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"Gutes Gefühl": Lothar über seine Arbeit als Samenspender
Von Tobias Haberl (Text); Thomas Rabsch (Foto)
Der Mann, der ein Jahr lang gegen Bezahlung masturbiert hat, sitzt in seinem Wohnzimmer, hinter ihm stapeln sich in riesigen Regalen CDs, 3000 Stück insgesamt – es sind die Überbleibsel, die Resultate einer Zeit, in der er sich als Informatikstudent ein paar hundert Mark im Monat dazuverdient hat. Die anderen Resultate, seine Söhne, seine Töchter, kennt er nicht. Wahrscheinlich hat er sie nie gesehen, bis heute weiß er nicht einmal genau, wie viele Kinder er hat, wo sie leben, wer ihnen Essen macht, wer ihnen Kleidung kauft, wer sie ausschimpft, wenn sie unartig waren.
»Ich hab kein Problem damit, wenn mein Gesicht in der Zeitung ist«, sagt der Mann, der ein bisschen aussieht wie ein amerikanischer GI: männlich, kantiges Gesicht, mit buschigen Brauen. »Auch nicht, wenn drübersteht: ›Ich bin ein Samenspender.‹« Er habe prima Gene, sei gesund, sehe gut aus, alles in allem: »Material, das man guten Gewissens weitergeben kann, oder nicht?«
Lothar Christoph, 39, ist Samenspender. Besser: Er war es, im Jahr 1997 hat er mehrere Monate lang einmal pro Woche sein Ejakulat in eine Praxis mit Samenbank getragen, bekam 200 Mark in die Hand gedrückt und verschwand wieder – durch den Arzt-, nicht den Patienteneingang. »Hat keine fünf Minuten gedauert«, sagt er.
Dass er jetzt hier sitzt und erzählt, ist eine große Ausnahme. Samenspender sprechen nicht gern über sich. Oft wissen ihre Partner, ihre Familien nichts von dem Nebenjob, deswegen wollen sie lieber nicht die Fragen eines Reporters beantworten. Lothar Christoph beantwortet alle Fragen fast provozierend direkt, selbst bei der ersten Kontaktaufnahme über Handy redet er einfach drauflos, obwohl er gerade mit einem Kollegen im Büro sitzt. Als würde er der Menschheit beibringen wollen, dass man nicht alles im Leben durch eine romantische Brille betrachten sollte. »Immerhin gehen bei jeder Ejakulation eines Durchschnittseuropäers 120 Millionen Spermien flöten«, sagt er.
Am Anfang hat er eigentlich nur wissen wollen, ob er zeugungsfähig ist, und suchte eine urologische Praxis auf. Zwei Tage später aber rief der Arzt an und klang merkwürdig aufgeregt: »Herr Chris-toph, mit Ihrer Samenprobe stimmt was nicht.« In Christophs Probe schwammen 240 Millionen Spermien pro Milliliter, normal sind zwischen 20 und 150 Millionen. Zwar verringerte sich die Anzahl bei der zweiten Probe – vor der ersten war Christophs Freundin im Urlaub gewesen –, trotzdem war der Wert überdurchschnittlich. »Ist zwar nur ein biologischer Wert«, sagt Christoph, »aber ein gutes Gefühl war das schon« – so gut, dass er einer Bekannten davon erzählte. »Werd doch Samenspender«, schlug die vor.
Er gab eine weitere Probe bei einer ärztlichen Samenbank ab. Das Ergebnis: »Schicke Werte«. Christoph war genau der Typ, der gesucht wurde, mitteleuropäisch, gesund, Nichtraucher, keine Erbkrankheiten. Sein Ejakulat erfüllte alle erforderlichen Qualitätskriterien: Das Volumen größer als 2 Milliliter (nämlich das Doppelte), mindestens 120 Millionen Spermien pro Ejakulation, von denen sich mehr als 50 Prozent bewegten, und das Wichtigste: Sie bewegten sich auch noch, nachdem man sie eingefroren und wieder aufgetaut hatte. Dass einer alle Forderungen erfüllt, kommt nicht oft vor.
Hier findest du den zweiten Teil der Geschichte auf sz-magazin.de