Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

„Ich finde in Deutschland einfach keine Freundin“

Adam dachte immer, dass er seine syrische Freundin einmal heiraten würde. Doch nach seiner Flucht kam alles anders.
Illustration: jetzt

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Potente Machos und prüde Jungfrauen. Über arabische Männer und Frauen gibt es viele Vorurteile. In der Kolumne „Sex auf Arabisch“ reden sie über Geschlechterrollen, Liebe und Sex – und ihr Verhältnis zu Deutschland.

Adam*, 36, kommt aus der syrischen Stadt Duma in der Nähe von Damaskus. Als 2011 der Syrien-Krieg ausbrach, wurde Duma mehrere Jahre lang von islamistischen Rebellen kontrolliert. Adam lebte zu dieser Zeit in Damaskus, das seit 2012 unter der Kontrolle von Präsident Assad ist. Wie Zeug*innen und Menschenrechtsorganisationen berichten, verfolgt Assad politische Gegner und Oppositionelle. Viele von ihnen werden inhaftiert, gefoltert oder umgebracht. Um dieser Verfolgung zu entgehen, ist Adam 2014 nach Deutschland geflohen. Dabei musste er nicht nur seine Heimat, sondern auch eine langjährige Beziehung hinter sich lassen. Er erzählt, was er seitdem als Single in Deutschland erlebt:

„Ich finde in Deutschland einfach keine Freundin. Dabei bin ich ein geselliger Mensch. Ich habe Tanzkurse besucht und bin vor der Corona-Pandemie gerne in Clubs zum Salsa tanzen gegangen. Beim Tanzen habe ich immer wieder Signale von Frauen bekommen, die interessiert an mir waren. Ich habe an ihren Blicken gesehen, dass sie mich kennenlernen wollen. Das könnte daran liegen, dass ich ein bisschen aussehe wie ein Latino. Wenn ich dann aber erzählt habe, woher ich wirklich komme, war das Gespräch in der Regel schnell wieder vorbei. An einem Araber haben die meisten Frauen in Deutschland meiner Erfahrung nach kein Interesse.

Bevor ich nach Deutschland geflohen bin, habe ich in einer kleinen Stadt in der Nähe von Damaskus gelebt. Dort habe ich mit 25 Jahren meine syrische Ex-Freundin kennengelernt, mit der ich sieben Jahre lang zusammen war. Wir haben uns geliebt und uns in den ersten vier Jahren fast jeden Tag gesehen. Ich wusste, dass ich sie eines Tages heiraten will. Doch dann begann 2011 der Krieg in Syrien und sie zog ein Jahr später zum Arbeiten nach Ägypten. Kurz darauf wurde das ägyptische Visum für Syrer so teuer, dass ich sie nicht mehr besuchen konnte. Wir konnten uns nicht mehr sehen.

Als der Krieg begann, wusste ich nicht, wie schlimm er für uns alle werden würde. Meine Familie kommt aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Damaskus, die lange von oppositionellen Rebellengruppen regiert wurde. 2012 kam mein Bruder im von Präsident Assad regierten Damaskus ins Gefängnis, obwohl er nicht besonders politisch aktiv war. Er kam einfach aus der falschen Stadt. Ich hatte Angst, auch verhaftet zu werden. Irgendwann gab mir ein Bekannter, der für die Regierung arbeitete, den Tipp, sofort abzuhauen. Nach Ägypten, wo meine Freundin lebte, konnte ich nicht, weil es inzwischen zu schwierig geworden war, ein Visum zu kommen. Also floh ich 2014 in die Türkei. Meine Familie habe ich bis heute nicht wieder gesehen. Wir vermuten, dass mein Bruder im Gefängnis ermordet wurde. Endgültig an seinen Tod glaube ich allerdings erst, wenn ich auch seine Leiche gesehen habe. Bis dahin habe ich noch die Hoffnung, dass er lebt.

