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Panik-Lerntipps von Lerncoach Hanna Hardeland
Grade befand man sich noch mitten im Semester und alles war völlig entspannt – und auf einmal ist die Prüfungsphase da! Spätestens jetzt wird klar, dass aus dem Vorsatz „endlich das Studium ernst nehmen“ mal wieder nichts geworden ist. Denn wenn überhaupt hat man in den vergangenen Wochen nur Veranstaltungen mit massiven Anwesenheitskontrollen besucht, der Reader liegt jungfräulich eingeschweißt im Regal und die Lerngruppe ist schon beim ersten Treffen zum Stammtisch mutiert.
Für die verbleibenden paar Tage ist deswegen Panik angesagt, Lernorgien in überfüllten Lesesälen, durchweinte Nächte, Sehnsucht nach der Grundschule. Muss das sein? Wir haben die professionelle Lernberaterin Hanna Hardeland gefragt, wie man trotz, äh, sehr knappem Zeitmanagement, bis zum Prüfungstermin noch das Beste rausholen kann.
jetzt: Frau Hardeland, haben Menschen, die nur wenige Tage vor dem Prüfungstermin mit dem Lernen beginnen, noch eine Chance auf gute Ergebnisse?
Hanna Hardeland: Es ist noch nicht alles verloren! Der Lernmodus ist in einem so knappen Zeitraum zwar etwas herausfordernder als eine vorbildlich-gleichmäßige Verteilung des Stoffs über das Semester, aber machbar. Man muss mit einer speziellen Strategie herangehen: Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Und vor allem: Ruhe bewahren!
Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden – das klingt ja fast nach dem berühmten „Mut zur Lücke“. Lohnt sich das?
Natürlich nur bedingt, aber man kann schon sagen: Besser, als sich den gesamten Stoff bis ins letzte Detail reinzuwürgen, ist eine Mischung aus Überblicks- und Tiefenwissen. Man muss sich fragen: Bei welchem Thema reicht mir eine grobe Einordnung und wo muss ich wirklich in die Tiefe gehen? Und: Was kann ich eigentlich schon? Man schreibt sich erst einmal die dicken Steine auf, bevor man sozusagen den feinen Sand dazu kippt. Viele Panik-Lerner legen einfach blind drauf los, was natürlich verständlich ist, da man nicht noch mehr Zeit verschwenden will. Besser ist aber ein durchdachter „Notfallplan“.
Wie strukturiert man sich so einen Notfallplan?
Man sollte sich mit einem Kalender und dem gesamten Stoff hinsetzen und überlegen: An welchem Tag mache ich was? Wenn ich Menschen berate, fange ich dabei meistens von hinten an: Die letzten zwei bis drei Tage sind nur noch für die Wiederholung des Gelernten reserviert, da sollte nichts Neues mehr hinzukommen. Und auch beim Rest der Einteilung sollte man streng mit sich sein und für jeden Themenbereich ein striktes zeitliches Limit setzen. Das ist nämlich auch eine große Gefahr beim Paniklernen: Dass man sich aus mangelndem Überblick an einem Thema tagelang festbeißt und dabei andere Bereiche vernachlässigt. Besser: Notfallplan konsequent einhalten, auch wenn das bedeutet, dass man für ein Thema nur einen Nachmittag zur Verfügung hat.
Viele sperren sich dann von 8 Uhr morgens bis um 23 Uhr in der Bibliothek ein. Wie wichtig sind dabei Pausen trotz der Panik?
Wer merkt, dass nichts mehr in den Kopf reingeht, der muss eine Pause machen. Außerdem ist ausreichend Schlaf natürlich wichtig für das Gehirn. Die Gefahr von Pausen ist wiederum, dass Menschen mit Hang zum Aufschieben sie gerne nutzen, um sie in die Länge zu ziehen oder nach dem netten Mittagessen gar nicht erst zurück in die Bibliothek zu gehen. Wichtig ist also, seine Pausen zeitlich zu begrenzen, sich zum Beispiel für die Kaffeepause einen Wecker zu stellen, der einen nach einer Viertelstunde zurück an den Schreibtisch klingelt.
„An den Unis fehlen Schulungen zum selbstverantwortlichen Lernen“
Ist diese Panik ausschließlich „Schuld“ der Studierenden? Kann es nicht auch mal sein, dass der zu lernende Stoff oder der Aufbau der Seminare einfach jeden überfordern?
Diese Wissensvermittlung über das Eintrichtern von Inhalten und das Bulimie-Lernen gerade in den Bachelor-Studiengängen sind natürlich nicht die besten Konzepte. Mit nachhaltiger Bildung hat das nur sehr wenig zu tun. Was meiner Meinung nach aber auch fehlt, sind Schulungen zum selbstverantwortlichen Lernen innerhalb der Universität. Da gehen die meisten Studierenden nach dem Trial-and-Error-Prinzip vor, viele finden bis zum Ende des Studiums keinen geeigneten Modus zur Prüfungsvorbereitung. Wenn das gleich zu Beginn richtig vermittelt würde, wäre dieses Problem sofort beseitigt.
Es soll ja auch Menschen geben, die das Paniklernen kurz vor der Prüfung als ihren Modus erkannt haben. Sie sagen: Ein paar Tage durchballern, dann ist das Wissen noch frisch im Kopf, klappt super.
Die Persönlichkeitsstruktur spielt beim Lernen eine große Rolle. Ein mutiger Mensch mit gesundem Selbstbewusstsein lernt eher langfristig. Der macht das konsequent über das gesamte Semester. Dieses extrem verspätete Loslegen betreiben oft sehr ängstliche Menschen mit Versagensängsten. Manche „brauchen“ gewissermaßen dieses Gefühl, das ihnen sagt: Du bist nicht so optimal vorbereitet, aber allein an dir lag es nicht, du hattest einfach zu wenig Zeit. Das ist so eine Art Entschuldigung fürs Gewissen. Manche brauchen aber auch einfach den Druck und kommen trotz knapper Zeitplanung zu guten Ergebnissen. Für die meisten bedeutet es jedoch schon eher Stress und emotionale Belastung.
Wenn ein klassischer Lern-Aufschieber im nächsten Semester einen vernünftigen, langfristigen Lernmodus finden will – wie schafft er das?
Man muss sich natürlich im Klaren sein, dass es hier um eine echte Verhaltensänderung geht. Das ist in etwa so, wie wenn sich ein fauler Mensch zum Joggen motivieren will, oder wenn ein Fast-Food-Junkie seine Ernährung umstellt. Da geht es nicht mehr nur um Lern-Techniken, sondern um ganz grundsätzliche Dinge. „Ich will chillen, aber ich will auch mein Studium schaffen“ – das ist grob gesagt der klassische Ambivalenzkonflikt bei Studierenden. Und den muss man überwinden: Mit einem Lernpartner oder einer ganzen Gruppe, mit fest reservierten Lernphasen in der Wochenplanung, mit Abschottung, mit dem Setzen von Karrierezielen, oder eben mit dem durch radikales Aufschieben erzeugten Zeitdruck – da können verschiedene Methoden greifen, einen allgemeingültigen Weg gibt es da leider nicht. Aber wer sich mal über einen längeren Zeitraum hinweg mit sich selbst auseinandersetzt, kann ihn für sich finden.