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FußballspielerInnen mit Migrationshintergrund zu Özils Rücktritt
Mesut Özil hat sich entschieden, nicht mehr für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen. Die Entscheidung folgte auf eine heftige Debatte um Özils Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Russland, die zuvor durch das Treffen des Nationalspielers mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ausgelöst worden war. Im Statement zu seinem Rücktritt warf der türkischstämmige Özil dem DFB, besonders aber dessen Präsidenten Reinhard Grindel, nun Rassismus vor.
Wir haben mit vier jungen SpielerInnen aus verschiedenen Ligen gesprochen, die ebenso wie Özil Migrationshintergrund haben. Sie erklären, wieso sie Özils Entscheidung gut nachvollziehen können, was sie nun vom DFB erwarten und wie auch ihnen alltäglich Rassismus im Sport begegnet.
„Einmal haben Fans 15 Minuten lang ‘Du Gemüseverkäufer’ skandiert“
Ünal, 25, hat türkische Eltern und spielt in der Bayernliga beim türkischstämmigen Verein Türkgücu Ataspor.
„Ich finde den Schritt, dass Özil zurückgetreten ist, richtig. Klar hätte er in der Erdoğan-Angelegenheit selbstkritischer sein können. Aber er ist ein Spieler, der jahrelang gute Leistungen im Nationaltrikot erbracht hat. Dass er dann trotzdem immer wieder im Fokus der Kritik stand, war unverhältnismäßig. Die extreme Hetze am Ende hatte vermutlich nur noch wenig mit dem eigentlichen Aufreger, eher mit seiner Herkunft zu tun.
Daran ist man als Fußballer allerdings gewöhnt. Auf dem Platz ist der Ton ja immer ein bisschen rauer als sonst. Besonders bei Auswärtsspielen an Orten, wo die Fanszene eher rechts ist, wird man dann öfter mal „Scheißtürke“ oder so genannt. Einmal haben Fans 15 Minuten lang „Du Gemüseverkäufer“ skandiert und gebrüllt, dass ich zurück in mein Land gehen soll. Es war ohnehin eine extrem hitzige Partie, der Schiedsrichter hat die Rufe nicht unterbunden. Ob jemand anders etwas dagegen unternommen hat, habe ich vom Feld aus nicht mitbekommen.
Den Rassismus von den Rängen gibt es im Fußball aber halt schon immer, ich bin damit groß geworden. Das darf man nicht persönlich und allzu ernst nehmen, denn das kommt überall vor, nicht nur in Deutschland. Im Sport kochen die Emotionen halt schnell über.
Die Beleidigungen kommen in der Regel von Seiten der Zuschauer, selten von Spielern der Gegenmannschaft, nie aus dem eigenen Team. Ich finde eigentlich auch die Integrationsarbeit des DFB gut. Es gibt immerhin viele Spieler mit Migrationshintergrund, auch in den U-Mannschaften. Die Kritik Özils bezieht sich ja auch eher auf einzelne Personen, wenn ich das richtig verstanden habe.“
„Was Özil getroffen hat, ist purer Rassismus, der vielen von uns begegnet“
Aida, 18, spielt beim 1. FCN und in der U-19-Nationalmannschaft. Ihre Eltern kommen aus Serbien.
„Für Menschen mit Migrationshintergrund ist es oft viel schwerer, im Fußball erfolgreich zu sein, als für andere. Viele Deutsche haben Vorurteile gegenüber Ausländern. Sie glauben, wir seien alle asozial. Das merkt man durch Blicke oder komische Bemerkungen, aber auch an offensichtlichen Beleidigungen wie „Scheißausländer“. Letztere kommen aber nie von jemandem auf dem Platz, sondern immer von außen. Von Eltern anderer Spieler, von Fans, von Zuschauern im Allgemeinen.
Ich finde deshalb, dass Özil ein gutes Zeichen gesetzt hat. Ich hätte genauso reagiert wie er. Denn es kann einfach nicht sein, dass jemand, der seit Jahren für die Nationalmannschaft spielt und sich bis dahin keine Skandale geleistet hat, eine solche Hetze über sich ergehen lassen muss. Klar war Özils Foto mit Erdoğan unnötig. Der DFB predigt allerdings ja immer, dass Fußball nichts mit Politik zu tun hätte. Aber wenn es dann um einen Ausländer wie Özil geht, hat es das doch?! Das ist eine seltsame Doppelmoral.
Ich weiß nicht, ob der DFB am großen Ganzen wirklich etwas ändern kann. Denn was Özil da getroffen hat, ist purer Rassismus, der vielen von uns begegnet. Der ist tief verwurzelt. Ich hoffe aber, dass es sich vielleicht auch einfach so erledigt – wenn meine Generation sozusagen das Ruder übernimmt. Ich empfinde es, als wäre Rassismus da gar kein Thema mehr.“
„Ich finde nicht, dass der DFB rassistisch gehandelt hat“
Jakob, 22, spielt in der Kreisliga beim VFL Pfullingen in Baden-Württemberg. Er hat marokkanische Eltern.
„Özils Rücktritt zeigt für mich, dass im Profisport, vor allem in der Nationalmannschaft, die Leistung eines Spielers nicht an erster Stelle steht. Da wird sich auf politische Dinge konzentriert, wie jetzt das Foto mit Erdoğan. Die sportliche Leistung der letzten Jahre zählt plötzlich gar nicht mehr.
Ich kann Özils Entscheidung auf jeden Fall verstehen. Hätte jetzt zum Beispiel der Gomez mit dem spanischen Präsidenten ein Bild gemacht, hätte es keinen interessiert. Natürlich herrscht durch Erdoğan in der Türkei gerade eine andere Situation, aber Özil ist eben kein Politiker sondern ein Fußballspieler. Wenn er mit dem Präsidenten des Landes, in dem seine Wurzeln liegen, ein Foto machen will, dann sollte das kein Problem für den Sport sein.
Ich finde aber nicht, dass der DFB rassistisch gehandelt hat. Für mich sind vor allem die Boulevard-Medien falsch mit Özil umgegangen. Özil hat Erdoğan schon früher getroffen und nur weil das Thema jetzt vor der WM in den Medien so hochgekocht ist, wurde es zu solch einer Affäre aufgebauscht.“
„Özils Rücktritt zeigt, dass es im Fußball Grenzen geben sollte“
Hussein, 24, ist libanesischer Abstammung und spielt in Stuttgart beim FC Germania Degerloch auf Kreisliga-Niveau.
„Es ist sehr schade, dass Özil zurückgetreten ist, er ist ein guter Spieler. Es zeigt aber auch dass es bei Fussball Grenzen geben sollte: Der Fußball sollte Fußball bleiben und nicht mit Politik und Rassismus vermischt werden. Ich kann Özil deshalb verstehen. Nicht mal unbedingt, weil ich auch ausländische Wurzeln habe oder weil ich Muslim bin. Sondern weil Rassismus und Politik nichts mit Fussball zu tun haben.
Er hat einen Fehler gemacht und sich entschuldigt, warum musste dann die Sache so weit kommen? Im Verein spiele ich mit vielen Deutschen. Ich wurde nie wegen meines Aussehens oder meiner Herkunft ‚gemobbt‘. Eher im Gegenteil: Ich wurde herzlich willkommen geheißen und wurde respektiert wie alle anderen auch. Manche Menschen können aber wohl nicht sehen, dass alle Spieler, unabhängig ihrer Herkunft, den gleichen Respekt verdient haben.“