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Wie es ist, nur mit einem Menschen Sex gehabt zu haben

Foto: Sabina Ciesielska / unsplash / Collage; Daniela Rudolf

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Für unsere Großeltern war es normal, heute ist es die große Ausnahme: als Erwachsene*r bisher nur mit einem einzigen Menschen geschlafen zu haben. Wie fühlt es sich an, sich früh auf eine*n Sexpartner*in festzulegen – und damit relativ alleine im Freundeskreis zu sein? Kommen da Zweifel am eigenen Sex- und Beziehungsverhalten auf? Ist das Verlangen, sich auch mit anderen mal auszuprobieren, sogar ein Trennungsgrund für manche Paare? Oder fehlt ihnen wirklich gar nichts? Sechs junge Menschen haben uns diese Fragen beantwortet.  

„Mit jedem Tief kommt auch der Gedanke: Ist das wirklich eine so gute Idee?“

Liane* ist 27 Jahre alt und seit vierzehn Jahren in einer Beziehung. Mit ihrem Mann hat sie zwei Kinder. Trotzdem zweifelt sie ab und zu, ob ihr ein Sexualpartner fürs ganze Leben reicht.

„Ich bin seit der siebten Klasse mit meinem Mann zusammen, vor drei Jahren haben wir geheiratet und unser erstes Kind bekommen. Mit ihm hatte ich mein erstes Mal – und mit ihm werde ich wahrscheinlich auch mein letztes Mal haben. 

Gerade bin ich in Ordnung damit, dass es so ist. Aber in einer Beziehung gibt es Höhen und Tiefen. Und mit jedem Tief kommt auch der Gedanke: Ist das wirklich eine so gute Idee? Den Rest des Lebens mit dem Einzigen zu verbringen, den ich jemals hatte?

Besonders akut stellte sich mir die Frage, als ich 18 geworden bin. Denn dann konnte ich in die Disco gehen. Weil mein Mann allerdings kein Discogänger ist, bin ich meistens ohne ihn hin. Dabei lernte ich natürlich auch Jungs kennen. In dieser Zeit habe ich viel geflirtet und mich gefragt, wie es wäre, anderen Männern näher zu kommen.

Passiert ist zwar nie was, aber einmal war es echt knapp: Ich habe einen Typen kennengelernt, den ich super spannend fand. Er sah gut aus, sagte die richtigen Dinge und tanzte im Club Standard mit mir. Als wir mit der gleichen S-Bahn nach Hause fuhren, legte ich meinen Kopf an seine Schulter.

Am nächsten Tag schrieb er mir auf Facebook: „Ich mag dich.“ Dass ich zugeben müsste, dass da etwas zwischen uns sei. Und dass mich mein Freund unglücklich mache. Wenn ich ehrlich zu mir selbst wäre, würde ich es auch sehen.

Ich fühlte mich angegriffen und schnauzte ihn an, was er denn schon über meine Beziehung wüsste. Das war ein Schlüsselmoment für mich: Ich merkte dabei, dass er tatsächlich Unrecht hatte. Mir wurde bewusst, dass ich gar keinen anderen haben wollte als meinen Freund. Dass es meinen Traummann nämlich gar nicht gibt auf der Welt – und dass mein zukünftiger Ehemann von allen am nächsten rankommt.

Seitdem gab es solche Momente eigentlich nicht mehr, außer vor großen Entscheidung: vor dem Kauf unseres Grundstücks oder bei der Verlobung zum Beispiel. Ich sehe das auch ganz realistisch: Es kann immer passieren, dass eine Ehe in die Brüche geht. Und die größte Gefahr sehe ich tatsächlich darin, dass wir uns auseinanderleben, dass der Alltag langweilig wird. Denn dann könnte es sein, dass einer von uns beiden auf die Idee kommt, dass er auch mal was anderes ausprobieren will – mit einem anderen Menschen.“

„Wir haben uns getrennt, um noch andere Erfahrungen machen zu können“

Mara, 26, hat sich für andere Sexpartner von ihrem langjährigen Freund getrennt.

