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Goed gemacht
Die Wunschliste war kurz: eine Wohnung in Amsterdam, Schlafzimmer, Dusche, Platz für die Espressomaschine. Keine Küche, denn Vincent van Dijk isst immer in Restaurants. Es sollte etwas Ordentliches sein, keine heruntergekommene Bude. Vincent van Dijk freute sich, nach zehn Jahren raus aus Den Haag zu kommen. Amsterdam würde seine Stadt werden, jung, kreativ, viele Partys. All das, was man sich wünscht, wenn man 36 Jahre alt ist, genug Geld verdient und keine Familie hat. Doch van Dijk fand keine Wohnung. Also buchte er ein Hotelzimmer. Dort hatte er die Idee.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
358 Hotels gibt es in Amsterdam. Fast so viele wie Tage im Jahr. Er könnte jede Nacht in einem anderen Hotel schlafen. Die übrigen sieben Tage würde er Urlaub machen. Er legte los, am 1. Januar 2010. Van Dijk ist PR-Profi. Er verschickte Pressemitteilungen. »Ich musste gar nicht mehr nach einem Zimmer fragen. Die Hotels kamen von selbst.« Ihr Geschäft lief schlecht, jede Aufmerksamkeit war recht. Van Dijk schrieb über die Nächte in seinem Blog www.amsterdamslaapt.nl. Die Stadt Amsterdam buchte ihn als Referenten, er hielt Vorträge über den Service in den Hotels.
Es sind nun 300 Tage vergangen. Im Sommer, als die Stadt überfüllt war, fand er einmal kein Zimmer mehr und feierte die Nacht durch. Darüber konnte er noch lachen. Aber im Sommer sind auch Bettwanzen in einige Hotels gezogen. Als er vor ein paar Tagen sah, wie sie über sein Kissen krabbelten, vollgesoffen mit seinem Blut, rannte er ins Bad, ließ Wasser in die Wanne und legte sich hinein, die ganze Nacht. Er wollte alles abbrechen, das ganze Projekt, die beißenden Wanzen waren zu viel. Er meldete die Plage über Twitter. Kurz danach klingelte sein Handy: »Schlafen Sie doch in unserem Hotel heute Nacht, garantiert wanzenfrei.« Also machte van Dijk weiter. Die meisten Hotelmanager freuen sich auf ihn, überlassen ihm das Zimmer gratis.
Andere antworten nicht mal auf seine E-Mails, »vor allem die chinesischen Hotels der Stadt. Wer meine Anfragen ignoriert, will oft etwas verstecken«. Van Dijk geht dann bei diesen Hotels vorbei und bucht als normaler Gast. In seinem Blog schreibt er keine klassischen Kritiken, sondern verpackt die Erlebnisse in Geschichten. Zum Beispiel die von dem Zimmermädchen, das die Bettwäsche abzog und dann erst merkte, dass er noch im Bett lag.
Jeden Tag packt er seinen Koffer, checkt aus, zieht den Trolley durch die Stadt, checkt wieder ein. »Es ist anstrengend, aber ich genieße die Freiheit.« Inzwischen haben ihn Hotels aus Barcelona und New York eingeladen. Van Dijk hat abgelehnt, weil er in Amsterdam bleiben will. Er muss nur noch eine Wohnung finden.
Autor: Dominik Stawski
Text: jetzt-redaktion - Illustration: Kaja Paradiek