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Hausmeister und Putzfrau: Studenten stellen die wahren Helden ihrer Universität vor
William, Kelly, Javier, Yunusah, Vernetta und noch viele mehr: Seit einem halben Jahr werden auf der Facebook-Seite und dem Instagram-Account von „Unsung Heroes“ regelmäßig kleine Porträts von Menschen veröffentlicht, die an der Georgetown University in Washington arbeiten. Als Reinigungskräfte, Hausmeister, Busfahrer oder in der Kantine zum Beispiel. Febin Bellamy, 21 und Business-Student, hat das Projekt gestartet, um den Menschen zu danken, die seine Uni hinter den Kulissen am Laufen halten. Die Idee entstand durch seine (eigentlich gar nicht so) ungewöhnliche Freundschaft mit dem Hausmeister Oneil Batchelor, 29. Bei einem Treffen im Innenhof der Uni erzählen die beiden, wie sie sich kennengelernt haben, was „Unsung Heroes“ verändert hat und wie es mit dem Projekt weitergehen soll.
Jetzt: Wie seid ihr Freunde geworden?
Oneil: Letztes Jahr hat Febin nachts immer in einem Gebäude hier an der Uni gelernt, in dem ich sauber gemacht habe. Ich hatte Schicht von 22 bis 7 Uhr und er war bis zwei oder drei Uhr morgens da. Wir haben „Hi“ und „Bye“ gesagt, aber es war so eine Art Wand zwischen uns: auf der einen Seite der Student, auf der anderen der Typ in der blauen Uniform. Aber dann hat er mich irgendwann einfach gefragt: „Wie geht’s?“ Und daraus hat sich ein Gespräch ergeben.
Wieso hast du Oneil angesprochen, Febin?
Febin: Ich habe mich ihm irgendwie verbunden gefühlt. Nach meinem Highschool-Abschluss hatte mein Vater einen Schlaganfall und ich musste einen Job annehmen, um meiner Mutter zu helfen. Ich habe in einem Burger-Laden geputzt. In Oneil habe ich mich selbst gesehen: Ich saß da als total privilegierter Georgetown-Student, aber noch vor einem Jahr habe ich genau das Gleiche gemacht wie er. Ich habe mich gefragt: Wer ist dieser Mensch? Danach haben wir zweieinhalb Stunden geredet, bis um drei Uhr morgens!
"Das Projekt verändert die Wahrnehmung und die Einstellung der Studenten"
Und aus eurem Kontakt ist die Idee für „Unsung Heros“ entstanden.
Febin: Ja! Ich wollte, dass auch andere Studenten Oneil kennenlernen. Und nicht nur ihn, sondern auch all die anderen, die im Hintergrund dafür sorgen, dass diese Uni hier überhaupt funktioniert, dass es sauber ist, etwas zu Essen gibt und so weiter. Also habe ich angefangen, die Geschichten der Arbeiter zu sammeln. Damit sie wahrgenommen und wertgeschätzt werden.
Oneil: Viele von uns Arbeitern verbringen mehr Zeit an der Uni als Zuhause – und die Studenten auch. Es ist also für alle wie ein zweites Zuhause. Und daheim ignoriert man sich ja auch nicht. Febin sagt oft diesen einen Satz, den ich sehr treffend finde: „Once you see it, you can’t unsee it.“
Was meinst du damit?
Febin: Wenn du einen der Arbeiter mal wahrgenommen hast, seinen Namen und seine Geschichte kennst, siehst du ihn ab sofort immer. Und auch die anderen auf dem Gelände fallen dir viel mehr auf. „Unsung Heros“ verändert die Wahrnehmung und die Einstellung der Studenten.
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Klappt das wirklich?
Febin: Ja, total! Viele Studenten sagen mir, dass sie jetzt mit anderen Augen über den Campus laufen. Arbeiter fragen mich, ob sie mitmachen können. Und Dozenten, wie sie das Projekt unterstützen können.
Oneil: Ich komme jetzt viel lieber her. Ich kenne so viele Leute, die klagen: „Oh Mann, jetzt muss ich schon wieder arbeiten.“ Aber wenn du in einer Umgebung arbeitest, die du liebst, nimmt das sehr viel Stress raus.
Febin: Ich denke auch, dass wir Studenten durch „Unsung Heroes“ respektvoller werden. Vorher haben wir unseren Müll eher rumliegen lassen – irgendwer wird’s schon wegräumen. Aber wenn du weißt, dass es nicht irgendwer ist, sondern ein Mann, der Michael heißt und eine Geschichte hat, dann räumst du deinen Kram eher selbst auf.
Eine alte Dame mit Fahrrad unterbricht das Gespräch: „Entschuldigt, wenn ich euch störe, aber ich habe neulich von euch in der ‚Washington Post‘ gelesen. Ich finde großartig, was ihr macht! Das sollte es überall geben.“ Sie zeigt mit dem Daumen nach oben. Febin und Oneil bedanken sich.
