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Der Spion, der aus der Kälte kam
Vor einigen Jahren hat sich Wim Neitzert selbstständig gemacht. Seitdem berät er Möbelhändler, deren Geschäft ins Stocken geraten ist. Wenn er denen zeigen will, wie man es richtig macht, landet er immer wieder bei seinem früheren Arbeitgeber: Ikea. Neitzert leitete die Niederlassung München-Eching, später das gesamte Ikea-Geschäft in Süddeutschland. Der Unternehmensberater weiß: Ein Rundgang beim Branchenprimus überzeugt seine Klienten mehr als jede Power-point-Präsentation.
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Schon der Eingangsbereich stammt aus dem Lehrbuch: Ladenplaner wissen, dass sich die Kunden hier erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen müssen. Manche sagen, dieser Bereich biete sich vor allem dazu an, um die Männer möglichst schnell loszuwerden. Studien in den USA haben ergeben, dass Frauen in Begleitung ihrer Männer nur halb so lang im Laden verweilen wie ohne. Bei Ikea stellt sich das Problem nicht so drastisch, weil ohnehin 70 Prozent der Kunden weiblich sind. Dennoch hat man vorgesorgt, um den Frauen das Shoppen zu erleichtern: Für die Kinder gibt es gleich am Eingang Småland, die konsumfaulen Männer können nach dem Treppenaufgang ins Restaurant abbiegen. Ein nicht unerheblicher Teil der Kundschaft wählt diesen Weg; besonders am Samstag, wenn dort Fußball-Bundesliga im Fernsehen läuft.
Für die restlichen Besucher geht es im Zickzack durch die Verkaufsräume. Weil die Kunden immer wieder nach links und rechts abbiegen, laufen sie ständig auf neue Produkte zu – was sie auch schneller zugreifen lässt, wie man bei Ikea weiß. Unternehmensberater Neitzert erläutert, der Kunde könne stets das gesamte Angebot überblicken, der Abstand zwischen Gang und Wand sei nie größer als fünf Meter. »Ikea-Märkte sind orientierungsfreundlich und übersichtsma-ximal«, lobt Peter Weinberg, Professor am Institut für Konsum und Verhaltensforschung an der Uni Saarbrücken. »Sie werden kognitiv nicht überfordert. Das Einzige, was Sie nicht so leicht finden, ist der Ausgang.«
Auch das hat seinen Grund: »Wir haben mal in Bielefeld getestet, was passiert, wenn wir die Kunden in einer Ikea-Filiale frei herumlaufen lassen, ohne die Route vorzugeben«, erzählt Neitzert. »Sie suchen den kürzesten Weg zum Ausgang. Automatisch. Und der größte Teil der Verkaufsfläche bleibt unberührt.« Dennoch gibt es seit einigen Jahren Abkürzungen, denn nicht nur die Kunden, sondern auch die Mitarbeiter mussten lange Wege gehen. Heute wird sogar explizit auf die Abkürzungen hingewiesen. Wegen der hohen Dichte von Ikea-Märkten in Deutschland kommen immer mehr Kunden, »um schnell mal einen Bilderrahmen zu besorgen«. Müssten sie den ganzen Markt ablaufen, würden sie eher zur Konkurrenz fahren.Ein Ikea-Markt hat im Normalfall zwei Ebenen, mehr nicht: »Mit jeder weiteren Etage verliert man 40 Prozent der Besucher«, weiß Unternehmensberater Neitzert. Der Rundgang startet in der oberen Etage, »runter kommen die Leute immer«. Die ersten Bereiche der Ausstellung sind Wohnen und Schlafen, weil Ikea damit am meisten Geld erwirtschaftet. Je umsatzstärker ein Bereich, desto weiter vorne taucht er in der Route durch einen Ikea-Markt auf. Zu Beginn jeder Abteilung steht das Einstiegsangebot: ein Stück zu einem besonders niedrigen Preis.
Immer wieder hört der Berater Neitzert von den Klienten, in einen vernünftigen Möbelmarkt gehörten auch Verkäufer – um die Fragen der Kunden zu beantworten. »Welche Fragen sollen das sein?«, entgegnet er dann. »Der Preis? Die Maße? Oder in welchen Farben das Möbelstück zu haben ist? Diese Informationen finden Sie bei Ikea auf einem kleinen Zettel ? direkt am Möbelstück. Es wird einfach respektiert, dass die Kunden mündig sind und selbst entscheiden können, was sie wollen.« Das scheint zu funktionieren, jedenfalls schneidet Ikea bei Umfragen in Sachen Service und Kundenorientierung stets hervorragend ab. Nebenbei spart sich das schwedische Möbelhaus mit seiner Strategie eine Menge Personalkosten.
Die Gänge, insbesondere vor der Kasse, säumen riesige Körbe mit Teelichten, Servietten, Batterien oder Stoff-Pandabären. Von wegen Möbelhaus: Ikea bestreitet mit dem Kleinkram, der hauptsächlich in der Markthalle im Erdgeschoss ausliegt, 50 Prozent seines Umsatzes. Die Mitarbeiter sind angehalten, die Körbe immer wieder aufzufüllen, bis sie überquellen. Die Kunden lieben alles, was nach Masse aussieht. Je voller die Körbe, desto eher vermuten sie ein Schnäppchen und greifen zu. Solange eben Platz ist in den großen Einkaufstüten mit den langen Schlaufen, auch so eine Besonderheit bei Ikea. »Besser als jeder Einkaufskorb«, schwärmt Neitzert. »Wenn Sie in einer Hand den Korb halten und die Dinge nur mit der anderen Hand anfassen, werden Sie die eher nicht kaufen. Die Ikea-Taschen tragen Sie über der Schulter und haben beide Hände frei.«
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