„Meinen ersten Freund Moritz kenne ich, seit wir klein waren. Wir waren damals schon heimlich verknallt ineinander, mit 15 sind wir zusammengekommen. Eigentlich wäre es aber besser gewesen, wenn das noch viel länger gebraucht hätte. Denn obwohl wir eigentlich die richtigen Menschen füreinander sind, konnten wir beide nicht damit umgehen, dass wir uns niemals mit anderen ausprobieren könnten, wenn wir weiter zusammen blieben.

Vor drei Jahren haben wir uns deshalb voneinander getrennt. Erst dachte ich lange, es wäre die größte Fehlentscheidung meines Lebens. Heute glaube ich, es war die schmerzhafteste richtige Entscheidung meines Lebens.

Denn Dating, Flirten, Sex mit anderen Männern machen mir Spaß und bringen mich in meinen Erfahrungen ein ganzes Stück weiter. Ich mag es, mich noch nicht festgelegt zu haben und immer wieder neue Charaktere kennenzulernen. Mich mit ihnen auszuprobieren. 

Ich hoffe aber, dass wir irgendwann, wenn es ans Kinderkriegen geht oder so, wieder zueinander finden. Denn eigentlich passt es ja so verdammt gut zwischen uns. Aber selbst, wenn es nicht so sein sollte, werde ich die Trennung nicht bereuen. Die Nicht-Trennung allerdings hätte ich sicher früher oder später sehr bedauert.“

„Ich mache mir keine Gedanken über andere Sexpartner“

Johanna, 27, hat noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, mit jemand anderem zu schlafen.

„Mein Freund und ich sind seit elf Jahren ein Paar. Ich habe in all der Zeit wirklich nie darüber nachgedacht, ob ich mal mit jemand anderem schlafen sollte. Es passt einfach gut zwischen uns. Und ich bin auch nicht der Typ Mensch, der Abenteuer braucht. Mir ist Sicherheit das Wichtigste. Dass ich einen Partner habe, auf den ich mich verlassen kann, der mein bester Freund ist. Sex steht da vollkommen hinten an. Und nachdem der bei uns sogar auch passt, käme es mir einfach nicht in den Sinn, ihn zu betrügen oder unsere Beziehung zu öffnen.“

„Ich will für immer mit ihm zusammen bleiben – aber nicht immer nur einen Partner haben“

Sophia Marie, 25, hatte „offiziell“ nur einen Sexpartner – aber hat ihren Freund betrogen.

„Ich bin seit der Schulzeit mit meinem Freund Jochen zusammen und wir haben nicht vor, uns zu trennen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass er nicht weiß, dass ich eine längere Affäre mit meinem Mitbewohner hatte. Irgendwie brauchte ich das. Ich will zwar für immer mit Jochen zusammen bleiben – aber nicht für immer nur mit einem Menschen Sex gehabt haben. Vor allem, weil er mir nicht alles geben kann, was ich brauche. Unser Sex ist nicht schlecht, aber eben auch nicht besonders spontan oder leidenschaftlich.

Das war mit Timo anders. Irgendwie war das alles so aufregend, dass ich es nicht lassen konnte. Ich fühle mich schlecht, wenn ich darüber nachdenke. Vor allem, wenn mich andere – oft auch noch vor Jochen – dafür bewundern, dass ich ja bisher nur einen Sexpartner hatte. Dann nicke ich heftig und sage: ‚Ja, das ist schon krass.‘

Aber ehrlich gesagt ist es mit der Zeit viel einfacher geworden, das anderen vorzulügen. Denn wenn ich es nur oft genug ausspreche, glaube ich fast schon wieder selbst daran, dass ich ihm treu geblieben bin … Das klingt komisch, aber es fühlt sich eben so an. Weil das mit Timo ja irgendwie auch rein körperlich war und ich weiß, dass ich Jochen nicht für ihn verlassen hätte.

Aber ich befürchte schon, dass Timo nicht der letzte Mann gewesen sein wird, mit dem mir so etwas passiert. Denn ich bin einfach ein Mensch, der Abwechslung braucht. Natürlich sollte ich das Jochen mal sagen. Aber immer, wenn ich es versuche, bringe ich es nicht über die Lippen.“

„Meine Frau und ich sind keine besonders sexuellen Menschen“

Johann, 29, machte kurz mal Schluss mit seiner Freundin, um andere Partner zu haben – entschied sich aber schnell wieder um.

