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Magazin normalisiert queeren Sex
Pornoheft? Infobroschüre? Fotoprojekt? Kurzgeschichtensammlung? „QUEER SEX – whatever the fuck you want!“ ist alles in einem – und füllt damit eine Lücke. Auf 160 Seiten unterhält die Publikation, erregt, informiert, inspiriert vielleicht. Es gibt darin Tipps zur Verwendung von Gleitgel, Sexgeschichten aus Zeiten, in denen man noch in den Club gehen konnte, um jemanden kennenzulernen, Illustrationen und erotische Fotos auf Hochglanzpapier, die mit herkömmlichen Porno-Bildern aber wenig zu tun haben: Zu sehen sind normale Menschen, ganz ohne Photoshop und Silikon. Und all diese Menschen sind Bekannte und Freund*innen der Macher*innen des Hefts.
Hinter der Publikation steckt ein Kollektiv verschiedener queerer Menschen aus der Schweiz. Mitherausgeber Florian Vock engagiert sich schon viele Jahre in der Szene, unter anderem als Programmleiter bei der Aids-Hilfe Schweiz, als Vorstandsmitglied von Pink Cross und Organisator des „lila. queer festival“. „Wir wollten etwas für die queeren Menschen machen, die wir kennen“, sagt er im Skype-Interview mit jetzt. „Es fehlt eine popkulturelle, sexpositive und ehrliche Thematisierung von Sexualität für junge queere Menschen. Sonst gibt es nur pädagogische Informationen, zum Beispiel von der Aidshilfe, die sollen vor allem informieren. Das ist wichtig und muss nicht sexy sein.“ Und dann seien da noch Popkultur und Pornowelt: „Das ist normiert, das muss kommerziell funktionieren, das ist hypersexualisiert – und entspricht nicht der Realität.“
Im Magazin sind keine Hochglanz-Körper zu sehen – sondern ganz normale Menschen.
Es gehe um Gefühle, Begehren, Lüste, Berührung
Der normale Sex aber liege irgenwo dazwischen, und dieser sollte abgebildet werden – ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, betont Florian. Er und seine Mitstreiter*innen kennen sich schon lange, an der Publikation arbeiten sie schon fast drei Jahre. Das Kollektiv will Lust auf Sex machen und jungen Menschen die Angst davor nehmen. Gerade dadurch, dass auch schwierige und komplizierte Punkte angesprochen werden.
Das Magazin hätten sich die Macher*innen selbst als Jugendliche gewünscht.
Gemacht ist das Heft für junge Menschen, aber am Ende, meint Florian, „unterschätzen wir alle, wie wenig wir wissen, wie wenig wir miteinander sprechen, obwohl wir ja angeblich so aufgeschlossen sind.“ Es gehe um Gefühle, Begehren, Lüste, Berührung – „und ich glaube nicht, dass man da je zu alt dafür ist“, sagt Florian. Selbst Ernst Ostertag, der bekannteste Schwulenaktivist der Schweiz und 90 Jahre alt, habe sich das Heft sehr gern angeschaut, als es ihm zugeschickt wurde. Seit Anfang Dezember ist das Heft erhältlich, bisher wurden 1000 Stück verkauft. Eigentlich war geplant, es auf Festivals und Partys zu verteilen – wegen der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen wird das wohl noch eine Weile dauern. Solange kann man es online erwerben.
„Es geht uns um den Dialog über die Normalität queerer Sexualität. Es gibt sie ja, diese Normalität. Aber die muss sich jeder Teenager selbst erarbeiten. Es gibt Dinge, die erfährt man dabei dann erst Mitte zwanzig oder noch viel später! Sie aber früher zu wissen, würde vieles entspannter und auch geiler machen“, sagt Florian. Zentral sei auch, den sicheren Gebrauch von Drogen und Safer Sex zu thematisieren und darüber zu sprechen, wie essenziell gegenseitiges Einvernehmen ist, wenn es um Flirten und Sex geht. Dem Kollektiv ist vor allem eine Sache wichtig, sagt Florian: „Wir wollten etwas machen, das besser ist als das, was wir hatten. Das war unsere Motivation.“