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Das SZ-Magazin porträtiert Spiegel Online
Der gesellschaftliche Erfolg von Journalismus, hat der Soziologe Niklas Luhmann geschrieben, bemesse sich an der »Durchsetzung der Akzeptanz von Themen«. Wendet man diese Definition auf Spiegel Online an, dann handelt es sich in der Tat um eine sehr erfolgreiche Publikation: Die auf der Einstiegsseite in sechs bis acht rote Hauptschlagzeilen gemeißelte Verdichtung der Nachrichtenlage gilt inzwischen einem Millionenpublikum als adäquates Abbild des Weltgeschehens.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das Nachrichtenangebot von Spiegel Online gehört heute zum Kanon der tagesaktuellen Leitmedien, wie die Tagesschau oder Bild. Es ist zur Selbstverständlichkeit geworden und markiert eine neue Normalität im Journalismus. Durchgesetzt hat Spiegel Online damit auch eine Akzeptanz für seinen Tonfall und seine Themenmischung.
Spiegel Online, 1994 gegründet, ist zur Reichweiten-Großmacht aufgestiegen. Innerhalb der letzten sechs Jahre hat sich die Zahl der Sitebesuche etwa verzwölffacht. Die Homepage wird wöchentlich von 2,4 Millionen Lesern genutzt. Pro Tag protokolliert der Server im Schnitt 2,3 Millionen Besuche und 13 Millionen Seitenabrufe. Seine Online-Konkurrenz hat Spiegel Online deklassiert. Wenn es um die Reichweite geht, konkurriert die Site mit der überregionalen Tagespresse auf Papier.
Dabei war der Erfolg ganz und gar unwahrscheinlich: Überall in der
westlichen Welt werden die führenden Online-Nachrichtenangebote von Tageszeitungen oder TV-Sendern betrieben. Ausnahme ist allein Deutschland, wo sich ausgerechnet die Tochter eines Wochenmagazins durchzusetzen vermochte. Es müssen also einige Besonderheiten zu dieser Konstellation geführt haben.
Die Spiegel Online-Seite war fast immer die erste: die erste mit einem Forum beim Online-Dienst CompuServe, die erste mit eigenständigen Online-Inhalten, das führende Angebot im Markt. Diese Position wurde immer weiter ausgebaut. Als Spitzenreiter genoss Spiegel Online die klassischen Netzwerkeffekte sich selbst verstärkender Aufmerksamkeit.
Der Erfolg ist zudem eine direkte Folge des Zauderns überregionaler
Tageszeitungs-Verleger. Ihre Titel wären online die eigentlichen
Wettbewerber der Site. Doch aus Angst vor der eigenen Schwächung, aus Geringschätzung für das neue Medium und infolge der Anzeigenkrise Anfang des Jahrhunderts haben sie sich dem Netz nur sehr zögerlich zugewandt bis jetzt: Seit einem Jahr suchen mehrere Titel einen Anschluss. Ein langwieriger Lernprozess ohne schnelle Erfolge, wie sich nun zeigt. Der Erfolg von Spiegel Online ist vor allem auch der Erfolg seines Chefredakteurs Mathias Müller von Blumencron. Der 47-Jährige verbindet den kühl-charismatischen Führungsstil eines Ole-von-Beust-Hanseatentums mit der selbstkritisch gebrochenen Wachheit eines Harald Schmidt. Die FAZ lobte Müller von Blumencron für seinen »Gestaltungswillen als Blattmacher«. Seine Redaktion lobt seine Kultur der Ansprechbarkeit und Offenheit.
Müller von Blumencron kam im Jahr 2000 vom Magazin in die Online-Redaktion und hat entsprechend gute Kontakte zum Mutterhaus. Während sich Mitbewerber noch in Technikprojekten verzettelten oder ihre zweite Garde für Online abordneten, setzte er frühzeitig auf journalistische Profilierung. In den Krisenjahren vermochte er die knauserige Mitarbeiter KG des Spiegel von weiteren Investitionen zu überzeugen. Dabei war die Poleposition für einen erstaunlich günstigen Preis zu haben. Rund 25 Millionen Euro pumpte der Spiegel-Verlag laut Branchenkennern über zehn Jahre lang in seinen Online-Ableger bevor 2006 die ersten Millionen zurückflossen. Auch Spiegel Online profitiert nun von einem prosperierenden Banner-Werbemarkt, dessen Volumen sich in den letzten beiden Jahren fast verdoppelt hat. Die formatfüllende Anzeigenfläche rund um die Einstiegsseite kostet mittlerweile 44000 Euro pro Tag. Sie ist fast immer ausgebucht.
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