„Meine Frau habe ich kurz vor meinem 17. Geburtstag kennengelernt. Vorher hatte ich zwar schon eine Freundin. Mit der lief aber nie mehr als Gefummel und Küsse. Wir sind, wenn man das so sagen kann, keine besonders sexuellen Menschen. Es hat sich bei uns einfach alles schon so eingespielt und wenn wir einmal im Monat Sex haben, dann ist das für mich völlig normal und ausreichend.

Trotzdem hatte ich im zweiten Jahr unserer Beziehung heftige Zweifel. Ich war schließlich gerade erst ‚erwachsen‘ geworden. Und zum Leben in dieser Altersklasse, so habe ich das bei meinen Mitschülern beobachtet, gehört eben auch ein aufregendes Sexleben. Ich wollte das auch mal ausprobieren – und habe mich deshalb getrennt.

Der Entschluss hielt etwa 24 Stunden. Dann fiel mir auf, wie sehr sie mir fehlt und wie dämlich diese Aktion war. Ich bin dann sofort zu ihr, habe mich reumütig gezeigt und sie gebeten, mir zu verzeihen. Das hat sie getan. Seitdem habe ich nicht mehr wirklich darüber nachgedacht, ob ich es mal gerne mit einer anderen Frau machen würde. Denn ich hab einmal die Angst ausstehen müssen, sie wegen dieses Hirngespinstes zu verlieren. Und das brauche ich nicht nochmal.“

„Ich fühle mich, als wäre ich in der falschen Zeit geboren“

Chloé, 27, findet, dass man für eine monogame Beziehung auch mal kämpfen muss.

„Ich habe mich mit 16 zum ersten Mal verliebt. In Max. Er ist der einzige, den ich je geküsst, gestreichelt, mit dem ich geschlafen habe. Und das soll so bleiben. Seit einigen Jahren wohnen wir zusammen, wir sind verheiratet und haben gerade einen Sohn bekommen.

Wir reden über alles offen. Auch darüber, ob es ein Problem ist oder werden könnte, dass wir beide noch nie einen anderen Sexpartner hatten. Manchmal frag ich ihn auch: ‚Rein hypothetisch: Wenn du einen Freifahrtschein hättest, würdest du’s machen?‘ Er denkt dann immer wieder heftig nach, aber kommt dann zum gleichen Schluss wie ich: Wir vermissen nichts. Wir finden wirklich alles aneinander gut, vor allem auch in sexueller Hinsicht.

Wir reden darüber, wenn einer von beiden mal irgendwas neues ausprobieren will. Klar ist der andere dann nicht verpflichtet, sich anpinkeln zu lassen oder so. Aber wir probieren schon viel aus, wenn das für beide in Ordnung ist.

In dieser Hinsicht fühle ich mich wirklich, als wäre ich in der komplett falschen Zeit geboren. Heute hatte ja fast jeder schon mal einen One-Night-Stand oder zumindest lockere Affären. Ich kann mir das für mich überhaupt nicht vorstellen. Und selbst, wenn ich mal das Bedürfnis haben sollte, etwas anderes kennenzulernen: Ich glaube, da besteht einfach null komma null Gefahr, dass ich einknicke. Denn ich liebe Max zu sehr, um einfach unsere Beziehung für jemand anderen aufzugeben. Liebe heißt auch, dafür kämpfen müssen, dass es hält. Da kann man doch nicht klein beigeben, nur weil man mal mit jemand anderem schlafen möchte.“

*Weil unsere Protagonisten nicht wollen, dass ihre Partner*innen und Familien hier ihre geheimen Gedanken und Wünsche nachlesen können, sind sämtliche Namen in diesem Text geändert. Die Interviewpartner und ihre richtigen Namen sind der Redaktion aber bekannt. 

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde zum ersten Mal am 7. März 2018 veröffentlicht und am 18. Juli 2020 noch einmal aktualisiert.

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