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Kinder erst dann, wenn man bereit ist?

Foto: Glamoureffekt

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Eine junge Frau mit braunen Locken im Holzfällerhemd blinzelt lächelnd gegen die Sonne in die Kamera. Hinter ihr Felsen, das Meer. Sie hält einen Blumenstrauß gegen die Brust gedrückt. Sieht nach Generation Easyjet aus. Nach Werbung für Süd-West-Frankreich. Wäre da nicht der Schriftzug: „Kinder kriegen, wenn ich bereit bin“, steht da. Es handelt sich um eine Webseite, die die Methode des Social Freezing – das Einfrieren unbefruchteter Eizellen - in Deutschland etablieren möchte. 

Ins Leben gerufen hat sie Karina Schönberger, im Impressum steht allerdings eine Firma, die selber Social Freezing anbietet. Diejenige, bei der die 27-jährige Karina vor zwei Jahren selbst hat ihre Eizellen einfrieren lassen. Das erzählt Karina aber erst auf Nachfrage. Die Unternehmerin sitzt an einem Dienstag im Februar in einem Restaurant in Berlin-Mitte, um sie herum an den massiven Holztischen die Frauen, die sie erreichen möchte. Sie sind Mitte 20 bis Mitte 30, beruflich erfolgreich und stehen mitten im Leben. Würde man eine Umfrage im Raum starten, die wenigsten würden wohl angeben, Kinder zu haben. 

Auch Karina hat keine Kinder. Und sie will auch keine – zumindest jetzt noch nicht. Wenn man sie fragt, warum nicht, antwortet sie: „Weil ich gerade keinen Kinderwunsch habe. Ich fühle das einfach nicht.“ Weil sie aber sicher ist, dass sich das ändern wird, und weil sie in ihrem Leben nichts gerne dem Zufall überlässt, hat sie vor zwei Jahren 15 ihrer Eizellen einfrieren lassen. Als Versicherung, wie sie sagt.

Das Freezing wird viel kritisiert. Man trickse die Natur aus, spiele Gott

Als Social Freezing bezeichnet man das Verfahren, bei dem unbefruchtete Eizellen ohne medizinischen Grund eingefroren werden, um Frauen auch jenseits des fruchtbaren Alters noch eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Dafür werden die Eierstöcke hormonell so stimuliert, dass sie während eines Zyklus mehr Eizellen reifen lassen als üblich. Bei der Entnahme wird unter Vollnarkose der Patientin mit einer Hohlnadel durch die Scheidenwand gestochen und die Eizellen aus den Eierstöcken gesaugt. Je nachdem wie viele Zyklen stimuliert und wie lange die Eizellen gelagert werden, kostet die Behandlung etwa zwischen 3000 und 12.000 Euro. In Deutschland wird Social Freezing noch nicht so häufig praktiziert, in den USA ist der Eingriff bereits bekannter. Dort feiern manche Frauen sogar „Egg-freezing“-Partys. Und auch der Begriff "Social Freezing" ist in Deutschland umstritten.

Als Apple und Facebook im Jahr 2014 bekannt gaben, ihren Mitarbeiterinnen die Entnahme und Lagerung ihrer Eizellen zu finanzieren, gab es auch in Deutschland ein gewaltiges Medienecho– und die Entrüstung war groß: Frauen würden ausgenutzt; ihre besten Jahre sollten sie den Unternehmen opfern. Auch das Freezing selbst wird viel kritisiert. Man trickse die Natur aus, spiele Gott. Das Aufschieben des Kinderwunschs sei eine weitere Unart der selbstoptimierten Gesellschaft. Und Ärzte geben zu bedenken: Nicht nur die Fruchtbarkeit nimmt mit zunehmendem Alter ab. Auch eine Schwangerschaft birgt mehr Risiken, wenn eine Frau bereits Ende 30 oder älter ist.

