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Neujahrsvorsatz: Studenten - 2019 muss die Uni entspannter werden
Das neue Jahr hat kaum angefangen und ich kann es jetzt schon nicht mehr hören. Von überall her schlagen sie mir entgegen: Neujahrsvorsätze. Die meisten können ganz sinnvoll sein, aber genauso schnell wie ein Neujahrsvorsatz gefasst wird, genauso schnell verfliegt er auch wieder. Eine Universität aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania fand heraus, dass fast jeder zweite einen guten Vorsatz fasst und nur acht Prozent diesen auch durchziehen.
Gerade in meinem Umkreis werde ich zu dieser Zeit des Jahres mit übereifrigen Studenten konfrontiert, persönlich und im Netz. Jetzt ist 2019! Jetzt wird alles anders! Nach dieser Prüfungsphase leg ich im nächsten Semester richtig los! Ich stehe früher auf! Ich gehe auch wirklich in jede Vorlesung, schreibe alle meine Prüfungen und Hausarbeiten in diesem Semester, um bloß nicht die Regelstudienzeit zu überziehen! Dabei ist das Bullshit. Hört endlich auf mit euren guten Vorsätzen, die sowieso zum Nichteinhalten gemacht sind. 2019 sollten wir uns alle vornehmen, etwas mehr zu chillen! Und weil ich sonst direkt als „faule Socke“ abgestempelt werde, will ich das jetzt wissenschaftlich beweisen.
„Ich darf nicht mehr so lange schlafen und gammeln! Ich muss produktiver sein.“
Wer ausreichend schläft, ist gesünder.
Wer regelmäßig bis nach Mitternacht kellnert und dann am Morgen um acht Uhr in der ersten Vorlesung sitzen muss, hält das auf Dauer nicht aus. Der Körper eines erwachsenen Menschen in der Alterskategorie „Student“ (18 – 25) benötigt im Schnitt sieben bis neun Stunden Schlaf pro Nacht. Manche kommen mit sechs aus, aber auch zehn bis elf Stunden liegen im Bereich „möglicherweise angemessen“. Es gibt also absolut keinen Grund, dich zu schämen, wenn du es morgens um acht nicht in die Vorlesung schaffst. Wenn du dich nach sieben Stunden ausgeschlafen fühlst, dann ist das super für dich. Aber wer neun oder auch zehn Stunden schlafen muss und möchte, um sich wirklich fit zu fühlen – sollte das tun. Dann lebt er oder sie nämlich auch länger.
Christer Hublin fand zusammen mit seinen Kollegen vom finnischen Institut für Arbeitsmedizin heraus, dass sowohl Männer als auch Frauen ein rund 24 Prozent höheres Risiko haben frühzeitig zu sterben, wenn sie regelmäßig weniger als sieben Stunden schlafen. In Deutschland betrifft das laut einer Studie der Techniker Krankenkasse jeden zweiten Bürger. Das Risiko, nach 20 Jahren dadurch einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, steigt. Zu wenig Schlaf ist in etwa so schädlich wie Auswirkungen von Rauchen und Diabetes. Noch dazu kann man Depressionen und Angstzustände entwickeln.
„Ich muss endlich früh aufstehen und früh ins Bett gehen!“
Wer später in den Tag startet, ist aufnahmefähiger.
Dicht gefolgt vom Wunsch weniger Schlaf zu benötigen, steht das Verlangen danach, einen festen Tagesablauf zu entwickeln. An Arbeitstagen gehen nur zwei von zehn Deutschen nach Mitternacht ins Bett, an arbeitsfreien Tagen jeder vierte. Dabei hat das Unternehmen „Jawbone“, das tragbare Produkte die Gesundheitsparameter messen entwickelt, einige interessante Dinge zu den Schlafgewohnheiten von Studenten herausgefunden.
Dazu haben sie gesammelte Daten der Fitnessarmbänder von rund 185000 amerikanischen Studenten ausgewertet. Studierende, die an den Top-Unis studieren, gehen dem Unternehmen zufolge deutlich später schlafen als Studenten, die an einer der Universitäten mit niedrigem Rang angenommen wurden. Die Schlafdauer war bei allen mit durchschnittlich sieben Stunden und drei Minuten ähnlich. Eine mögliche Erklärung für diese Ergebnisse ist, dass Studenten, die länger wach bleiben und später aufstehen, effizienter arbeiten können und mehr Aufgaben erledigt bekommen.
Hinzu kommt die Diskussion, dass die innere Uhr von Jugendlichen und jungen Erwachsenen grundsätzlich etwas anders tickt, als die des durchschnittlichen Arbeitnehmers. Während uns die natürliche Leistungskurve suggeriert, dass wir gegen zehn Uhr zu Höchstform auflaufen, verschiebt sich dieser Rhythmus im Jugendlichenalter, unterliegt Schwankungen und benötigt auch danach noch einige Zeit, um sich wieder „richtig“ einzustellen. Nicht umsonst gab es bereits mehrere Forderungen verschiedener Länder und Regionen, die Schule als auch die Uni nicht vor neun oder zehn Uhr beginnen zu lassen.
Eine Studie der University of Nevada schlägt sogar einen Beginn der Lehrveranstaltungen ab elf Uhr vor, da Studenten gegen acht Uhr nicht einmal die Hälfte ihrer Aufnahme- und Leistungsfähigkeit erreicht hatten. Also: aufnahmefähig bist du morgens sowieso nicht und die intelligentesten Studenten Amerikas gehen durchschnittlich um halb zwei nachts ins Bett – da darfst du das auch!