Passiert das öfter?
Febin: Ja – Oneil, weißt du noch, der „News-Typ“?
Oneil: Haha, ja!
Wer war das?
Febin: Wir sind hier mit meiner Mutter die Straße runtergelaufen, zu einem Restaurant, und plötzlich ist ein Typ aus seinem Truck gesprungen und hat gerufen: „Heeey, you guys were in the news!“ Und dass wir weitermachen sollen mit der guten Arbeit. Er hat einfach mitten auf der Straße angehalten dafür. Meine Mutter hat sich kaputt gelacht.
Oneil: Ich habe neulich sogar eine Mail von jemandem aus Kalifornien bekommen, der geschrieben hat, dass er weinen musste, als er von „Unsung Heroes“ erfahren hat.
Febin: Und mittlerweile haben sich 40 verschiedene Hochschulen bei uns gemeldet, aus dem ganzen Land!
"Für Suru, der in der Mensa arbeitet, haben wir Geld gesammelt, damit er seine Familie im Südsudan besuchen kann"
Weil sie auch so ein Projekt machen wollen?
Febin: Ja, und genau das wollen wir: dass daraus eine Bewegung wird! Wir bereiten grade eine Art Anleitung vor, wie man das Projekt und ein Fundraising am besten aufzieht, um es jedem zu schicken, der das auch machen will.
Wieso Fundraising? Damit die Interviewer bezahlt werden können?
Febin: Nein, für die Arbeiter. Wir haben für Oneil eins gestartet, damit er sich seinen Traum erfüllen kann, vom dem er in seinem Interview für „Unsung Hero“ erzählt hat: sein eigener Catering-Service, „Oneil's Famous Jerk“. Den gibt es mittlerweile schon. Und für Suru, der in der Mensa arbeitet, haben wir auch Geld gesammelt, damit er nach 45 Jahren endlich seine Familie im Südsudan wiedersehen kann. Innerhalb von drei Stunden sind 5000 Dollar zusammengekommen, das war unglaublich!
Wie viele Mitarbeiter hat „Unsung Heroes“ und wie viele Geschichten habt ihr schon gesammelt?
Febin: Sieben Leute machen Interviews, wir würden aber gerne noch wachsen. Wir haben schon über 150 Geschichten gesammelt, 23 davon haben wir seit April veröffentlicht. Und es gibt hier über 400 „Unsung Heroes“, wir sind also noch lange nicht fertig...
Welche Fragen stellt ihr in euren Interviews?
Febin: Wir fragen immer: Wo kommst du her? Denn 85 bis 90 Prozent der Arbeiter sind im Ausland aufgewachsen, in El Salvador, Haiti, Südsudan, in ganz verschiedenen Ländern. Es ist uns wichtig zu zeigen, wie divers Georgetown ist. Eine Frage, die wir auch oft stellen, ist die nach dem schönsten Moment, den die Leute bei ihrer Arbeit hier hatten. Abigale, die nachts eine Turnhalle putzt, sagte darauf, wie toll es war, als Studenten ihr Mal einen Kaffee gekauft haben.
"Gerade passiert in den USA viel, das uns spaltet. Die Leute sehnen sich nach guten Neuigkeiten"
Oneil, lernst du durch „Unsung Heroes“ auch noch was über deine Kollegen?
Oneil: Ich bin seit neun Jahren hier und kenne natürlich schon ziemlich viele von den anderen – aber wenn ich die Geschichten lese, bin ich oft sehr gerührt, weil ich von ihren Schicksalen nichts wusste. Vor allem Suru hat mich berührt, der seine Familie so lange nicht gesehen hat. Oder Memuna, die von einer Studentin Lesen und Schreiben lernt. Oder Tracey – sein Vater wurde von einem Auto überfahren, deshalb arbeitet er jetzt hier als Wachmann an einem Fußgängerübergang.
Kommt „Usung Heroes“ eigentlich auch so gut an, weil die Stimmung in den USA in diesem Jahr so mies ist?
Febin: Ich glaube schon. Das Timing war Zufall, aber es passt unglaublich gut.
Oneil: Gerade passiert in diesem Land so viel, das uns spaltet, und die Leute sehnen sich nach guten Neuigkeiten. Da ich an Gott glaube, würde ich sagen: Er wusste, dass jetzt die beste Zeit für dieses Projekt ist. Es sollte einfach passieren.
Febin: Und wie gesagt: Wir wollen, dass es eine Bewegung wird! Ihr in Deutschland solltet das auch machen: Bedankt euch einfach mal bei einem eurer unbesungenen Helden, bei einem Müllmann oder bei einem, der in der Cafeteria eurer Uni arbeitet.
Oneil: Oh, und wenn ihr jemals in die USA kommt, dann probiert das Hühnchen bei „Oneil's Famous Jerk“! (lacht)