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Nach uns die Sintflut
SZ-Magazin: Die Schlussredaktion ist für uns Redakteure ja so was wie das Netz für Seiltänzer: Wir wiegen uns immer in der schönen Sicherheit, dass da noch eine Instanz kommt, die uns auffängt – und unsere Fehler beseitigt. Wie ist das im Gegenzug für euch, wenn ihr unsere Texte zum ersten Mal seht? Daniela Ptok: Erst einmal liegt der Text da, wir gehen ganz unbefangen dran, kennen das Thema nicht, oft auch nicht den Autor. Aber nach dem ersten Absatz wissen wir meistens, wer ihn geschrieben hat. Marianne Kössler: Und dann muss man ihn immer und immer wieder durcharbeiten, es gibt ja mehrere Korrekturphasen. Da ist die Frage, ob man mit dem Text warm wird. Eine Frage des Gefühls? Kössler: Ja, wenn ein Text gut ist, ist er rund, abgeschlossen, und dann geht es einem nach dem Lesen auch selbst gut. Als hätte man einen guten Kuchen gegessen und dazu einen schönen Kaffee getrunken. Ihr seid für korrektes Deutsch in den Texten zuständig, für Rechtschreibung und Grammatik, aber auf Themen und Aussagen habt ihr im Grunde keinen Einfluss. Stört euch das? Kössler: Das nicht – aber wir sind ja im Prinzip die ersten Leser, und da denke ich schon manchmal: Da hätte ich mehr erwartet! Da wäre ich gern begeistert worden! Ärgert ihr euch dann? Ptok: Hin und wieder, ja. Da fragt eine von uns über den Schreibtisch: »Was liest du gerade?« Und dann sagt die andere: »Den Text von dem und dem.« Und dann seufzen wir beide vor uns hin. Namen, bitte! Kössler: Niemals. Verschwiegenheit ist die erste Pflicht des Schlussredakteurs. Kennt ihr auch den Eindruck, dass man vor lauter brillanten Formulierungen gar nicht mehr zum Inhalt eines Textes vordringen kann? Ptok: Klar, gekonntes Gebrabbel kann den Sinn so vernebeln, dass man nur einzelne Signalworte wahrnimmt. Die Zusammenhänge stellt das Gehirn dann ganz von selbst her. Aber da sollten wir vorher eingreifen. An welchem Punkt sagt ihr: Jetzt mischen wir uns ein? Ptok: Sofort, wenn uns auffällt, dass ein Satz zwar schön geschnörkelt dasteht, die inhaltliche Aussage aber relativ flach ist. Je komplizierter die Sätze, desto größer die Gefahr. Wir schätzen einfache, klare Sprache. Was für ein Verhältnis habt ihr zur Sprache? Kann man von Liebe sprechen? Ptok: Unbedingt! Und das Größte ist, wenn jemand richtig gut mit Sprache umgehen kann. Das bewundern wir sehr. Kössler: Oft spiegelt sich die Persönlichkeit eines Autors in einem Text wider. Autoren, die richtig charmant schreiben können, sind oft auch im Umgang freundlich, die nehmen sich selbst nicht so ernst. Ein Text verrät meistens die Seele des Autors. Lesen Sie auf der auf der nächsten Seite warum "Hingabe" das schönste Wort ist.