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Gegen den Strom

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Manchmal genügt ein kleiner Auslöser, damit eine gute Idee ins Rollen kommt. An diesem Apriltag im Jahr 2008 war es einfach nur ein leerer Akku: Solomon Passy wollte den ganzen Tag seine Frau Gergana anrufen, aber es ging nicht, weil sein Handyakku leer und ein passendes Ladegerät unterwegs nirgends aufzutreiben war. Ein banales Problem, aber es kann einem den Tag verderben. Abends, als die Passys im Restaurant »Grodz« in der Innenstadt von Sofia zusammensaßen, redeten sie vor allem über eins: wie unlogisch es doch ist, dass man für jedes Handy einen anderen Stecker braucht. Als sie fertig waren mit Essen, hatte Solomon Passy beschlossen: Er würde dafür kämpfen, dass dieses Steckerchaos verschwindet. Passy war vier Jahre lang bulgarischer Außenminister, er hat den Papst getroffen und Bill Clinton, viele wichtige Leute duzt er. Also suchte er sich Verbündete: »Lieber Günter«, schrieb er am 26. Mai 2008 an Günter Verheugen, damals EU-Kommissar für Industrie und Unternehmenspolitik, »die Situation mit den Ladegeräten wird immer schlimmer, es gibt ständig andere Stecker, und die Kunden leiden darunter.«

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Es war der Startschuss damals, vor fast drei Jahren. Aber es gibt das einheitliche Ladegerät immer noch nicht, auch wenn die EU-Kommission vor ein paar Wochen einen ersten Prototyp vorgestellt hat, ein Gerät mit einem Stecker vom Typ Micro-USB – 6,85 Millimeter breit und 1,8 Millimeter dünn. Es gibt heute schon Handys, in die so ein Stecker passt, allerdings meist nicht als Ladegerät für den Akku, sondern als Verbindung zwischen Handy und Computer. Ein Gerät, das alle Handys über diese Buchse aufladen kann, soll bis Ende des Jahres in den Läden liegen. Aber noch sind in Europa mehr als dreißig verschiedene Handynetzteile im Umlauf, ihre Anschlüsse sind mal rund und schmal, mal breit und eckig, fast jeder hat irgendwo in einer Schublade noch so ein Ladegerät liegen, das er nicht mehr braucht.

Am Beispiel dieses kleinen Steckers lässt sich eine Geschichte erzählen, in der es darum geht, wie schwer es ist, eine gute Idee so umzusetzen, dass alle zufrieden sind – oder sich zumindest geschlagen geben. Denn auf den ersten Blick fällt einem nichts ein, was gegen diesen Stecker spricht: Er macht es nicht nur leichter, ein Handy auch unterwegs aufzuladen, weil man sich dann überall von Freunden oder Kollegen ein Netzteil borgen kann, sondern er verhindert auch jede Menge Müll: Von 50 000 Tonnen Elektroschrott durch ausrangierte Ladegeräte ist die Rede, einfach nur, weil das neue Handy nicht zum alten Stecker passt. Trotzdem wollte die EU-Kommission erst mal gar nichts tun. Verheugen schickte Solomon Passy am 31. Juli 2008 eine Absage: Seine Beamten hätten mit den Firmen gesprochen, aber momentan bestehe kein Anlass für ein Eingreifen: »Ein Gesetz wäre nur angemessen, wenn die Kräfte des Marktes nicht wirken könnten.« Eine unbefriedigende Antwort, fand Solomon Passy, denn genau das ist ja das Problem: Der Markt funktionierte tadellos, nur eben nicht im Interesse der Handynutzer.

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