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Aussage gegen Aussage: Über den Fall Madeleine McCann

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Seit einem halben Jahr fahndet die portugiesische Polizei nach der verschwundenen Madeleine McCann. Erst vermuteten die Ermittler, ein internationaler Pädophilenring habe das Mädchen aus der Ferienanlage in Praia da Luz verschleppt. Dann wurde der britische Immobilienmakler Robert Murat verdächtigt. Inzwischen stehen die Eltern Kate und Gerry McCann im Zentrum der Ermittlungen. Im Mietwagen der McCanns wurden DNA-Spuren entdeckt und an der Jeans der Mutter Leichengeruch. Doch die Indizien hielten einer näheren Überprüfung nicht stand. Aus dem Umfeld der Polizei heißt es, die Eltern seien mit der Erziehung Madeleines überfordert gewesen und hätten sie deshalb getötet. Das Mädchen sei an einer Überdosis Schlafmitteln gestorben, ein Unfall, lautet eine andere Version. Die Eltern würden sich nun gegenseitig decken, um nicht das Sorgerecht für ihre Zwillinge Sean und Amelie zu verlieren. Doch Beweise für die Theorien kann die Polizei nicht liefern. Selbst winzige Nebenaspekte in diesem Fall erscheinen heute als Rätsel, etwa die Frage, wie viele Flaschen Wein die McCanns und ihre Freunde am Abend von Madeleines Verschwinden tranken: Ein Zeuge berichtet von vier, ein anderer von mindestens sechs, der dritte gar von 14 Flaschen. Stellt man alle Aussagen – der McCanns, ihrer Freunde, der Zeugen, der Polizei – der letzten sechs Monate gegenüber, drängt sich der Schluss auf, dass der aufsehenerregendste Fall der Kriminalgeschichte wohl niemals gelöst werden wird.

Das Verhältnis der Eltern zu Madeleine Mark Williams-Thomas, Privatdetektiv, der den Fall »Maddie« für das britische Fernsehen verfolgt: »Der portugiesische Staatsanwalt verlangt Kates Krankenakte, um zu erfahren, ob sie früher an einer Depression litt. Dies könnte darauf hinweisen, warum sie Madeleine umgebracht hat. Angeblich soll Kate mit der Erziehung Madeleines überfordert gewesen sein, weil das Kind ein Schreibaby war und sehr viel Aufmerksamkeit benötigte.«

Kate McCann, Madeleines Mutter: »Ich trage ein aufklappbares Medaillon um den Hals, innen befindet sich Madeleines Foto und die Bedeutung ihres Namens, ›Turm der Stärke‹, ist eingraviert. Ein Freund hat es mir geschenkt. Madeleine war immer mein – Turm der Stärke‹. Wir werden niemals aufgeben, nach ihr zu suchen.«

Brian Davinson, Rentner, der in Rothley neben den McCanns wohnt: »Meine Frau und ich vermissen das Freudengebrüll der McCann-Kinder im Garten. Ich kann mich noch erinnern, wie Gerry im April die Kinder in den Garten gerufen hat, um ihnen die neue Schaukel zu zeigen, die er für sie aufgebaut hatte. Madeleine war die Erste, die auf den Sitz gesprungen ist. Es ist so seltsam ruhig hier seit Mai.«

Joe Corner, Madeleines Patenonkel: »Kate und Gerry haben jahrelang versucht, Kinder zu bekommen. Aber erst eine künstliche Befruchtung brachte den gewünschten Erfolg. Madeleine und die Zwillinge Sean und Amelie waren die Erfüllung ihrer Träume. Wieso sollten sie das alles zerstören?«

 

Christian Lüdke, Kriminalpsychologe, in der Tageszeitung »Die Welt«: »Ein Kind, das durch künstliche Befruchtung gezeugt wurde, kann zu Problemen in der Partnerschaft führen. Vielleicht wurden diese Probleme über Jahre nicht offen angesprochen und haben sich angestaut. Vielleicht kam es bei Kate McCann zu einer Gefühlseruption und das Kind musste deshalb sterben.«

 

Das Bibelzitat

Samuel II, Kapitel 12, Verse 15–19, das Zitat, das Kate McCann angeblich häufig gelesen hat: »Dann ging Natan nach Hause. Der Herr aber ließ das Kind, das die Frau des Urija dem David geboren hatte, schwer krank werden. David suchte Gott wegen des Knaben auf und fastete streng; und wenn er heimkam, legte er sich bei Nacht auf die bloße Erde. Die Ältesten seines Hauses kamen zu ihm, um ihn dazu zu bewegen, von der Erde aufzustehen. Er aber wollte nicht und aß auch nicht mit ihnen. Am siebten Tag aber starb das Kind. Davids Diener fürchteten sich, ihm mitzuteilen, dass das Kind tot war; denn sie sagten: Wir haben ihm zugeredet, als das Kind noch am Leben war; er aber hat nicht auf uns gehört. Wie können wir ihm jetzt sagen: Das Kind ist tot? Er würde ein Unheil anrichten. David jedoch sah, dass seine Diener miteinander flüsterten, und merkte daran, dass das Kind tot war. Er fragte seine Diener: Ist das Kind tot? Sie antworteten: Ja, es ist tot.«

 

Text: ALEXANDROS STEFANIDIS

 

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