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Warum in Sex-Podcasts Frauen mit Frauen und Männer mit Männern sprechen
„Jaaa!“, „yesss“, „Oh yeah…“. So oder so ähnlich fangen die meisten Podcasts an, bei denen es um Sex geht. Ein bisschen Gestöhne, ein Jingle und dann hört man Menschen zu, die so reden, als würden sie im Wohnzimmer nebenan sitzen. Und zwar über so ziemlich alles: Seitensprünge, Sextoys, Sex während der Periode, Dreier, Errektionsprobleme, Beziehungsunfähigkeit, Lecktücher, Sexsucht.
Was dabei auffällt: Bis auf wenige Ausnahmen unterhalten sich bei beliebten Formaten wie „Sexvergnügen“, „Schnapsidee“, „Im Namen der Hose“, „Ladylike“, „Oh Baby“ oder „The Real World“ zwei Frauen über ihr Liebesleben. Selten sind es wie bei „Beste Freundinnen“ zwei Männer. In den allerseltensten Fällen, wie bei „Eine Stunde was mit Liebe“ auf Deutschlandfunk Nova, ist es ein gemischtes Doppel aus Mann und Frau.
Warum ist das so? Kostet es uns bei aller Freizügigkeit immer noch so viel Überwindung, mit dem anderen Geschlecht über die jeweils eigenen Vorlieben im Bett und in der Liebe zu plaudern? Oder fällt es andersherum einfach wesentlich leichter, wenn Kumpels und Freundinnen unter sich bleiben? Würden also gemischgeschlechtliche Sex-Podcasts viel gehemmter daherkommen? Und deshalb viel langweiliger sein?
Wenn Anna Zimt und ihre Freundin Paula in ihrem Podcast „Schnapsidee“ über Pannen und Highlights aus ihrem Liebesleben sprechen, hat man als Hörerin das Gefühl, mit am Cafétisch zu sitzen und könnte swie eine Freundin jederzeit in das Geplauder einsteigen. Für einen Hetero-Mann muss sich dieser Podcast wie das anhören, was er sich vielleicht heimlich wünscht: Einmal belauschen, was Frauen wirklich über vorgetäuschte Orgasmen, Spanking oder die Größe ihres Penis denken. Im Beisein eines Mannes würde wohl nicht diese Freundinnendynamik entstehen, die solche offenen und ehrlichen Gespräche möglich macht.
Tatsächlich ist „Schnapsidee“, wie viele andere Sexpodcasts, aus einer echten Freundschaft entstanden. „Paula und ich reden schon seit Jahren über alles und jeden Unsinn“, sagt die Gründerin Anna Zimt. Es koste Mut, ehrlich und offen über das eigene Sexleben zu sprechen. „Wir dachten, es bringt andere zum Lachen und fördert das Selbstverständnis, offen und leicht über Sex zu sprechen. Und wir hatten einfach hart Bock drauf!“
Die „Freundinnendynamik“ ist ein Erfolgsrezept
Genau das scheint das Erfolgsrezept der meistgehörten Sex-Podcasts zu sein: Die Vertrautheit von Kumpels oder Freundinnen, plus ihre innigsten Wünsche und schmutzigsten Geheimnisse, plus eine Plauderatmosphäre, die das alles sagbar macht.
Sie spiegeln also eine Situation, die die meisten Hörerinnen und Hörer aus ihrem eigenen Leben kennen. Aber wäre dann ein gemischter Podcast mit unterschiedlichen sexuellen Präferenzen nicht gerade gut, um gewohnte Muster aufzubrechen und andere Perspektiven kennenzulernen? Da könnte man direkt nachfragen, wenn man etwas nicht versteht oder genauer wissen will, statt sich in ähnlichen Erfahrungen immer wieder zu bestätigen. Statt alte Muster von Stammtischen und Mädelsabenden zu reproduzieren, wäre es doch mutig, mit denjenigen über Sex zu sprechen, mit denen man ihn potenziell haben könnte – und so könnten wir alle vielleicht auch etwas über Kommunikation in der eigenen (wenn heterosexuellen) Beziehung lernen.
Im englischsprachigen Raum gibt es das tatsächlich viel häufiger. Zumindest sprechen in den zehn beliebtesten Sex-Podcast entweder Frauen und Männer solo oder eben gemeinsam über Sex. Intimität muss hier nicht über Gleichgeschlechtlichkeit hergestellt werden. Sind wir da vielleicht ein bisschen hintendran, in der deutschsprachigen Podcast-Szene?
Männer hätten ein verklärtes Bild von weiblicher Sexualität, sagt die Frauenärztin
Vielleicht, vor allem aber in der Realität, sagt die Frauenärztin Dr. Sheila de Liz, die auch regelmäßig für wissenschaftliche Fragen im Podcast „Oh Baby“ aushilft. „Viele Frauen sprechen erst mal mit ihrer Frauenärztin oder mit Freundinnen über sexuelle Dinge, aus Angst, die Beziehung zu belasten, wenn es beispielsweise eh schon Probleme gibt“, sagt sie. Und dann gäbe es auch noch einen spezifischen Erfahrungshorizont, bei dem Männer einfach nicht mitreden könnten. „Wie es sich anfühlt, einen zu trockenen Tampon zu benutzen zum Beispiel, das können Männer nie wissen. Umgekehrt gibt es sicher genauso viele Erfahrungslücken“, glaubt sie. Oft hätten Männer auch ein verklärtes Bild der weiblichen Sexualität und da wären Podcasts, bei denen Frauen unter sich bleiben und Männer zuhören können, ein gutes Mittel, mit Vorurteilen zu brechen.
Auffällig ist auch, dass es vielmehr Sendungen gibt, in denen Frauen miteinander über Sex reden als Männer – und da kommt vielleicht der wahre Vorteil der Geschlechtertrennung zum Vorschein: In einer Welt, in der Sex oft mit dem Orgasmus des Mannes endet und feministische Pornos noch eher Rarität als Mainstream sind, rechnen diese Podcasts von Frauen mit einer zumeist sehr männlichen Perspektive auf Sexualität ab. Und das würde wohl nicht so locker rüberkommen, wenn da noch ein Mann dabei wäre. Gleiches gilt für Jungs-Podcasts, wo Kumpels wie Max und Jakob von „Beste Freundinnen“ sich gegenseitig ihre Schwächen und Fehltritte gestehen.
Denn es gibt nun mal Themen wie Selbstbefriedigung oder Verhütungsmethoden, bei denen Männer und Frauen sicherlich unterschiedliche Erfahrungshorizonte haben. „Wenn ich mit Paula darüber spreche, wie ein Mann mich total engagiert an der völlig falschen Stelle oral befriedigen möchte, dann kennt sie das ziemlich sicher“, meint auch Anna von „Schnapsidee“. „Die Vagina verbindet.“
Aber wäre es nicht gerade bei solchen Themen spannend, mal beide Perspektiven zusammenzubringen und so offen und ehrlich über Sex zu sprechen, wie wir es scheinbar sonst nur „unter uns“ tun? Tatsächlich fehle in ihrem Podcast manchmal die männliche Perspektive, meint Anna. Deshalb plant sie mit Paula gerade eine Sondersendung, zu der Männer eingeladen werden sollen. Ein Doppel-Sex-Podcast sozusagen. Da wollen die Freundinnen dann mit ihren männlichen Gästen über Liebe, Sex und Zärtlichkeit sprechen.