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Jungs, würdet ihr die Pille nehmen?

Foto: Simone van der Koelen / unsplash; Bearbeitung: jetzt

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Liebe Jungs,

eigentlich arbeiten wir seit Jahren gemeinsam daran, die alte Rollenverteilung zu durchbrechen: Ihr wascht, bügelt und habt euch daran gewöhnt, wenn wir im Büro euer Boss sind. Die meisten von euch finden das gut so. Ihr habt weitgehend verstanden, dass Mann und Frau gleichberechtigt und gleichverpflichtet sein sollten. Aber in einem Punkt sind wir offensichtlich stecken geblieben: bei der Verhütung.

Für die, liebe Jungs, fühlt ihr euch anscheinend so gar nicht zuständig. Das Höchste, zu dem ihr euch überwinden könnt, ist, ab und an ein Kondom überzuziehen und vielleicht (, aber wirklich nur vielleicht) was zu den Kosten für unsere Pille beizusteuern. Die schmeißen wir uns schließlich seit Jahren ein, damit wir – also ihr und wir – nicht ungewollt schwanger werden.

Ganz schön nett von uns. Vielleicht ein bisschen zu nett. Denn wir nehmen damit alleine die Bürde der Nebenwirkungen auf uns: Stimmungsschwankungen, Migräne, Gewichtszunahme, Depression, weniger Libido. Um nur einige zu nennen.

Was tut ihr eigentlich für die Verhütung?

 

Nachdem wir ein paar Artikel von Frauen gelesen haben, die die Pille abgesetzt haben und jetzt ohne Nebenwirkungen ein besseres Leben führen, wollen wir deshalb irgendwie auch nicht mehr. Viele von uns gucken sich nach Alternativen um: Spirale, Ring, Dreimonatsspritze, Diaphragma, Temperatur messen. Bei der einsamen, anstrengenden Suche fällt uns umso mehr auf, was an ihr so unfair ist: Was tut ihr eigentlich für die Verhütung?

Wenn ihr ganz ehrlich seid, lasst ihr doch auch gerne mal Kondome weg, sobald wir damit einverstanden sind. „Sie nimmt ja die Pille“, beruhigt ihr euch. Und jede andere Form der Verhütung ist eben auch uns überlassen. „Klar“, sagt ihr, „es gibt ja auch mehr Angebote für Frauen.“ Dass ihr damit recht habt, liegt vermutlich daran, dass wir uns in den vergangenen 57 Jahren als blöd genug erwiesen haben, die Verantwortung für die Verhütung beinahe vollständig zu übernehmen. Damit soll jetzt Schluss sein.

Das Angebot für männliche Verhütung wird breiter

Denn eigentlich haben Wissenschaftler auch für euch schon Mittel erfunden, die effektiv verhüten. Das Vasalgel beispielsweise, das in den Samenleiter injiziert wird. Es funktioniert wie ein Sieb, das zwar Flüssigkeiten, aber keine fruchtbaren Spermien vorbeilässt. Es sollte eigentlich schon 2002 auf den Markt kommen – wurde aber aufgrund fehlenden Interesses und Investments der Pharmaindustrie nicht zu Ende entwickelt. Auch 2017 wurde spekuliert, dass Männer nicht an der Verhütungsmethode interessiert seien.

Trotzdem soll es Ende dieses Jahres einen neuen Versuch geben und das Vasalgel endlich auf den Markt kommen. Die „Spritze für den Mann“ schaffte es dagegen nicht mal durch die Testphase, obwohl sie funktionierte – unzumutbar seien die vielen Nebenwirkungen gewesen. Nebenwirkungen, die man Frauen währenddessen längst zumutet.

In fünf bis zehn Jahren soll sich diese traurige Bilanz allerdings ändern: eine Pille für den Mann soll tatsächlich auf den Markt kommen. Und sie soll sogar hormon- und nebenwirkungsfrei sein! Ihr seht: Das Angebot für die männliche Verhütung erweitert sich. Was natürlich nichts, aber auch rein gar nichts bringt, wenn ihr kein Interesse daran habt.

Deshalb wollen wir erstmal rein hypothetisch von euch wissen: Würdet ihr die Pille überhaupt nehmen, wenn ihr könntet? Eine, die man ähnlich einnehmen müsste und die ähnlich wirken würde wie unsere. Was würdet ihr euch davon versprechen? Wollt ihr vielleicht auch endlich selbst sicherstellen können, dass beim Verhüten alles richtig gemacht wird? Passt das Pillenehmen, nachdem es so lange Frauensache war, überhaupt mit eurem Verständnis von Männlichkeit zusammen?

