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Oswalt Kolle über die 68er

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Interview: Oda Albers; Foto: Marcel van der Vlugt SZ-Magazin: Herr Kolle, was ist von 1968 geblieben? Wenig. Ich habe mich ja weiterentwickelt und werde bald 80. Überhaupt hat diese Jahreszahl für mich nicht so eine große Rolle gespielt, da ist mein erster Film erschienen, gut. Ich gehörte ja auch nicht der Studentenbewegung an, sondern war damals schon im Beruf. Fühlen Sie sich dieser Generation nicht trotzdem verbunden? Historisch betrachtet fasziniert mich die Zeit: Da hat eine Generation es geschafft, gesellschaftliche Strukturen aufzubrechen – eine tolle Leistung! Vor allem, weil meine Generation es ja nicht geschafft hat. Wir haben zwar gedacht: »Ihr Väter, ihr Nazis, ihr Arschlöcher«, aber wir haben es nicht gesagt. Dann waren Sie ja doch ein 68er – zumindest im Geiste. Ach, ich habe damals schon das meiste anders gesehen. Mal ehrlich, das waren doch Tübinger Pfarrerssöhne, die keinen Orgasmus bekamen und sich dann die freie Liebe ausgedacht haben – die ja alles andere als frei war. Daraus ist dann völlig zu Recht die Frauenbewegung entstanden. Welches Ziel von 1968 ist noch nicht erreicht? Dass wir frei über Sexualität reden können, ohne dass sich immer noch alle aufregen. Vor einigen Monaten war ich in der Talkshow von Frau Maischberger zu Gast, zusammen mit dieser jungen Frau Ray (Anm. d. Red.: Lady Bitch Ray). Die sagte, ihre Seele sei manchmal in der Möse. Und da sind wieder alle ausgeflippt und irgend so ein Redakteur von der Welt sieht schon den Untergang des Abendlandes. Ja, Herrgott, manchmal ist eben die Seele in der Möse. Ist doch gut so! Und als ich anschließend all diese empörten Artikel gelesen habe, da bekam ich so ein »Monopoly-Gefühl«: Zurück auf Start, alles genau wie damals. Welche Folge von 1968 wäre verzichtbar? Keine! Das war alles wichtig. Dinge, die ich anders gesehen habe? Ja! Aber Fehler? Nein. Man muss man sich doch nur einmal fragen: Wie war es denn vorher in der bleiernen Adenauer-Zeit? Vielleicht haben das manche bereits vergessen, aber da durfte eine Frau nur den Führerschein machen, wenn ihr Ehemann das erlaubte! Oder dieser Kuppelei-Paragraf: Jedem, der einen Mann bei seiner 18-jährigen Tochter schlafen ließ, drohten sechs Jahre Zuchthaus. Dieser Paragraf stammte noch aus Kaiserzeiten. Oder vergewaltigte Frauen, die sich bei der Polizei ein »selber schuld« abholen durften, mehr nicht. Da werde ich so sauer, wenn ich nur dran denke! Die 68er wollten alle zusammen eine freiere, bessere Welt schaffen. Was kann denn daran falsch gewesen sein? Es gibt Leute, die führen die sexuelle Überfütterung… Ach, die Diskussion über sexuelle Überfütterung! Ja, wo soll die denn sein? Wenn ich die Kiste anmache und zappe, wird immer nur gekocht! Grauenvoll! Sex ist total out. Genauso nervt mich die Debatte um zu viel Freiheit in der Sexualität. Ja, bitte, ist denn »Freiheit« ein Schimpfwort? Das ist doch auch die Freiheit, Nein zu sagen. Zu sagen: »Nein, mit dem nicht!« Ein Interview aus dem SZ-Magazin. Weitere Prominente zum Thema "1968" auf sz-magazin.de.

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