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#MeToo aus der Täterperspektive

Fotos: pexels, Bearbeitung: Daniela Rudolf

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Als ich die Grenze zwischen Kompliment und Belästigung überschritt, war es vielleicht sechs oder sieben Uhr morgens. Die Sonne war gerade aufgegangen, wir hatten die ganze Nacht durchgefeiert, getrunken und gekifft. Nun standen wir draußen auf der Straße und warteten gemeinsam auf ein Taxi.  

Hatte es da vorher ein Gefühl zwischen uns gegeben? Irgendeine Spannung? Ich glaube nicht. 

Heute, vier Jahre später, kann ich nicht mehr genau sagen: Habe ich ihr damals, wie wir da so standen, im ersten Licht eines Tages, und auf ein Taxi warteten, „nur“ sehr explizit auf den Hintern gestarrt? Habe ich ihr einfach zu häufig gesagt, wie umwerfend sie aussieht? Oder habe ich sie begrapscht? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihr damals auf den Hintern geklatscht habe.

Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin. Nur, dass ich alleine nach Hause gekommen bin. Als ich ein paar Stunden später aufgewacht bin, brach die Szene wieder in mein Bewusstsein. Ich schämte mich für meine bescheuerte Anmache, für das peinliche Zeug, das ich gelabert hatte. Ich griff zum Handy, schrieb ihr eine Nachricht und entschuldigte mich. Sie antwortete, dass ich da wohl tatsächlich etwas die Kontrolle verloren hätte, aber es sei ja nichts passiert.

Natürlich bin ich nicht der Erste, der im Rausch über die Grenze zwischen Kompliment und Belästigung getorkelt ist. Und natürlich: Die Typen, die eine Frau betrunken im Club angrapschen, sind keine Schwerverbrecher. Stattdessen sind es Typen wie viele von uns: BWL-Studenten, Skilehrer, angehende Juristen. Typen aus unserem Fußballverein, Freunde und Kollegen.

War doch nur ein Klaps

Seit über den Hashtag #MeToo diskutiert wird, liest man, dass Männer das Thema sexuelle Belästigung untereinander kaum thematisieren. Vielleicht sprechen sie auch einfach nicht darüber, weil sie merken, dass sie selbst nicht ganz unschuldig sind. Weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Oder weil sie sich hinter Scheinargumenten verkriechen: war doch nur ein Klaps, irgendwie wollte sie das doch auch, sowas in der Art.

Über die Jahre ist diese Straßenszene immer wieder vor meinem inneren Auge aufgetaucht. Irgendwie hatte ich mich daran gewöhnt, jedes Mal diese brennende Scham zu spüren. Dieses flaue Gefühl, wie wenn man mit dem Flugzeug in ein Luftloch fällt. Nur ganz kurz, aber es war da.

Seit die ersten #MeToo-Posts im Netz aufgetaucht sind, hat mir die Erinnerung aber keine Ruhe mehr gelassen. Überall diese Erinnerung, alle paar Klicks.

Sie hatte die Geschichte völlig vergessen

Dann habe ich den Hashtag auch bei der Frau von damals gesehen. Es ist nicht so, als hätte das irgendetwas verändert, seit Tagen hatte ich den Abend ununterbrochen im Kopf. Trotzdem: In dem Moment gab es keine andere Option, ich musste ihr eine Nachricht schreiben. 

Also habe ich mich in ein Café gesetzt, eine lange Mail aufgesetzt, immer wieder umformuliert und ihr dann am Ende doch nur diese Zeilen geschickt: „Hey, hab deinen Post gesehen und wollte nur sagen, dass es mir leid tut, wenn ich daran einen Teil mitverantworte.“

Sie hat mir geantwortet, dass sie die Geschichte völlig vergessen hatte. Dass es schon okay gewesen sei. Keine prägende Szene anscheinend.

Irgendwie war ich natürlich erleichtert. Zu wissen, dass ich mich zwar echt dämlich verhalten, aber keinen bleibenden Schaden angerichtet habe. Gleichzeitig hat es mich betroffen gemacht, dass solche Übergriffe so sehr zum Alltag von Frauen zu gehören scheinen, dass sie kaum in Erinnerung bleiben.

Am Ende bleibt das unangenehme Gefühl: Typen wie ich sind zwar vielleicht nicht die Hauptschadensverursacher. Aber wir sind die, die für den größten Teil der Übergriffe verantwortlich sind.

*Der Autor bat darum, den Text anonym veröffentlichen zu dürfen. Sein Name ist der Redaktion bekannt.

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