Karina ärgert sich über diese negative Berichterstattung. Für sie ist das Einfrieren ihrer Eizellen nach der Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur zwölften Woche und der Anti-Baby-Pille eine weitere Errungenschaft im Kampf um die sexuelle Selbstbestimmung der Frau. Als sie selber mit dem Gedanken spielt, wird sie bei ihrer Internetrecherche aber nicht fündig. Sie stößt nur auf Foren, wo sich Frauen über künstliche Befruchtung austauschen. Geht es um das Einfrieren von Eizellen ohne medizinischen Grund findet sie nur US-amerikanische Webseiten und Blogs. Sie beschließt, selber eine Plattform zu gründen, die Frauen über Social Freezing aufklärt und ihnen die Möglichkeit zum Austausch gibt. Am 8. März, dem Weltfrauentag, hat sie social-freezing.de gelauncht. Die Domain stellt ihr auf ihre Anfrage hin die Pharmafirma zur Verfügung, ansonsten erhalte sie von ihr aber nur ideelle und keine weitere finanzielle Unterstützung für das Projekt, sagt Karina. Ihr ist es wichtig zu betonen, dass sie selbst die Betreiberin der Seite ist, alles aus ihrer Feder stammt. „Es ist doch glasklar, dass ich ganz allein zu diesem hoch komplexen Thema keine Plattform aufziehen kann und einen Partner brauche, der mich kompetent unterstützt“, sagt sie. Die Pharmafirma bestätigt diese Darstellung - für sie ist das natürlich eine sehr günstige Werbung.

 

„Die Gesellschaft macht einem weis, dass man gescheitert ist, wenn man über Freezing nachdenkt“, sagt Karina

 

In erster Linie geht es Karina darum, über die Fruchtbarkeit der Frau aufzuklären, sagt sie. Sie selbst habe immer gedacht, dass es erst ab 40 schwierig werde, schwanger zu werden. Tatsächlich sind aber die frühen Zwanziger die fruchtbarsten Jahre und schon ab 30 verringert sich die Möglichkeit einer Schwangerschaft. Mit 35 liegt die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden bei etwa 17 Prozent, mit über 40 Jahren bei unter fünf. „Das reproduktive Fenster ist kleiner als viele denken“, sagt auch Monika Uszkoreit, Geschäftsführerin des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren in Deutschland. Viele Kinderwunschpatientinnen gäben an, sie hätten sich diesbezüglich eine bessere Beratung durch ihre Frauenärzte gewünscht.

 

„Die Gesellschaft macht einem weis, dass man gescheitert ist, wenn man über Freezing nachdenkt“, sagt Karina. „Dagegen will ich ankämpfen und Gesichter zeigen, auch meins.“ Eins der Gesichter auf ihrer Webseite ist das von Pia Poppenreiter. Die 28-Jährige hat die App „Ohlala“, gegründet, die bezahlte Dates vermittelt. Mit 27 hat sie 15 Eizellen einfrieren lassen. Für ihre Entscheidung nennt Pia drei Gründe: „Weil ich in meinem Leben momentan ganz klar Fokus auf meine Karriere legen möchte, 2. derzeit absolut keinen Kinderwunsch verspüre und 3. Single bin.“ Weil sie nicht plant, innerhalb der nächsten fünf Jahre Kinder zu bekommen, sei es für sie eine „einfache Rechnung“ gewesen. Das Social Freezing erhöhe ihre Chancen auf eine Schwangerschaft, wenn sie mit Anfang oder Mitte 30 den richtigen Partner finde und dann noch ein bis drei Kinder mit ihm bekommen wolle.

 

Der richtige Partner ist für Monika Uszkoreit ein Mythos. Den Frauen werde durch die Möglichkeit des Social Freezings vermittelt: Du hast jetzt eine Garantie und kannst noch wählerischer sein, was die Partnerwahl angeht. Die Soziologin glaubt, dass die Unverbindlichkeit moderner Paarbeziehungen und das Sich-nicht-festlegen-Wollen ein wesentlicher Grund für die Nachfrage nach Social Freezing ist.

