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Schachmeisterin Jana Schneider über die Serie "Damengambit"
In der Netflix-Serie „Damengambit“ verkörpert Anya Taylor-Joy eine junge Schachspielerin in den 60er Jahren. Ihr fiktiver Serien-Charakter Beth Harmon begeistert Millionen Serienfans, keine andere Mini-Serie von Netflix wurde so oft angesehen. Aus dem Sport mit Nerd-Image wird ein Sport mit Hype-Potenzial. Doch wie realistisch ist die Serie? Das haben wir die 18-jährige Jana Schneider gefragt. Jana hat vor wenigen Wochen die Deutsche Schachmeisterschaft U18 gewonnen und gilt als großes Nachwuchstalent – genauso wie Beth Harmon in „Damengambit“. Ein Gespräch über einen ungewöhnlichen Leistungssport.
jetzt: Wie bist du zum Schach gekommen?
Jana Schneider: Ich habe mit vier Jahren angefangen Schach zu spielen. Mein Vater ist Lehrer und leitet eine Schach-AG. Er hatte damals einen Lehrgang zu Schulschach besucht und da wurde gesagt, dass Kinder im Kindergartenalter Schachspielen lernen können. Das konnte er nicht glauben und wollte es an mir ausprobieren. Heute bin ich ihm dafür dankbar, dass ich sein Versuchskaninchen war.
Schach hätte man bis vor Kurzem nicht unbedingt als Trend-Sportart bezeichnet – spätestens seit der Serie „Damengambit“ gibt es aber einen regelrechten Hype. Was denkst du darüber?
Der Schach-Hype hat eigentlich schon im März begonnen, während der ersten Pandemie-Welle. Zum einen, weil das Kandidatenturnier, bei dem der Herausforderer für den amtierenden Schachweltmeister Magnus Carlsen ermittelt wird, noch das Einzige war, was lief. Plötzlich fingen alle Sportsender an, Schach zu übertragen. Das wurde dann allerdings nach der Hälfte abgebrochen. Aber immerhin hat die Welt dadurch auf den Schachsport geschaut. Und zum anderen kann man Schach auch gut online lernen und spielen. Gerade jetzt ist das ein super Zeitvertreib. Die Serie hat den Hype aber natürlich verstärkt.
Kommen jetzt mehr Menschen auf dich zu und haben Fragen an dich?
Nein, das passiert eher weniger. Wer die Schachregeln lernen möchte, hat dafür eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten: online, durch Schachbücher oder in Vereinen und Schulschach AGs. Ich bin im Moment auch mehr Spielerin als Trainerin.
„Es gibt genau eine Frau unter den Top 100“
Wie findest du die Serie?
Als ich davon gehört habe, dachte ich mir: Endlich gibt es eine Serie, die den Schachsport in den Mittelpunkt stellt und in der man nicht nur für drei Sekunden am Rand ein Schachbrett sieht. Mir hat die Serie gut gefallen und ich finde sie auch überwiegend realistisch dargestellt. Bis auf die Tatsache, dass Beth Harmon ihre Partien so zuverlässig gewinnt. Das ist vielleicht etwas überspitzt dargestellt.
Die Serie spielt in den 60er Jahren. Die Protagonistin muss es sich hart erkämpfen, als Frau gegen die erfolgreichen Männer spielen zu dürfen. Ist der Schachsport immer noch von Männern dominiert?
Ja, gewissermaßen schon. Es gibt genau eine Frau unter den Top 100 der Weltspitze. Das finde ich traurig. Aber ich würde nicht sagen, dass es Frauen immer noch so schwer haben wie Beth in der Serie. Viele Frauen haben einfach keine Lust – aber die Möglichkeiten sind da.
Was glaubst du, woran es liegt, dass so viel weniger Frauen Schach spielen?
Das weiß ich leider auch nicht genau. Als ich elf oder zwölf Jahre alt war, haben bei den Jugendmeisterschaften Mädchen und Jungen noch zusammen gespielt, das ändert sich in den höheren Altersgruppen. Aber das hat mir viel gebracht, weil ich dann einfach mehr Konkurrenz hatte.
Vor kurzem hast du die deutsche Schachmeisterschaft U18 für Frauen gewonnen. Die meisten Turniere sind gemischt. Dennoch gibt es auch Turniere, bei denen nach Geschlechtern getrennt wird. Ist das sinnvoll?Schließlich kommt es dabei nicht auf Kraft oder ähnliches an.
