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Foto: una.knipsolina / photocase.de

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Zuerst war ich ja doch etwas schockiert: „Hast du ihr das etwa erzählt?“ Ich fragte das: meinen besten Freund. Der hatte weitererzählt: ein Geheimnis. Und zwar: seiner Freundin. „Wenn ich eine Freundin habe“, sagte er, „musst du doch damit rechnen, dass ich ihr so was erzähle!“ Ich hätte daraufhin auch explodieren und ihm den Kopf waschen können. Aber stattdessen wirkte seine Entschuldigung. Denn: Es stimmt ja. Eigentlich hatte ich damit gerechnet. Oder hätte zumindest damit rechnen müssen.

Wenn jemand ein Geheimnis ausplaudert, gibt es normalerweise Streit. Wenn er aber sagt: „Ich habe es echt niemandem erzählt, nur XY!“ und XY teilt mit ihm seit drei Jahren ein Bett, dann wird das hingenommen. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz. Wenn dir jemand, der in einer Beziehung ist, das Versprechen gibt, etwas nicht weiterzuerzählen, bedeutet das gleichzeitig, dass er es sehr wahrscheinlich seinem Freund oder seiner Freundin weitererzählen wird. Das ungeschriebene Gesetz besagt außerdem, dass du, wenn du dir dieses Versprechen geben lässt, erlaubst, dass der Partner oder die Partnerin des anderen davon wissen darf.

Eigentlich ist das nicht gut. Ein Geheimnis sollte auch mal eines bleiben dürfen, so ganz unter vier Augen. Warum es trotzdem akzeptiert wird, dass Partner davon erfahren? Ganz einfach: Weil fast jeder es macht, wenn er in einer Beziehung ist. „Also, eigentlich ist das ja geheim, aber...“ ist mit Sicherheit ein sehr oft ausgesprochener Satz in Betten und auf Sofas und an Küchentischen.

Ein Geheimnis einem Freund mit Partner erzählen, bedeutet: Es bleibt unter sechs Augen

Das hat auch einen Grund. Person A erzählt Person B ein Geheimnis. Vor allem, wenn es dabei um ein Problem, um größere Sorgen geht, kann es sehr hilfreich sein, wenn Person B es auch noch mal besprechen kann, am besten mit jemandem, der Person A nicht ganz so gut kennt. Der das Ganze etwas neutraler betrachten kann. Das ist meist Person C, der Partner. Und auch, wenn es um etwas Peinliches geht, über das Person B lachen muss, möchte sie es gerne Person C erzählen, weil sie mit der tendenziell am meisten lacht. Der Partner ist so eine Art natürliche Verlängerung des Informationsflusses, der von einem Menschen zum nächsten gegangen ist. Oder es ist so, als seien Menschen in Beziehungen mit einer kleinen Wanze ausgestattet. Es hört immer jemand mit, wenn auch zeitverzögert.

Man kann da natürlich Angst kriegen. Dass dieser Informationsfluss, wenn er ein mal ins Fließen gekommen ist, auch noch weiter fließen wird. Dass Person C, für die die Info nicht bestimmt war, sie weiter trägt an Menschen, für die sie noch weniger bestimmt ist. Das könnte dann zu kleinen bis mittleren, eventuell sogar zu großen Katastrophen führen.

Das Gute ist: Die Gefahr ist sehr gering. Person C ist eher ein Damm im Informationsfluss, der ihn stoppt (und der hoffentlich nicht bricht). Denn da das ungeschriebene Gesetz ja besagt, dass man nur dem Partner erzählen darf, was man nicht weitererzählen soll, gibt es ja niemandem mehr, dem Person C jetzt noch etwas erzählen könnte. Sie hat es ja schon vom engsten Vertrauten erfahren. Wenn man also einen Freund ins Vertrauen zieht, der eine Freundin hat, dann kann man zwar nicht davon ausgehen, dass das Geheimnis unter vier Augen bleibt – aber immerhin, dass es unter sechs bleibt.

Vielleicht kann man aus dem ungeschriebenen Gesetz sogar einen praktischen Lackmustest für das Weitererzählen oder Verschweigen brisanter Geschichten ableiten. Bevor ich meinem besten Freund das nächste Mal etwas Geheimes anvertraue, werde ich mir kurz vorstellen, wie er es seiner Freundin erzählt. Und wenn ich dann merke, dass die Sache so brisant/schlimm/peinlich/bescheuert ist, dass es nicht mal die vertrauteste Person einer mir sehr vertrauten Person wissen sollte – dann sollte es vermutlich überhaupt niemand wissen.

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