 

Das Hauptproblem sieht sie allerdings darin, dass die meisten Frauen, die sich für das Verfahren interessieren, schon Mitte oder Ende 30 und somit die Falschen seien. Ihre Eizellen hätten dann eine weniger gute Qualität und eine noch weiter hinausgezögerte Schwangerschaft berge ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten. Auch Zahlen aus dem Hamburger Kinderwunschzentrum amedes aus dem Jahr 2013 zeigen, dass Frauen, die sich für das Einfrieren ihrer Eizellen interessiert haben, im Schnitt schon 35 Jahre alt waren.

 

Bei einer jüngeren Frau um die 25, sagt Uszkoreit, könne sie den Schritt verstehen. Dazu raten würde sie aber nie. Vielmehr plädiert sie dafür, weniger Angst zu haben und das Kinderkriegen einfach zu wagen. Das mache schließlich Spaß. Dass so viele Frauen in jungen Jahren heute davor zurückschrecken, führt sie auch auf wirtschaftliche Verunsicherung durch Zeitverträge und andere prekäre Beschäftigungsverhältnisse zurück.

Karina sagt, es gehe ihr nicht um ihre Karriere. 2013 hat sie das Startup „Bow and Arrow Events“ gegründet, das romantische Überraschungen für Paare organisiert. Dennoch sei ihre Arbeit für sie kein Grund, einen Kinderwunsch aufzuschieben, sagt sie. Schwerer wiege der Umstand, dass sie keinen Partner habe. Und wenn sie einen hätte, würde sie ihn erst ein paar Jahre für sich alleine haben wollen, bevor sie ein Kind möchte.

 

Ärzte schätzen, dass hierzulande nur wenige hundert Frauen pro Jahr den Eingriff durchführen

 

Eine andere Geschichte auf social-freezing.de ist die von Stephanie. Ursprünglich wollte sie eine Familie gründen, bevor sie 30 ist, doch weil sich ihr Leben anders entwickelte – mit 28 fehlte ihr ein Partner, sie stand kurz vor dem Ende ihres Studiums und musste sich zunächst beruflich orientieren - entschied auch sie sich fürs Einfrieren ihrer Eizellen.

 

Karina, Pia und Stephanie sind in Deutschland aber immer noch Ausnahmen. Ärzte schätzen, dass hierzulande nur wenige hundert Frauen pro Jahr den Eingriff durchführen. Insgesamt drei Freezing-Geschichten versammelt Karina neben ihrer eigenen bisher auf social-freezing.de. Sie hofft darauf, dass sich bald mehr Frauen bei ihr melden, „um das Thema zu enttabuisieren“.

 

Eigentlich ist sie zuversichtlich: „Wir haben bei der Pille einen Aufstand gemacht und bei der künstlichen Befruchtung auch. Aber Freezing wird sich durchsetzen.“ Eine Forsa-Umfrage von 2015 gibt ihr Recht: 64 Prozent der 18-bis 30-Jährigen stehen demnach dem Einfrieren von Eizellen aufgeschlossen gegenüber. „Es erfüllt einfach ein Bedürfnis der Gesellschaft“, sagt Karina. Welches Bedürfnis ist das? Nach beruflichem Erfolg zu Beginn der Karriere? Nach einem Leben ohne Verantwortung für andere, wenn man noch jung ist? Nach Unabhängigkeit, auch finanzieller Art?

 

Jörg Puchta, Reproduktionsmediziner an einem Münchner Kinderwunschzentrum, sagte bei der Jahrestagung der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland im Jahr 2014 über Social Freezing: „Es klingt lifestylig, es soll auch so klingen, denn es geht um nicht weniger als um den Lifestyle einer neuen Generation von Frauen, die sich mit dieser fantastischen Technik ihre Leichtigkeit zurückerobern und das Ticken der biologischen Uhr einfach abschalten.“ So sieht es auch Stephanie: Sie hat sich ihren Kinderwunsch absichern lassen „um mich in meiner Entscheidung unabhängiger zu machen und das Ticken meiner biologischen Uhr besser ignorieren zu können“.

 

Hinweis: Die Tatsache, dass Karina Schönbergers Plattform von einer Pharmafirma unterstützt wird, war weder der Redaktion, noch der Autorin bekannt. Wir haben diese Information nachträglich ergänzt.

 

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