Ich finde es sinnvoll, Frauen im Schach zu fördern, da viel weniger Frauen als Männer Schach spielen. Das geht meiner Meinung nach sehr gut durch die Trennung der Geschlechter. Zum einen stehen die Frauen dadurch mehr im Fokus, zum anderen haben Frauen dadurch eine größere Chance auf Erfolge. Diese Erfolge können Frauen motivieren, am Schach dranzubleiben – und sie fühlen sich ernst genommen. Ansonsten finde ich aber auch die Lösung bei größeren Opens gut, bei denen alle in einem Turnier spielen, aber Frauen separat gewertet werden. Ich glaube nämlich, dass es vor allem für junge Spielerinnen eine sehr wertvolle Erfahrung ist, auch gegen Jungen und Männer zu spielen, umgekehrt natürlich genauso.
Jana Schneider bei einem Schachturnier.
Schach ist eine Denksportart. Hilft dir das auch in deinem Alltag? Gehst du zum Beispiel im zwischenmenschlichen Umgang strategischer vor als andere?
Schwierige Frage. Das können wohl nur die Menschen in meinem Umfeld beantworten. Aber ich habe mich durch die vielen Begegnungen mit anderen Menschen sicher persönlich weiterentwickelt. An Schachturnieren mag ich besonders, dass man mit Menschen aus allen Altersgruppen zu tun hat. Ich glaube, es ist nicht üblich, dass man sich in seiner Jugend so häufig mit älteren Menschen unterhält. Da lernt man viel über Schach, aber auch über den Alltag der anderen. Ich finde es schön, wie der Schachsport verbindet und alle auf das „gleiche Niveau“ bringt. Es ist egal, ob jemand Doktor ist oder was auch immer – in dem Moment sind wir alle Schachspieler*innen.
„Ich möchte auf jeden Fall in die Nationalmannschaft“
Wobei hat dir der Sport an sich geholfen?
Ich habe zum Beispiel kein Problem damit, mich länger auf eine Klausur zu konzentrieren. Das hat mir schon in der Schule geholfen und hilft mir jetzt im Studium. Außerdem lernt man mit der Zeit auch das Verlieren und wie man damit umgehen kann.
In der Serie sagt Beth: „Schach bedeutet nicht immer Konkurrenz.“ Wie groß ist der Konkurrenzkampf beim Schach tatsächlich?
Sicher nicht so extrem wie bei anderen Sportarten. Es ist ganz oft so, dass man sich nach dem Spiel nochmal mit seinen Gegner*innen zusammensetzt und die Partie analysiert. Mir fällt keine Sportart ein, bei der man das macht.
Wie kann man sich das Training vorstellen?
Im Training spielt man tatsächlich relativ wenige Partien. Zum einen analysiert man vergangene Spiele und schaut, was man falsch gemacht hat. Zum anderen lernt man bestimmte Züge einfach auswendig, zum Beispiel die verschiedenen Eröffnungen. Da gibt es zum Beispiel das Damengambit und viele mehr. Und man muss sich auf die einzelnen Gegner*innen vorbereiten. Man muss schauen, was die schon gespielt haben und sich fragen: Wie kann ich möglicherweise reagieren? Außerdem braucht es auch viel Taktik- und Strategie-Übung, da helfen Aufgaben wie beispielsweise „Matt in drei Zügen“.
In der Serie greift Beth immer wieder auf Medikamente und Drogen zurück. Ist Doping im Schachsport ein Thema?
Ja, es gibt Doping-Kontrollen. Ich wurde auch schon selbst einmal kontrolliert. Aber ein großes Thema ist es nicht. Allerdings werden immer mal wieder Spieler*innen erwischt, die das Handy benutzen, um Tipps nachzuschauen. Da spricht man dann von E-Doping. Das ist weiter verbreitet.
Welche Ziele möchtest du noch erreichen?
Ich möchte auf jeden Fall in die Nationalmannschaft. Momentan bin ich schon im deutschen Kader und hoffe, dass ich vom C- in den B-Kader hochgestuft werde. Dann wäre ich in der Auswahl für die Nationalmannschaft.
Kannst du dir vorstellen, das Schachspielen zu deinem Beruf zu machen?
Ich habe vor kurzem angefangen, Psychologie zu studieren. In dieser Richtung möchte ich später auch mal arbeiten. Ausschließlich Schach zu spielen kann ich mir nicht vorstellen – genauso wenig aber, das Schachspielen aufzugeben. Es dauert auch lange, bis man mit dem Schachspielen richtig Geld verdient. Aktuell bekomme ich zwar Preisgelder bei Turnieren, aber das ist nicht viel. Das ist eher ein kleiner Bonus.
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