Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Serena Williams löst Sexismus-Debatte im Tennis aus

Foto: Greg Allen / AP

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Serena Willams schweigt mehrere Sekunden bei der Pressekonferenz nach ihrem verlorenen Finale. Wenn sie eine Sache ändern könnte in diesem Spiel, was würde sie tun? Das will der Journalist wissen. Sie denkt nach, blickt nach unten, fährt sich mit der Zunge über die Lippen - und entschließt sich dann, nach einer diplomatischen Einleitung zum Angriff überzugehen.

Was war geschehen?

Serena Williams hat im Finale der US-Open gegen die 20-jährige Naomi Osaka verloren. Ziemlich deutlich, in zwei Sätzen, mit 6:2 und 6:4. Während des Spiels ereigneten sich mehrere Szenen, in denen Serena Willams die Kontrolle über sich verlor. Sie zertrümmerte ihren Schläger vor Wut, sie titulierte den Schiedsrichter als Dieb. Der bestrafte sie: mit Abzug eines Punkts für die Schläger-Aktion und sogar mit einem Spiel Strafe für die Beleidigung. Alles regelkonform, wohlgemerkt.

Vor allem letztere Sanktion findet Williams aber unfair, wie sie auch in der Pressekonferenz nach dem Spiel noch mal deutlich macht. Sie geht noch weiter: Sie macht aus der Frage, ob diese Strafe angemessen war, eine Debatte über Sexismus im Tennis.

„Ich habe Männer ganz andere Dinge zu Schiedsrichtern sagen sehen, und ich kämpfe hier für Frauenrechte und Frauengleichheit“, beginnt sie. Dass er ihr für die Bezeichnung als Dieb ein Spiel abgezogen hat, empfinde sie als sexistisch. Bei einem Mann habe er das noch nie getan. Sie hoffe aber, dass die Ereignisse ihres Finales dazu beitragen werden, dass die nächste „starke Frau“, die Emotionen hat und sich ausdrücken will, das auch darf. Am Ende ihres Statements ist sie den Tränen nahe.

Diese Ereignisse befeuern die derzeitige Sexismus-Debatte im Tennis. Serena Williams stellt ihre Bestrafung in eine Reihe mit Ereignissen der jüngsten Zeit, in denen der Tennissport seine Rückständigkeit zeigte. Ob das gerechtfertigt ist, darüber wird gestritten.

Erst vor Kurzem, bei den French Open in Paris, trug Serena Willams einen schwarzen Ganzkörperanzug – eine Maßnahme gegen Durchblutungsprobleme, die sie hat, seit sie Mutter ist. Der französische Tennisverband gab danach bekannt, solche Outfits verbieten zu wollen. 

Vor wenigen Tagen bekam Alize Cornet eine Strafe, weil sie in einer Hitzeschlacht bei den US-Open ihr T-Shirt wechselte und kurze Zeit im Sport-BH dastand. Männer wechseln ihr Oberteil manchmal mehrmals während eines Spiels und sitzen minutenlang oben ohne auf ihrer Pausenbank. Der US-Tennisverband entschuldigte sich später und kündigte an, die veraltete Regel anzupassen.

Ganz so eindeutig wie bei Cornet ist es im aktuellen Fall nicht. Deshalb erntete Williams nach ihrer Pressekonferenz nicht nur Lob. Sondern auch Vorwürfe, übertrieben zu haben und als schlechte Verliererin ihrer Gegnerin die Show gestohlen zu haben.

Die zweifache Australian-Open-Gewinnerin Victoria Azarenka aber pflichtet ihrer Kollegin bei:

Billie Jean King, eine Tennisgröße aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, die auch dafür kämpfte, dass Frauen und Männer gleiche Preisgelder bekommen, unterstützte Willams ebenfalls. Sie spielt darauf an, dass aggressives Auftreten Männern als Tugend, Frauen als Zickentum ausgelegt wird.

Außerdem erhält Williams Unterstützung von Feministinnen und Feministen:

Andere weisen auf Beispiele hin, in denen männliche Tennisprofis mit Schiedsrichtern stritten, ohne Verwarnungen zu bekommen. 

Allerdings war bei den erwähnten Vorfällen die Qualität zum Teil eine andere: Rafael Nadal zum Beispiel sagte zu einem Schiedsrichter 2015, er werde dafür sorgen, dass der nie wieder ein Spiel von ihm leiten werde. Das kann man als Drohung verstehen, eine Beschimpfung wie die von Williams ist es aber nicht. Und wenn man ein bisschen googelt, findet man durchaus Beleidigungen von Männern, die geahndet wurden: Viktor Troickis „Idiot“ kostete ihn 9000 Dollar (eine Punktstrafe konnte es nicht geben, weil die Beleidigung fiel, als das Match schon vorbei war). Und Brydan Klein bekam sogar eine Strafe, als er nach einem Netz-Fehler sich selbst lautstark als Dummkopf beschimpfte.

Vergessen sollte man auch nicht, dass alle Verwarnungen und Strafen des Schiedsrichters regelkonform waren. Auf ganz sicherem Eis bewegt sich Serena Williams hier also nicht. Dass sie sich für Frauenrechte einsetzt und Dinge anspricht, die im Tennis falsch laufen, ist zwar eine gute Sache; Ereignisse wie die T-Shirt-Strafe gegen Alize Cornet sind Sexismus. In ihrem eigenen Fall muss Williams sich aber wohl fragen lassen, ob sie hier wirklich das richtige Schlachtfeld gewählt hat, um den Kampf für mehr Gleichheit auszutragen.

che

Mehr zu Sexismus im Sport:

  • teilen
  • schließen