- • Startseite
- • SZ-Magazin
-
•
"Es war in diesem Moment einfach alles scheißegal"
SZ-Magazin: Herr Wortmann, schließen Sie bitte mal Ihre Augen und denken Sie zurück an den 9. Juni, hier in der Allianz-Arena. Die wochenlange Vorbereitung ist vorbei, die Eröffnungsfeier steht bevor, 60 000 Fans sitzen im Stadion und Millionen vor dem Fernseher. Wie haben Sie das erlebt? Sönke Wortmann: Ich erinnere mich an die Busfahrt ins Stadion, wie die Arena langsam in unser Blickfeld kam und die Anspannung immer größer wurde. Da war so eine seltsame Ruhe, fast gespenstisch. Dann, im Spielertunnel, stand ich auf einmal zwischen bayerischen Schuhplattlern und dachte: Hoppla, wo bist du denn hier reingeraten? Was mich aber auch sehr erstaunt hat: In der Kabine der Nationalelf war ein Fernseher an die Wand montiert und die Spieler haben sich dort die Eröffnungsfeier angeschaut.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Was war das für ein Gefühl, als die Nationalhymne ertönte? Ich hab nah am Wasser gebaut und hatte Tränen in den Augen. Haben Sie auch mitgesungen? Ja. Eigentlich gehöre ich mit 47 Jahren zu der Generation, die das doof finden müsste. Aber ich habe schon seit einigen Jahren meinen Frieden mit der deutschen Nationalhymne geschlossen. Klingt nach einer bewussten Entscheidung. Ich stand als Jugendlicher und Student dem Land sehr kritisch gegenüber. Vielleicht ein wenig zu kritisch. Als ich aber nach Der bewegte Mann für ein paar Jahre in Los Angeles lebte, konnte ich aus der Ferne erkennen, warum ich auch ein bisschen stolz auf Deutschland sein kann. Sie waren selbst ein passabler Fußballer, spielten in der Regionalliga. Sie hätten gegen Costa Rica am liebsten mitgespielt, oder? Ich habe tatsächlich lange nach meiner bescheidenen Karriere als Fußballer ab und zu nachts davon geträumt, dass mich der Bundestrainer, das war damals noch Berti Vogts, zur Nationalelf einlädt. Aber am 9. Juni war ich definitiv zwanzig Jahre zu alt. Was hat Klinsmann den Spielern nach dem Eröffnungsspiel in der Kabine gesagt? Der Jubel über das 4:2 gegen Costa Rica war nicht besonders groß, sodass der Trainer etwas nachhelfen musste: »Der erste Dreier! Den nimmt uns keiner mehr weg!« War der Film eigentlich Ihre Idee oder stimmt das Gerücht, dass Altbundeskanzler Gerhard Schröder dieses Projekt gefördert hat? Schröder? Das ist totaler Quatsch. Die Franzosen haben 1998 einen Film über ihre Mannschaft gedreht und ich habe mir überlegt, ob man das auch mit der deutschen Nationalmannschaft bei der WM Deutschland machen kann. Meine erste Anfrage ging schon 2002 an Rudi Völler, aber der wollte nicht. Dann kam der Trainerwechsel. Und Klinsmann war begeistert? Mit ihm hatte ich damals überhaupt nicht gesprochen, sondern mit Oliver Bierhoff. Und der fand die Idee prima. Er war sich schnell darüber klar, dass so ein Film ein Zeitdokument werden kann. Das ist leicht untertrieben. Ganz Deutschland erwartet sehnsüchtig Ihren Film. Wenn die Jungs schlecht gespielt hätten und früh ausgeschieden wären, würde dieser Film wohl kaum jemanden interessieren. Aber die haben nun mal super gespielt. War es nicht trotzdem traumhaft, so nah dabei zu sein? Manchmal dachte ich: Was ist denn hier los? Ich sitze tatsächlich in der Kabine der deutschen Nationalmannschaft! Ist das denn zu glauben? Aber irgendwann gewöhnt man sich sogar daran. Dann sitzt man im Viertelfinale gegen Argentinien auf der Bank und wird diesen Moment sein Leben lang nicht vergessen. Hier kannst du den zweiten Teil des Interviews lesen. Auf sz-magazin.de kannst du in der Online-Verlosung den original WM-Ball aus dem Vorrundenspiel Trinidad und Tobago gegen Schweden gewinnen. Interview: Alexandros Stefanidis und Dominik Wichmann, Foto: Peter Langer.