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Corona: Wie Studierende in den USA von der Krise betroffen sind
Eigentlich sollte es langsam wieder voll werden auf den Straßen von San Luis Obispo in Kalifornien. Am 9. April gehen die Vorlesungen wieder los. Der Spring Break an der dortigen California Polytechnic State University, kurz Cal Poly, ist vorbei. Doch es sei wie in einer Geisterstadt, sagt Cameron. Er ist 22 Jahre alt und studiert an der Cal Poly Luft- und Raumfahrttechnik. Er selbst ist in San Luis Obispo geblieben, obwohl die Universität am 17. März ihre Studierenden darum gebeten hat, die Stadt zu verlassen – wegen des Coronavirus.
Drei Tage zuvor war die erste Person im Bezirk San Luis Obispo positiv auf das Coronavirus getestet worden. Bis dahin ging alles noch mehr oder weniger seinen gewohnten Gang. An der Cal Poly fanden sogar noch Prüfungen in vollen Vorlesungssälen statt. Andere Unis in Kalifornien reagierten viel früher auf die Corona-Krise. Die UCLA in Los Angeles stellte zum Beispiel bereits Anfang März ihre Vorlesungen auf Online-Kurse um, das bekamen auch die Studierenden der Cal Poly mit. „Wie kann es sein, dass wir da noch in die Uni gegangen sind?”, fragt sich Cameron. Denn mittlerweile ist das Virus auch im Bezirk San Luis Obispo angekommen: Jetzt, Anfang April, gibt es 102 Infizierte. Die Tendenz ist wie im gesamten Bundesstaat Kalifornien stark steigend.
Studierende sollen dem Campus fernbleiben
Das Risiko damals sei noch gering gewesen, verteidigte der Präsident der Cal Poly in einer Video-Ansprache die Corona-Strategie der Uni. San Luis Obispo liegt isoliert in der Zentralküste Kaliforniens, ohne größere Städte in der näheren Umgebung. Deshalb hätte es keinen Bedarf gegeben, früher zu reagieren. Man wolle Panik vermeiden und den Lernerfolg der Studierenden weiter gewährleisten, heißt es in dem Video-Statement.
Seitdem Covid-19 den Bezirk nun doch erreicht hat, sollen nun aber doch alle Studierenden die Stadt verlassen. „Wir wollten damit gewährleisten, dass alle, die an Covid-19 erkrankten, medizinisch versorgt werden können“, sagt Michelle Shoresman von der lokalen Gesundheitsbehörde heute. Um die Krankenhäuser nicht zu überlasten, soll die Einwohnerzahl der Kleinstadt reduziert werden. In San Luis Obispo leben insgesamt 45 000 Menschen. 22 000 davon sind Studierende.
Die restlichen Vorlesungen des College-Jahres werden wegen des Coronavirus ausschließlich online gehalten. Wer aus schwierigen Familienverhältnissen kommt, zu Hause keinen Zugang zum Internet oder enormen Umzugsaufwand hat, kann aber auf dem Campus bleiben. So wie Cameron, der aus Virginia an der Ostküste stammt. Ein Umzug, weg aus Kalifornien zu seinen Eltern auf die andere Seite des Kontinents, wäre für ihn nicht nur anstrengend, sondern auch teuer. „Es gibt kein Aufenthaltsverbot für die Studierenden“, sagt Shoresman.
Für Cameron ist es jedoch nicht nur wegen seines weit entfernten Heimatortes schwierig, die Stadt zu verlassen. Am Donnerstag beginnen für ihn die letzten Kurse am College, im Sommer wird er sein Studium beendet haben. Wenn er San Luis Obispo jetzt verlassen würde, dann wäre das für immer. „Ich habe viele meiner Kommiliton*innen wahrscheinlich das letzte Mal vor dem Spring Break gesehen und wusste es nicht einmal“, sagt Cameron. Seine College-Abschlussfeier, normalerweise feierlich mit Talar, Hut und vielen Gästen – abgesagt.
Die letzten zehn Wochen Vorlesungen des College-Jahres, in denen sonst hauptsächlich getrunken und am Strand gefeiert wird, müssen die übrigen noch auf dem Campus lebenden Studierenden in Isolation verbringen: Zu Hause bleiben, keine Partys, keine sozialen Kontakte. „Momentan ist es ziemlich langweilig hier“, sagt Cameron. Trotzdem halte er sich an die Regeln und gehe nur zum Einkaufen vor die Tür. Seit dem 19. März gilt für ganz Kalifornien eine strenge Ausgangssperre.
Zusätzliche Krankenbetten im Fitnessstudio der Uni
Wie im ganzen Land stellt das Coronavirus inzwischen auch in San Luis Obispo das Gesundheitssystem auf die Probe, trotz der schützenden geographischen Lage. „Wir werden nicht genug Betten in unseren Krankenhäusern haben, wenn wir die Spitze der epidemiologischen Kurve des Virus erreichen“, sagt Shoresman. Insgesamt leben in der Region San Luis Obispo etwa 280 000 Menschen. Und es gibt nur vier Krankenhäuser mit etwa 400 Betten.
Um vom Virus nicht überrollt zu werden, richtet die Gesundheitsbehörde deshalb zusätzliche Krankenbetten im Fitnessstudio der Cal Poly ein. Dort, wo sich sonst die Sportler*innen der Uni fit halten, wird seit vergangener Woche ein Krankenlager aufgebaut. Bis Ende der Woche sollen 165 Betten für die erste Welle an Covid-19 Patienten entstehen. Aber es gäbe noch mehr Kapazitäten, sagt Shoresman. „Insgesamt können wir im Fitnesstudio der Cal Poly 931 Betten aufstellen, an denen wir Covid-19 Patienten behandeln.“
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Hätte man früher agieren müssen? Der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, schrieb Mitte März einen Brief an Donald Trump, in dem er den Präsident dazu aufforderte, endlich zu handeln. Man rechne im bevölkerungsreichsten Staat des Landes mit insgesamt 25 Millionen Infizierten, falls keine drastischen Maßnahmen kämen, heißt es darin. Newsom wurde von den Medien gelobt, dass er die Lage besser im Griff hätte, als Präsident Donald Trump. Der behauptete vergangene Woche noch, dass er das Coronavirus bewusst heruntergespielt habe, um für die Nation wie ein „Cheerleader“ zu wirken. Trotzdem: Das zögerliche Vorgehen der US-Regierung hat vermutlich auch eine falsche Sicherheit bei den Entscheidungsträger*innen in dem Land erzeugt – vielleicht auch an der Cal Poly. Mittlerweile gibt es in den USA mit über
430 000 Infizierten die meisten Corona-Fälle weltweit.
In San Luis Obispo überlegt Cameron, ob er doch noch zu seinen Eltern nach Virginia fliegen soll – auch wenn er dann nicht mehr zurück käme. „Es wäre ein komischer Abschied, ich habe hier vier Jahre gelebt und studiert“, sagt er. „Andererseits habe ich auch keine Lust, alleine in meinem Studentenapartment herumzusitzen, Online-Kurse zu besuchen und ein unnötiges Gesundheitsrisiko für andere Menschen zu sein.“ Trotz allem freut sich Cameron auf die letzten Kurse seines College-Lebens. „Ich will positiv bleiben. Ab dem 9. April habe ich endlich wieder etwas zu tun.“
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