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karen-ernst In regelmäßigen Abständen präsentieren Trendforscher Begriffe, die den Abschied vom herkömmlichen Männerbild verdeutlichen sollen. Das geschieht ungeachtet der Tatsache, dass die wenigsten noch wissen, wie dieses Männerbild denn eigentlich mal aussah. In ihrem Buch „The Future of Men“ schreibt die amerikanische Futurologin Marian Salzman über den neuen, besseren Mann und wie er sein muss, um in der Balzbörse noch eine Chance zu haben. Nach den Metrosexuellen, die wir niemals waren, gibt es jetzt die Übersexuellen, die wir auch nicht sein werden. Zur Typologisierung: Der Übersexuelle vereint die wichtigsten und besten Merkmale von irrealer Vaterfigur und Emoboy in sich. Entschlossen, furchtlos, wie aus Marmor gemeißelt die Statur, triefend vor männlichen Pheromonen. Obendrein mit einem Einfühlungsvermögen für die Weiblichkeit, das an Empathie grenzt. Der Hypermann kann alles, außer fliegen. Er kommt auch nicht in Superheldenleggins daher, sondern stilsicher im Brionianzug. Der Metrosexuelle ist passé - zu selbstverliebt und auf Äußerlichkeiten bezogen sei er, um im Trenddarwinismus bestehen zu können, sagt Salzman. Sie muss es wissen, immerhin hatte sie erst vor zwei Jahren den Begriff geprägt. Ihr Übersexueller beendet nun die Zeiten der sexuellen Zweideutigkeit. Und die Frauen lieben den neuen Mann dafür. Er „holt sich was er will, wann immer er es will.“ Oder wie der rechte US-Kommentator Rush Limbaugh sagte: „Die Männer sind jetzt wieder so, wie sie waren, bevor der Feminismus sie kastriert hat.“ Ängstlicher Rudelführer Und woher kommt der Genderrevisionismus? Die Medien hätten sich „in den vergangenen Jahren oft über Männer lustig gemacht, das haben die jetzt satt“, sagt Salzman. Auch ihre Überflüssigkeit beim Zeugungsvorgang mache ihnen Angst und damit Anpassung nötig. Solche Erklärungen sind wie immer, arm an Informationen und reich an Mythen. Die Glaubwürdigkeit des Rudelführers ist jedoch fraglich, wenn er diese Rolle nur aufgrund von Verdrängungsängsten annimmt. Souverän ist anders, aber logische Fehler in den Klischees haben noch nie gestört. Wir sind jetzt also modebewusst, mitfühlend und trotzdem maskulin. Und wer das nicht kapiert, den beliefert die Autorin zwecks besserer Anschaulichkeit mit einer Top 5 der bedeutendsten Übersexuellen: 5. Arnold Schwarzenegger 4. Donald Trump 3. Bill Clinton 2. George Clooney 1. Bono von U2 Die Gemeinsamkeit dieser Menschen? Neben der fragwürdigen sexuellen, vor allem die monetäre Überlegenheit. Ein USP des Übersexuellen ist seine dicke Brieftasche, Kaufkraft wird zum primären Geschlechtsmerkmal. Wir klauen künftig nicht mehr die Kosmetika aus den Handtaschen unserer Freundinnen, sondern versorgen uns an eigens für uns geschaffenen Produktlinien. Überhaupt ist in „The Future of Men“ viel von Produkten und Märkten die Rede. Da verwundert es wenig, zu erfahren, dass Salzman neben ihrem Dasein als Trendorakel auch Vizepräsidentin der Marketingfirma JWT ist. Wir wurden schon subtiler zum Kauf von Tagescremetöpfen und dicken Zigarren verführt, als durch diesen Versuch. Banal die Erkenntnis, dass der Übersexuelle als Männerfiktion ebenso wenig taugt, wie weiland der glücklose Metrosexuelle. Was bleibt? Die Hoffnung, dass nun erst mal das Pulver der Futurologen verschossen ist. Was kommt? In fünf Jahren tritt vermutlich der Postsexuelle auf den Plan der Klischeeevolution. Er ist ein bisschen so, wie man sich Houellebecqs’ Supramenschen in Elementarteilchen vorstellte: Vollkommen transzendent und gänzlich ohne Lust auf Ficken oder Konsum. Danach, aber das ist Wunschdenken, folgt lange Zeit nichts mehr und wir dürfen für eine Weile wieder wir selbst sein.

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