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Coronakrise: Alternativen für die Semesterferien
Zwei Wochen war Julika in London, dann musste sie Mitte März zurück nach Deutschland. Die Studentin hatte ein Praktikum beim Auswärtigen Amt gemacht – bis die Corona-Pandemie kam. Nachdem die Uni auf Zoom verlegt und ihr geplantes Auslandssemester in Kairo abgesagt worden war, beschloss sie, nach anderen Praktikumsstellen für den Sommer zu suchen, aber: „Es ist eigentlich viel zu spät.” Die meisten Praktika, die sie interessieren, sind längst besetzt. Trotzdem hat sie 30 Bewerbungen geschrieben und fühlt sich „wie auf Restplatzsuche”. Ihr Optimismus schwindet; sie steht vor drei Monaten Leerlauf im Sommer.
Ähnlich wie Julika geht es vielen Studierenden: Die Pandemie macht oft sämtliche Praktikums-Pläne zunichte. Aber es gibt Alternativen. Dirk Erfurth, Leiter des Career Service der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ist zuständig für Auslandspraktika, betreibt eine Jobbörse und berät derzeit viele Studierende in so einer Situation. Auch wenn die LMU momentan weniger Praktika vermitteln kann, betrachtet Erfurth die Umstellung auf digitale Praktika als große Chance. Zum Beispiel für manche Leute, die ein Praktikum in einer anderen Stadt planen, könne das von Vorteil sein. Studierende müssten so beispielsweise keine neue Wohnung suchen, können Kosten reduzieren oder ein ausländisches Arbeitsumfeld kennenlernen. Entscheidend sei der Austausch, weniger der Ort: „Ich möchte das nicht romantisieren, auch wir erleben natürlich Schwierigkeiten. Wichtig ist aber, dass Studierende versuchen, sich auf die positiven Dinge zu konzentrieren.”
„Wer offen an diese Situation herangeht, kann sein Profil schärfen“
Studierende sollten sich überlegen, was sie möchten, so Erfurth. Entweder Geld verdienen, dann müssten die eigenen Ansprüche zurückgestellt und beispielsweise verwandte Branchen oder andere Firmen und Zeiträume in Kauf genommen werden. Wer es sich dagegen leisten kann, ausschließlich die Kompetenzen zu erweitern, muss nicht zwingend ein Praktikum machen: „Jeder ist dankbar für gute Mitarbeit und gute Ideen. Wenn das nicht in Form eines Praktikums geht, kann ich meine Skills jenseits dieser standardisierten Form einbringen.” Erfurth denkt dabei an (bezahlte) freie Mitarbeit, selbstständige Arbeit und ehrenamtliches Engagement. Wichtig sei, die Initiative zu ergreifen: Wenn eine ausgeschriebene Stelle schon vergeben ist, könne man die Firma kontaktieren und nach zukünftigen Projekten, Geschäftspartnern oder Kunden fragen, die Stellen vergeben.
Angela Schütte sieht das ähnlich. Sie arbeitet als Karriereberaterin und beim Career Service der Uni Bremen. Um momentan bei Bewerbungen erfolgreich zu sein, sei Umdenken gefordert: „Die Schwierigkeit ist, kleine Firmen zu finden, die suchen. Das ist Flexibilität.” Momentan sei es nicht so einfach, das Traumpraktikum zu bekommen, daher müssen Umwege, Ortswechsel oder unbekanntere Namen in Kauf genommen werden. Netzwerken sei jedoch über digitale Tools wie LinkedIn oder Xing möglich, außerdem könne man regionale Wirtschaftsverbände kontaktieren. Auch Karrieremessen werden zunehmend online abgehalten. Und im Home-Office könne man sich Fähigkeiten wie digitales Teammanagement aneignen: „Wer offen an diese Situation herangeht, kann sein Profil schärfen. Flexibilität und Offenheit sind wichtige Kompetenzen.”
Neben den Ausschreibungen über den Career Service oder Job-Newslettern von Fachbereichen inserieren große Firmen häufig kurzfristige Praktikumsstellen. Einige Universitäten veranstalten außerdem spezielle Online-Praktika als Ersatz. Auch der Eintritt in eine Gewerkschaft ist sinnvoll, um zu netzwerken und über Stellenangebote benachrichtigt zu werden. Die meisten Gewerkschaften bieten spezielle Tarife für Studierende an, informieren und beraten.
