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"Wir können unserem Sound nicht entkommen"

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Jan St. Werner und Andi Thoma bilden seit zwei Jahrzehnten das Electronica-Duo Mouse On Mars. Lange lebten sie in Düsseldorf und Köln, mittlerweile haben die zwei Querköpfe ein Studio im Berliner Osten bezogen. Sie sind international für ihre verspielt-experimentellen Tracks bekannt, die sie auf mittlerweile einem Dutzend Alben immer wieder neu interpretieren. In den vergangenen Jahren überraschten die beiden mit der Musik für ein zwölfteiliges Hörspiel und einem Orchesterstück. 2012 erschien nach sechs Jahren Album-Pause der Longplayer "Parastrophics".

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Ihr beide seid am selben Tag im selben Krankenhaus geboren. Glaubt ihr, ihr seid in einer Weise seelisch verbunden? Mouse On Mars: Es ist unglaublich, was eine einzige trennende Wand schon ermöglichen kann – zwei komplett unterschiedliche Universen, die nichts miteinander zu tun haben. Nächste Doppelung: Wusstet ihr, dass euer Debut-Album genau so alt ist wie das Sónar? Ach echt!? Dann sind wir ja quasi Paten! Seht ihr weitere Parallelen zwischen euch und dem Festival? Da sind schon eher Unterschiede: Sónar war schon von Anfang an recht groß aufgezogen. Da treffen sich die Player der Musikindustrie, Labelmenschen … Frank von unserem Label Sonig war  immer wieder da, hat CDs verkauft – und irgendwann kommt dann jemand vom neuen katalonischen Vertrieb für elektronische Experimentalmusik und interessiert sich dafür. Ihr seid schon mehrmals beim Sónar aufgetreten. Wie erlebt ihr das Festival? Das Sónar ist kein Ort, an dem man sich komplett gehen lassen kann und nur von Freunden umgeben ist. Wir haben das Glück, dass wir bei Sónar by Day spielen. Sónar by Night ist echt hart. Da hustet einem die Unterhaltungsindustrie eiskalt ins Gesicht, das hat einen üblen Mundgeruch. Andererseits trifft man auch Leute, die man lange nicht gesehen hat. Was cool ist: Wenn du was Großes vorhast, kannst du mit den Sónar-Veranstaltern immer etwas aushecken. Ihr seid bekannt dafür, dass eure Musik stark variiert. Gibt es trotzdem so etwas wie „euren Sound“? Unser Sound ist einfach die Perspektive, von der aus wir unsere Möglichkeiten kombinieren. Gerade Musik ist ja mit unerschöpflichem Reichtum gesegnet. Man kann der Musik nie irgendwas wegnehmen, es kommt immer nur mehr nach. Das sind bei uns manchmal ganz feine Dinge – wie man was filtert, sicher auch gewisse rhythmische oder harmonische Vorlieben. Die Mischung aus all dem macht dann den Sound. Wir versuchen immer wieder, unserem Sound zu entkommen, das gelingt uns aber nicht. Wir wissen jetzt: Egal, was wir versuchen, es klingt eh immer nach Mouse On Mars. Da passt ein Zitat von dir, Jan: „Wir sehen uns als eine Art Bibliothekar. Wir wollen nicht die ganzen Bücher gelesen haben, sondern wir sortieren sie und ordnen sie neu.“ Das ist von Robert Musil geklaut – und das stimmt eigentlich nicht. Das würde ja bedeuten, dass wir die Kulturschätze, die andere hervorgebracht haben, einfach nur neu konfigurieren. Aber das ist nicht so. Wir machen unsere eigenen Sounds. Wir sampeln nicht Musik von anderen und wir orientieren uns auch nicht an Genres. Stell dir vor, du könntest tatsächlich Flöhe husten hören, dann wäre bereits in so was hier (Jan dreht eine Plastikflasche auf) eine komplette Symphonie. Man könnte dann sagen: Wir ordnen eigentlich nur diese verschiedenen Soundereignisse, die in sich schon Geschichten, Epen, Kosmen sind. Was ist euer Antrieb, nach fast 20 Jahren immer wieder Neues zu machen und keine Schmusepopper zu werden? Wir können das gar nicht. Außerdem gibt es das alles schon. Wir versuchen, Bereiche zu finden, wo keiner wartet, schon steht, schon da ist. Für uns ist es ein Gedankenspiel: Wo ist die Grenze von dem, was man erfahren kann? Die Grenze liegt eigentlich immer nur da, wo man aussteigt – wo du entweder erschöpft oder genervt bist. Oder wo dir die Fähigkeiten fehlen und du einfach wieder ran und weiter graben musst. Habt ihr wieder etwas in Richtung Hörspiel, Orchesterstück oder ganz anderen Kunstformen vor? Das Orchesterstück werden wir auf jeden Fall aufnehmen. Hörspiele machen wir auch gern weiter, da gibt's gute Verbindungen zum Rundfunk. Wo wir nicht so richtig ankommen, ist der Film. Aber das ist auch schwierig, weil unsere Musik in sich schon visuell funktioniert. Die hört man, und das reicht eigentlich.   Gibt es momentan eine technische Neuerung, die euch besonders interessiert? Ein Antigravitationsgesetz steht dringend an! Aber es gibt überhaupt kein Ministerium dafür, außer dem Wissenschaftsministerium. Das hätte ja auch Auswirkungen auf die Musik, ist ja klar. Wobei: Wenn man da nur im Himmel hängt, dann fehlt das Gleichgewicht. Musik ist immer ein Teil des Lebens, nicht nur irgendwie im Äther. Apropos Himmel – welche Musik habt ihr im Flugzeug nach Barcelona gehört? Unsere eigene! Ich hab' an was gebastelt. Und was hört ihr zur Zeit daheim, wenn es nicht von euch ist? Gestern zum Beispiel

von David Tudor. Unglaublich – da ist eigentlich alles drin, was Techno ist, total auf den Punkt gebracht, und es ist von 1976! Ansonsten hören wir total verschiedenes Zeug, querbeet, schon auch elektronische Sachen – Siriusmo finden wir super, oder Machinedrum – das ist gute, zeitgenössiche und coole Clubmusik. Wir hören auch Klassik, oder Spektralmusik, all den ganzen Hardcore-Kram. Was uns am meisten interessiert, ist immer das, was an der Grenze ist. Vielleicht noch ganz elegant, entspannt, irgendwie einem Genre zuzuordnen – aber eigentlich merkst du schon, dass es in noch was ganz anderes kippt… man steigt ein und weiß nicht, wo man wieder rauskommt.Wem fühlt ihr euch zur Zeit näher – der Maus oder dem Mars?Ach, für uns hat dieser Bandname gar nicht mehr diese Assoziation. Das ist ein Name wie Rolling Stones, da sieht ja auch keiner mehr rollende Steine oder assoziiert Geröll. Für uns ist das ein Klang. Wir könnten auch Marshmallow heißen.+++Unter dem Label Sonar_Blog berichten Studenten der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe auf jetzt.de vom Sonar-Festival in Barcelona. Das Festival dauerte vom 14. bis 16. Juni.Text: friedemann-dupelius - und Marie Falke

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