„In den letzten Jahren hatte ich nur Affären“

Von der Türkei bin ich mit dem Boot nach Griechenland, dann mit dem Flieger nach Italien und schließlich mit dem Zug nach Hamburg geflohen. Meine Flucht nach Deutschland dauerte insgesamt drei Monate. Ich saß in der griechischen Hafenstadt Patra wegen gefälschter Papiere drei Tage lang im Gefängnis und habe auf der Bootsüberfahrt nach Griechenland mein Leben riskiert. Als ich in Deutschland ankam, musste ich in einer Flüchtlingsunterkunft in Schleswig-Holstein neun Monate lang auf mein Asyl warten. Das war eine schwere Zeit. Ich konnte nichts tun und wartete darauf, dass mein neues Leben beginnt. Ich fühlte mich wie ein Kind, das alles neu lernen muss: eine neue Sprache und das Leben in einem neuen Land.

Im Flüchtlingslager habe ich oft an meine Freundin gedacht. Ich wollte sie heiraten, damit sie zu mir nach Deutschland kommen kann. Auch deshalb wartete ich so ungeduldig darauf, Asyl zu bekommen. Als ich mit meiner Freundin telefonierte, sagte ich ihr, dass meine Eltern vorhätten, ihre Familie zu besuchen. Vor der Hochzeit ist es in Syrien Tradition, dass die Familie des zukünftigen Ehemanns die Familie der Ehefrau besucht. Doch sie sagte nur: ‚Nein, das will ich nicht.‘ Ich blieb still und fragte nicht nach dem Grund. Für mich war in diesem Moment klar: Es ist Schluss.

Ich bin inzwischen seit sieben Jahren von meiner Ex-Freundin getrennt. Ich glaube, dass unsere Beziehung damals zerbrochen ist, weil wir uns zwei Jahre lang nicht sehen konnten. Ich kann mir vorstellen, dass in dieser Zeit ihre Gefühle für mich verloren gegangen sind. Als ich nach neun Monaten endlich Asyl erhielt, habe einen Sprachkurs besucht und bin zum Studieren in eine hessische Stadt gezogen. Hier finde ich es viel schwerer als in Syrien, eine Freundin zu finden. Ich habe mich zwar ein paar Mal verliebt, aber eine Liebesbeziehung ist daraus nie entstanden. In den letzten Jahren hatte ich nur ein paar Affären.

„Oft denke ich, dass es für mich mit einer syrischen Frau einfacher wäre

Mir ist aufgefallen, dass es in Deutschland oft komplizierter als in Syrien ist, eine Beziehung einzugehen. Ich kenne viele Paare, die sich zwar regelmäßig sehen, aber trotzdem keine offizielle Beziehung miteinander führen. Sie sind zwar irgendwie zusammen, reden aber trotzdem nicht über eine gemeinsame Zukunft. Das kannte ich aus Syrien nicht und war für mich lange unverständlich. Oft denke ich, dass es für mich mit einer syrischen Frau einfacher wäre. Aber in der Stadt, in der ich wohne, leben nur wenige Frauen aus Syrien. Und so versuche ich, mich an die Kultur hier anzupassen.

Das ist nicht einfach. Auch weil ich das Gefühl habe, dass ich unglaublich viel Arbeit reinstecken muss, um eine Frau zu überzeugen, dass wir zusammenpassen. Ich habe immer Angst, dass sich die Frau aufgrund der kulturellen Unterschiede oder meines muslimischen Glaubens keine langfristige Beziehung mit mir vorstellen kann. Oft erlebe ich auch Alltagsrassismus, zum Beispiel wenn sich eine Frau im Club von mir wegdreht, wenn ich ihr sage, dass ich aus Syrien bin. 

Ich bin mir sicher, dass viele Frauen das tun, ohne dass ihnen bewusst ist, dass sie sich in diesem Moment rassistisch verhalten. Wenn man sie fragen würde, ob sie Vorurteile gegenüber Arabern haben, würden sie das mit Sicherheit verneinen. Ihre Ablehnung geschieht unbewusst. Ich habe lange darunter gelitten, keine Freundin zu finden. Aber inzwischen sehe ich mein Leben als Single glücklicherweise entspannt. Ich bin einfach gespannt, was die Zukunft so bringt.“

*Adam heißt eigentlich anders. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

  • teilen
  • schließen