Das Geld ist knapp: 82 300 Anträge auf Überbrückungshilfen
Wer in akuter finanzieller Not ist, kann sich um einen Zuschuss des Bundes bewerben. Die Überbrückungshilfe vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist für alle nationalen und internationalen Studierenden gedacht. Sie wurde und wird im Juni, Juli und August gezahlt und muss für den jeweiligen Monat online beantragt werden. Über die Gewährung entscheiden die zuständigen Studierendenwerke, pro Monat können 100 bis 500 Euro gezahlt werden. Katharina Hartlieb hat sich beworben. Die Studentin arbeitet seit fünf Jahren selbstständig als Hostess. Durch Corona ist ihr gesamtes Einkommen weggebrochen. Für den Antrag beim BMBF musste sie nicht nur Kontoauszüge einreichen, sondern auch die finanzielle Situation ihrer Eltern offenlegen. Doch die Bemühungen waren erfolglos, weil sie zu viel Geld hat: Maximal 500 Euro darf man besitzen, um einen Zuschuss zu erhalten. Nur wer 100 Euro oder weniger auf dem Konto hat, bekommt den Höchstsatz. „Wenn jemandem 100 Prozent der Einnahmen wegbrechen, muss man das auch berücksichtigen und nicht sagen: Du hast mehr als 500 Euro auf dem Konto, du hast keine Not”, findet Katharina. Auf die Hilfe für Soloselbstständige hat sie als Studentin keinen Anspruch. Der Antrag einer ihrer Freundinnen war trotzdem erfolgreich. „Ich finde es krass, wie einfach man als Selbstständiger an dieses Geld kommt, auch wenn es einem nicht zusteht, und beim Studierendenwerk wird so ein Aufwand betrieben. Du kannst dieses Geld fast gar nicht bekommen.”
Ein Darlehen kann finanzielle Engpässe überbrücken
„Den Frust der Studierenden kann ich verstehen, aber man muss sehen, dass es auch andere Hilfen gibt”, meint Achim Meyer auf der Heyde. Er ist Generalsekretär des Dachverbandes der deutschen Studierendenwerke und hat die Zuschüsse mit dem BMBF ausgehandelt. Gewünscht hätte er sich einen Fixbetrag von 500 Euro. Der Zuschuss sei jedoch keine Dauerfinanzierung, sondern eine Überbrückungshilfe. Um etwas Neues zu finden, seien die Studierenden gefordert. Branchen, die von der Coronakrise profitiert haben, brauchen Arbeitskräfte. Das betrifft den Onlinehandel, Paketzusteller und Lieferdienste. Außerdem weist Achim Meyer auf der Heyde darauf hin, dass die Anträge jeden Monat neu gestellt werden müssen. Selbst wenn Studierende im Juli noch nicht berechtigt sind, können sie im August einen neuen Antrag stellen.
In den ersten drei Wochen wurden bundesweit über 82300 solcher Anträge gestellt. Davon sind rund 4300 beim Studierendenwerk Köln eingegangen. Klaus Wilsberg, der eigentlich die Unternehmenskommunikation leitet, arbeitete zeitweise mit 70 anderen Kolleg*innen die Anträge ab. Wer keinen Anspruch auf die Überbrückungshilfe hat, sollte sich über Bafög informieren, rät Wilsberg. Studierende dürfen ein Semester länger als üblich Bafög beziehen. Falls sich die finanzielle Situation der Eltern durch die Pandemie verändert hat, kann ein Aktualisierungsantrag gestellt werden. Studierenden, die keinen Anspruch haben, rät Wilsberg zu Krediten. Der Bildungskredit des Bundesverwaltungsamts hat zwar einen Zinssatz, jedoch gibt es auch zinslose Kredite wie das Daka-Darlehen für Studierende in NRW, einen Kredit der Studierendenwerke am Bodensee, in Bayern, Frankfurt, Hannover, Mannheim und den bundesweiten Kredit der E.W.-Kuhlmann-Stiftung. Das Kölner Studierendenwerk bietet außerdem ein eigenes, zinsloses Darlehen an, bei dem bis zu 800 Euro gezahlt werden. Prinzipiell, so Wilsberg, sei es sinnvoll, sich beim zuständigen Studierendenwerk und der eigenen Hochschule zu informieren: „Die Website ist der erste Anlaufpunkt.”
Außerdem lohnt sich eine Bewerbung um ein Stipendium. In Deutschland gibt es 13 Begabtenförderungswerke, die vom Bund finanziert werden. Dazu zählen parteinahe und religiöse Stiftungen sowie die Stiftung der Deutschen Wirtschaft und die Studienstiftung. Einen Grundbetrag erhalten alle Stipendiat*innen, der Rest wird am Bafög-Satz bemessen. Zusätzlich gibt es zahlreiche private Vereine und das Deutschlandstipendium, für das man sich direkt an der Uni bewirbt. Eine Bewerbung ist oft aber nur bis zum dritten Semester möglich ist.
Julika hat nun doch noch eine Praktikumsstelle ab Mitte August in einem Think Tank in Berlin gefunden. Sie hofft, nächstes Jahr irgendwie nach London zurückkehren zu können, aber erstmal wird ihr nächstes Semester fast ausschließlich online stattfinden und das Auslandssemester kann sie aller Voraussicht nach nicht nachholen. Trotzdem blickt sie nicht ausschließlich negativ auf dieses Jahr: „Die Zeit hat mir gezeigt, dass ich flexibler mit meinen Plänen umgehen muss und derzeit nicht alles in der Hand habe.”