„Ich muss alle meine Vorlesungen nächstes Jahr besuchen!“
Wer abwägt, zu welchen Vorlesungen er geht, ist schlauer.
Es gilt grundsätzlich: Im Studentenleben entscheidest du selbst, was richtig und wichtig für dich ist. Du hast dich immerhin zwölf, wenn nicht gar 13 Jahre lang durch das Schulsystem geschleppt, das von dir forderte, dass du alles lernst, alles weißt, alles mitmachst. Jetzt bist du erwachsen und dazu gehört eben auch, Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Bevor du dich also unproduktiv und gelangweilt in den nächsten Hörsaal schleifst, nur um die ganze Zeit auf dem Smartphone zu spielen oder Luftlöcher zu starren, kannst du mit der Zeit auch etwas Sinnvolles anfangen.
Der Fachstudienberater der RWTH Aachen und Bestsellerautor Tim Reichel erklärt auf seinem Blog, dass es für die meisten Studenten sehr viel wertvoller wäre, wenn sie in der Zeit, in denen sie 90 Minuten schlecht organisierte Vorlesungen besuchen, sich mit Themen beschäftigen würden, die sie wirklich interessieren. „Jede Vorlesung, die dich deinen Zielen nicht näherbringt oder sogar deine Leidenschaft für ein Studienfach abschwächt, ist überflüssig.
Mehr noch: Als mitdenkender und selbstständiger Student ist es deine Pflicht, solch eine Vorlesung zu meiden.“ Also hör auf den erfahrenen Fachstudienberater und wäge ab, ob dir eine Vorlesung einen Mehrwert bringt. Dich wegen deines schlechten Gewissens in die letzte Reihe zu setzen, hilft dir in deiner persönlichen Entwicklung nicht weiter.
„Ich muss mein Studium unbedingt in der Regelstudienzeit schaffen!“
Wer über der Regelstudienzeit studiert, hat bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Rund 40 Prozent aller Studenten schaffen ihren Bachelor in der Regelstudienzeit. Also nicht mal die Hälfte. Warum, um Himmels Willen, machen sich dann alle so einen Druck? Fünf Jahre braucht man theoretisch, um durch den Bachelor und Master zu kommen. Stellt man sich gut an, ist man im Alter von 23 oder 24 Jahren fertig mit seiner kompletten Ausbildung und soll als ausgereifter Mensch in die Berufswelt eines Akademikers starten. Bitte was? Ist die Finanzierung gesichert, gibt es keinerlei Grund, sich zu stressen. Häufig sind es sogar Studenten mit stark beschränkten Budget, die zu den Langzeitstudenten zählen.
Aber weil es am Ende auf einem Blatt Papier steht, das dir deinen Wert auf dem Arbeitsmarkt bescheinigt, denken einige, sie müssten dieses Ziel unbedingt erreichen. Oft leidet nicht nur die Freizeit darunter, sondern auch das persönliche Wohlbefinden. Auslandssemester, ehrenamtliche Engagements, Arbeits- und Praktikaerfahrungen sowie vielseitige Interessen sucht man bei diesen Menschen verzweifelt auf ihrem Lebenslauf. Dabei geht es zukünftigen Arbeitsgebern doch genau um diese Zusatzqualifikationen, die man parallel zu seinem Studium erwirbt. Dass man eben nicht nur Arbeit nach Vorschrift erledigt, sondern sich selbstständig umschaut und weiterbildet. Die ganze Hetze, der Zeitdruck, die Sorge – alles völlig unbegründet. Studien und Analysen haben sogar herausgefunden, dass Studenten mit mehr Praxiserfahrung und längerer Studiendauer bevorzugt eingestellt werden.
„Ich muss allgemein viel härter arbeiten und mehr machen und darf nicht so faul sein!“
Wer faul ist, lebt besser
Zu guter letzt: Es lohnt sich, faul zu sein! Faule Menschen sind intelligent, erfolgreich und glücklich. Forscher der Florida Gulf Coast University bestätigen, dass intelligente Menschen mehr Zeit mit Nichtstun verbringen. Das begründen sie damit, dass intelligente Menschen sich auch mit sich selbst beschäftigen können und Gedanken nachhängen, während Menschen mit geringerem IQ Anreize von außen brauchen, um sich nicht zu langweilen. Auch Shawn Achor, Harvard-Professor, behauptet, dass Glück das Hirn in einen positiven Zustand versetzt. Wer also glücklich und entspannt ist, arbeitet automatisch härter und merkt diese Arbeit nicht mal. Wer immer nur von einem Ziel zum nächsten jagt und sich keine Zeit fürs Nichtstun nimmt, wird nie zufrieden sein.
Bevor du dich also auf all deine neuen Neujahrsvorsätze stürzt: Mach 2019 zum Jahr des Chillens! Wer nur studiert, um am Ende einen Schein zu erhalten, der ihm zwar bescheinigt, Wissen erhalten zu haben, aber keine Interessen ausgebaut zu haben – der macht nichts anderes als die Schule weiterführen. Als Studenten sollten wir uns alle mehr für individuellen Wissensdrang einsetzen und weg von dem Gedanken kommen, irgendwelche sozialen Normen erfüllen zu müssen. Du musst nicht weniger schlafen und früh aufstehen, du musst nicht jede einzelne Vorlesung besuchen und schon gar nicht dein Studium in Regelstudienzeit schaffen. Eigentlich musst du nur glücklich sein und eben auch ein bisschen faul. Einfach neugierig und gechillt. Stell dir nur vor, wie schön das nächste Semester wird!