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1. Alltag der Diskriminierung

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Amani Bohoussou, 34, Elfenbeinküste, seit 5 Jahren in Erfurt, Doktorand der Sprachwissenschaften. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Abend in Erfurt. Eine deutsche Freundin aus Bielefeld, wo ich als Student mal gewohnt hatte, lud mich zum Abendessen ein. Beim Abschied sagte sie: »Pass auf dich auf, Amani. Du bist jetzt nicht mehr in Bielefeld.« Ich war sehr beunruhigt und hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Denn ich hatte zu Hause zwar im Geschichtsunterricht gelernt, dass Deutschland lange Zeit geteilt gewesen war. Aber niemand hatte mir erzählt, dass es noch heute riesige Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Bald wusste ich aber Bescheid. Noah Sow, 32, Moderatorin und Sängerin, in Deutschland geboren. Als ich das erste Mal aus meiner Heimatstadt Hamburg nach Rostock fuhr, hat man mir viele Ratschläge gegeben: im Westen vollzutanken, nicht überall auszusteigen, die Hotelzimmer mit den Kollegen nebeneinander und den Weg zum Hotel nur in Begleitung eines Security-Mannes zu nehmen. Ich bin dann mit dem Zug gefahren. Eigentlich sollte mich jemand am Bahnhof abholen, aber kaum war ich angekommen, hatten mich schon sechs Glatzen umringt. Zum Glück hatte ich einen großen Hund dabei. Beim Einchecken im Hotel hieß es: Kein Zimmer frei. Erst eine weiße Kollegin konnte den »Irrtum« beheben. Asumaila Atoude, 31, Togo, geduldeter Asylbewerber in Rathenow. In den fünf Jahren, in denen ich hier lebe, habe ich noch nie jemanden aus Rathenow kennengelernt. Ob wir auch manchmal in die Disco gehen? Vergiss es. Ich bin nur ein einziges Mal hin. Und weißt du, warum? Weil dort einmal alle zwei Monate ein »Black Music«-Abend stattfindet, die machen da auch Werbung in der Stadt, und es steht sogar auf den Plakaten, dass Afrikaner freien Eintritt haben. Na ja, da habe ich mich einmal überreden lassen mitzugehen. Als wir reingingen, fingen die ganzen Leute in der Disco zu lachen an und sagten alle: »Hey, Bimbo.« Ich weiß gar nicht, was das bedeutet: »Bimbo«. Irgendwann sind wir dann auf die Tanzfläche gegangen, meine Freunde und ich. Die Tanzfläche war voll in dem Moment, doch als wir da waren, sind auf einmal alle Deutschen runtergegangen. Ein Freund meinte noch: »Vielleicht wollen die alle sehen, wie wir Schwarzen tanzen«, aber das war bestimmt nicht so. In dem Moment, als wir aufgehört haben zu tanzen, war die Tanzfläche wieder voll. Da habe ich zu meinen Freunden gesagt: »Kommt, lasst uns gehen.« Chima Onyele, 29, lebt als Musiker in Frankfurt, in Deutschland geboren. Was Uwe-Karsten Heye da vor der WM angesprochen hat mit den »No-go-Areas«, das weiß ich schon seit zehn Jahren. Man geht einfach nicht nach Berlin-Marzahn und macht die Probe aufs Exempel. Man macht keine Zwischenstopps auf der ICE-Strecke nach Leipzig und man nimmt im Osten keinen Bummelzug. Ade Bantu, 36, Nigeria, Produzent und Musiker in Köln, in Deutschland seit 1986. Wenn ich in Ostdeutschland aus der Bahn aussteige, halte ich immer fünf bis zehn Meter Abstand zu den Gleisen. Peter Lawson, Sierra Leone, lebt als geduldeter Asylbewerber in Prenzlau. Hier in Prenzlau ist es so: Jedes Mal, wenn du rausgehst, passiert etwas. Und zwar nicht ein-, zweimal am Tag, sondern die ganze Zeit. Man überlegt sich wirklich, überhaupt noch auf die Straße zu gehen. Eigentlich gehen wir nur noch raus, wenn wir wirklich müssen, zum Einkaufen oder zum Sozialamt. Lina Schäfer*, 30, Senegal, Hausfrau, seit 6 Monaten in Dresden. Aus Vorsicht gehe ich nachts nicht auf die Straße, das macht hier kein Afrikaner – das wäre einfach viel zu gefährlich. Im Senegal bin ich nachts immer auf die Straße gegangen, aber der Senegal ist auch nicht so gefährlich wie Deutschland. Manchmal lauert mir einer auf, an der Trambahnhaltestelle, am Kindergarten oder auch vor meinem Haus. Er starrt mich an und zischt mir Dinge zu. Weil ich noch nicht so gut Deutsch spreche, hat mir mein Mann einen Zettel geschrieben: »Lass mich in Ruhe oder ich hole die Polizei!«, steht da drauf. Den trage ich jetzt immer bei mir. Hier kannst du auf sz-magazin.de weiterlesen. Interviews: Andreas Bernard, Jonathan Fischer, Kerstin Greiner, Meredith Haaf, Johannes Waechter; Zusammenstellung: Andreas Bernard. Foto: Eva Leitolf.

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