierher gekommen. Aber allein war er ohnehin: Seine Mutter starb, sein Vater sitzt als politischer Häftling im Gefängnis, er selbst war eine Zeit lang Kindersoldat. Als Tierno am Morgen des 8. Juni 2003 im Hauptbahnhof Berlin aus dem Zug steigt, hat er große Angst und große Hoffnungen. Er läuft durch die Straßen, bis er endlich ein schwarzes Gesicht sieht. Den Afrikaner fragt er, wohin er gehen müsse. Heute, fast fünf Jahre später – Tierno ist fast 19 und inzwischen Vater geworden – geht es immer noch um diese Frage: Wo gehört er hin? Die Behörde sagt: nach Guinea, Tierno sagt: nach Berlin. Auch für ihn gibt es nur noch die Härtefallkommission. Was, wenn sein Antrag abgelehnt wird? »Dann ist mein Leben kaputt!«
*Alle Namen von der Redaktion geändert.
Wie die Geschichte weitergeht, erfährst du auf sz-magazin.de