Oder gäbe es da ganz andere Gründe, die euch abschrecken? Nebenwirkungen, die ihr nicht aushalten könntet zum Beispiel. Welche wären das? Eher solche, die euch körperlich belasten, wie beispielsweise Kopfschmerzen oder Gewichtszunahme? Oder eher welche, die eure Persönlichkeit beeinflussen wie Stimmungsschwankungen oder gesteigerte Aggressivität (sie kam bei der Studie zu der Spritze für den Mann vor)? Wäre vielleicht sogar das größte Problem, dass die Pille eure Sexualität beeinflussen könnte? Dass ihr die Lust auf Sex mit uns verlieren könntet oder euer Penis vielleicht nicht mehr ganz so steif würde?

Wovor hättet ihr am meisten Angst? Und: welche Belohnung müsste euch winken, damit ihr sie überwindet? Geht doch mal in euch,

Eure Mädchen

Die Jungsantwort: 

Jungs-Antwort

Liebe Mädchen,

so recht ihr mit eurer „Verhütung war euch bisher egal“-Einschätzung habt, ein bisschen verteidigen müssen wir uns schon: Während ihr vom ersten Frauenarztbesuch an mit dem Thema beackert werdet, bleibt es bei uns von medialer, ärztlicher und auch von eurer Seite vollkommen ruhig.

Dass die Frau dafür zu sorgen hat, nicht schwanger zu werden (ist ja schließlich ihr Körper, ne) ist eine dämliche, viel zu selten hinterfragte Pseudo-Logik. Aber, ohne euch jetzt die Verantwortung für unsere fehlende Sensibilität in die Schuhe schieben zu wollen: Bisher kommen wir eben ziemlich gut damit durch.

Natürlich könnte und sollte man auch selbst mal auf den Gedanken kommen, dass nicht unbedingt ihr allein Depressionen, Hormonchaos und Unlust zu ertragen habt – aber wie du ja selbst sagst, kann man selbst dann bisher einigermaßen gut auf das Nichtvorhandensein von Alternativen auf der männlichen Seite verweisen, von Kondomen mal abgesehen.  

Dass für derlei Dinge von unserer Seite kein Interesse bestünde, ist Quatsch

Aber gut, in eurer Frage soll es ja eher um eine Zukunft mit etwas wie einer echten Männer-Pille gehen. Und hier müssen wir mal mit einem gängigen Vorurteil aufräumen: Dass für derlei Dinge von unserer Seite kein Interesse bestünde, ist Quatsch. Behaupten wir jetzt mal, hier noch ein kleiner Beweis dazu: Die Geschichte, dass die Studie zur „Spritze für den Mann“ wegen einem Haufen über Nebenwirkungen klagender Heulsusenmänner abgebrochen wurde, ist nämlich höchstens die halbe Wahrheit.

Es brachen nämlich nur rund 20 Männer den Versuch selbst ab. Die Studie wurde aber von einem zur Kontrolle des Testverlauf eingesetzten “Sicherheitskomitee” beendet, das die Nebenwirkungen für unzumutbar hielt. Die meisten Studien-Teilnehmer allerdings waren ziemlich angetan von der Spritze: Nach dem Versuch wollten drei Viertel der Teilnehmer die Verhütungsmethode weiter anwenden, trotz der Nebenwirkungen. Tadaaa!

Eine Art Wechselmodell: Ein Jahr wir, ein Jahr ihr, wäre das was?

Klar haben auch wir keinen Bock auf Migräne, schlaffe Glieder und den ganzen Kram. Aber hier müsste man dann eben konsequent sein und den Mist ertragen, genau wie ihr das bisher auch tut. Vielleicht könnte man einen fairen Deal mit seiner Freundin finden – eine Art Wechselmodell: Ein Jahr wir, ein Jahr ihr, wäre das was?

Ob eine solche On-Off-Methode dem Körper besonders gut tut, vermag ich jetzt nicht zu beurteilen. Aber die Bereitschaft von einer großen Anzahl an Männern wäre tatsächlich vorhanden. Ich glaube sogar, dass diese “Die-nimmt-schon-irgendwas-wird-schon-schiefgehen”-Unsicherheit bzw. Dämlichkeit vielen wirklich unangenehm ist. Dass eine Möglichkeit, sich selbst per Pille die Sicherheit zu verschaffen, eine absolut verlockende Sache wäre, die auch Nebenwirkungen erträglich machen könnte.

Aber um die Nebenwirkungen soll es hier letzten Endes auch nicht mal gehen, ihr sprecht ja von einer in naher Zukunft entwickelten Pille ohne jeglichen Hormonterror. Und da muss man tatsächlich sagen: Was zur Hölle sollte da noch dagegen sprechen? Her damit, und zwar am besten gestern! Wohin muss ich mein Geld schicken?

Eure Jungs

Was die Mädchen noch von den Jungs wissen wollten: 

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