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Love Is A Shield. Oder eben nicht.

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Grafik: karen-ernst Die Frauen und Männer in dem holzgetäfelten Besprechungszimmer machen allesamt sehr ernste Gesichter. Keine Anekdoten, keine Zoten, kein Schenkelklopfen, kein Gelächter. Und das, obwohl hier, in den Räumen der KfW Entwicklungsbank unweit von Unter den Linden in Berlin, gerade - etwas salopp formuliert - über „das erste Mal“ gesprochen wird. Doch selbst das bekommt eine beklemmende Ernsthaftigkeit, wenn man eben nicht von der eigenen Jugend, der eigenen Ungeschicklichkeit und Unwissenheit spricht, sondern von der Jugend der Welt. Und von den Krankheiten und Folgen, die mit diesem legendenumrankten ersten Sexualkontakts, dessen Unwissenheit und Ungeschicklichkeit oft, viel zu oft, einhergehen. Denn darum soll es hier, bei diesem Kongress mit dem sperrigen Titel „Jugend im Fokus reproduktiver Gesundheit“ vor allen Dingen gehen. Sex weltweit Die Augen, und vielleicht auch die Hoffnungen, der versammelten Runde liegen auf Dr. Nina Puri, der Vorsitzenden der International Planned Parenthood Federation, einer grauhaarigen Inderin von mütterlicher Statur in einem Sari in sattem Grün und sattem Gelb. Man merkt, dass der Schrecken der Zahlen, die sie nun verkündet, bei ihr längst verflogen ist, dass sie längst begriffen hat, dass es sich um Fakten, nicht Statistiken, handelt und dass jedes weitere Zögern weiteres Leid bedeutet. Es gab, sagt Frau Dr. Puri, noch nie so viele junge Menschen und überhaupt noch nie so viele Menschen auf diesem Planeten. 6,5 Milliarden sind es insgesamt. Und in den weniger entwickelten, sich dafür aber umso schneller fortpflanzenden Ländern ist jeder Zweite unter 25. Und vor allem von dieser jungen, armen, riesigen aber weitgehend ungebildeten Generation hängt ab, wie es weitergeht, mit AIDS, mit den sozialen Problemen der Überbevölkerung in ressourcenschwachen Regionen und der immer noch bizarr hohen Sterblichkeit von jungen Frauen während der Schwangerschaft oder in Folge der Abtreibung. Diese Zahlen und deren Wirklichkeit muss man einmal sich vor Augen führen: In Süd- und Zentralafrika etwa, sind 58 Prozent der von HIV und AIDS Betroffenen Frauen und davon sind wiederum 67 Prozent erst zwischen 15 und 24 Jahre alt. Ähnliches bei Schwangerschaftssterblichkeit: Unter 15 bis 19-jährigen Mädchen sind unsachgemäße Abtreibungen und Komplikationen während der Schwangerschaft noch immer die Haupttodesursache. Frau Dr. Puri blickt streng; die Anwesenden auf den Boden. Enthaltsamkeit hält nicht vor Dann spricht Frau Dr. Sharon Camp. Sie ist die Leiterin eines US-Instituts für sexuelle Gesundheit und berichtet von den vordergründigen Erfolgen US-amerikanischer Enthaltsamkeitskampagnen: Durch einen Jungfräulichkeitsschwur, die Virginity Pledge, sei es zwar gelungen, den Zeitpunkt des ersten Sexualkontakts um eineinhalb Jahre nach hinten zu verschieben. Sehr bald danach holen die enthaltsamen Jugendlichen auf allen Bereichen nach – beim Sex, bei den Krankheiten, bei den Schwangerschaften. In der Altersgruppe der 15- bis 19-jährigen bekommen weltweit jedes Jahr 14 Millionen Mädchen Kinder; meist ungeplant, nicht selten ohne Mann an ihrer Seite. Was einerseits zur Folge hat, dass die Weltbevölkerung weiterhin rasant ansteigt – und dass andererseits in armen Regionen noch mehr Münder mit noch Weniger auskommen müssen. Was hilft? Aufklärung, Verhütung, die Emanzipation der Frau? Ein älterer Ägypter, der sich als Dr. Osman vorstellt, meldet sich zu Wort: Das sei ja alles schön und gut und würde vielleicht in der westlichen Welt so funktionieren – wie aber solle man in islamischen Ländern vorgehen, wo Männer wie Frauen die Thematisierung von Sexualität in der Öffentlichkeit wenig schicklich finden? Wo Eltern ihre Kinder von Schulen nehmen, in denen Sexualkunde gelehrt wird? Dr. Puri berichtet von Erfolgen der Familienplanung im Iran, von Kampagnen, die ganz Bewusst den Begriff „Sex“ aussparen, von Frauen, die ihrer Rechte, auch ihrer sexuellen, bewusst werden sollen. Die Problematik ist komplex, die Antworten scheinen oft, viel zu oft, holzschnittartig einfach: Aufklärung, Verhütung und im Zweifelfall auch Enthaltsamkeit. In China erzwingt das Regime längst die Ein-Kind-Politik. Selbst der islamische Iran hat sein Bevölkerungswachstum mit staatlichen Familienplanungsprogrammen in den Griff bekommen. In Indien, erzählt Nina Puri, gibt man sich alle Mühe, aber noch mit geringem Erfolg. Und in der westlichen Welt liegt das Problem gerade im Gegenteil. Und auch dieser Kongress wird nicht das Patentrezept zur Lösung bereithalten. Bei denen, die es betrifft, den Armen und Ungebildeten, ist das Ausmaß der Problematik vermutlich noch längst nicht angekommen. Aber das ist hier, im Westen, wo Sex den luxuriösen Status eines verhältnismäßig sicheren Privatvergnügens und keine politische Dimension hat, auch nicht anders. Aber früher oder später wird das auch uns angehen. Besser früher.

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