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Sex auf Arabisch: Sex vor der Ehe ist eine Sünde
Potente Machos und prüde Jungfrauen. Über arabische Männer und Frauen gibt es viele Vorurteile. In der Kolumne „Sex auf arabisch“ reden sie über Geschlechterrollen, Liebe und Sex – und ihr Verhältnis zu Deutschland.
Dario (Name geändert) ist Libanese und maronitischer Christ. Im Libanon leben Schätzungen zufolge ungefähr 40 Prozent Christ*innen und mehr als 50 Prozent Muslim*innen. Die maronitische Kirche ist die größte christliche Gemeinde im Land und eine katholische Ostkirche, die den Papst als Oberhaupt anerkennt. Als gläubiger Christ möchte Dario erst mit einer Frau schlafen, wenn er verheiratet ist. An seiner Haltung änderte sich auch nach seinem Umzug nach Nordrhein-Westfalen nichts.
„Vor einem Jahr dachte ich, ich bin ein Loser, weil ich mit 18 Jahren noch keinen Sex hatte. Als Jugendlicher war ich besessen von der Idee, so bald wie möglich meine Jungfräulichkeit zu verlieren. Jetzt bin ich mit 19 Jahren immer noch Jungfrau – und froh darüber. Denn in der Zwischenzeit bin ich gläubiger und erwachsener geworden und versuche, Frauen nicht mehr als Sexobjekt zu sehen. Ich möchte erst mit einer Frau schlafen, wenn ich mit ihr verheiratet bin. Denn Sex außerhalb der Ehe ist für mich eine Sünde.
Meine Eltern verurteilen mich für meinen Glauben
Ich bin in einer agnostischen Familie aufgewachsen. Anders als meine Eltern habe ich immer daran geglaubt, dass es einen Gott geben muss, wahrscheinlich auch, weil mir das in meiner christlichen Schule beigebracht wurde. Meine Eltern verurteilen mich für meinen Glauben. Sie sind der Meinung, dass ich mich zu viel mit religiösen Fragen beschäftige. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Zufall oder eine Explosion von Materie die Erklärung für die Entstehung von Leben ist. Das muss das Werk eines Schöpfers sein.
Die meisten meiner männlichen Freunde haben ihre Jungfräulichkeit mit 17 oder 18 Jahren verloren. Ich dagegen habe noch nie ein Mädchen geküsst, obwohl ich mich als Teenager jeden Monat neu verliebt habe. Einmal wurde ich auf einer Party von einer jungen Frau angesprochen. Sie kam mir ganz nahe. Es war klar, was sie wollte. Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte und lief rot an. Dann stahl ich mich davon. Ich habe dieser Chance wochenlang nachgetrauert.
Heute bin ich froh, dass ich damals so schüchtern war. Denn ich bin religiöser geworden. Aus diesem Grund möchte ich auf meinen ersten Sex bis zur Ehe warten. Das ist zumindest aus religiöser Perspektive das Richtige. Anders als viele meiner Freunde glaube ich an die Ehe und daran, dass sie der einzige Ort ist, an dem man Sex haben sollte. Mir ist es wichtig, eine Frau erstmal kennenzulernen. Wenn ich weiß, dass sie die Richtige ist, möchte ich auch mit ihr schlafen – nach unserer Hochzeit.
Ich habe jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Porno schaue
Manchmal versuche ich, mir vorzustellen, wie das ist: Sex. Die Bilder, die dann in meinem Kopf herumschwirren, stammen vor allem aus Pornos. Ich weiß, dass Pornos Sex nicht zeigen, wie er wirklich ist. Nämlich als etwas Besonderes. Masturbieren ist falsch, zumindest aus religiöser Sicht. Besonders, wenn man dabei einen Porno schaut: Denn beim Pornoschauen befriedigt man seine Lust an einer Sache, die als intimer Moment zwischen zwei Ehepartnern erschaffen wurde. Trotzdem tue ich es. Wenn ich gekommen bin, habe ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen. Ich stelle mir manchmal die Frage, ob ich nach meinem ersten Sex dasselbe schlechte Gefühl haben werde. Das hängt wohl auch davon ab, ob der Sex vor oder in der Ehe stattfinden wird.
Ich glaube, dass Frauen in der Ehe eine andere Rolle erfüllen als Männer. Sie sind zum Beispiel besser darin, Kinder großzuziehen. Das heißt nicht, dass diese Rollen nicht vertauscht werden können. Aber ich bezweifle, dass das besser für die Ehe und die Kindererziehung wäre. Es gibt radikale Feministinnen und Feministen, die behaupten, dass Frauen keine Männer brauchen. Ich finde das falsch: Frauen brauchen Männer und Männer Frauen. Wir wurden erschaffen, um gleichberechtigt zusammenzuleben.
Vor einem Jahr bin ich zum Studieren in eine mittelgroße Stadt in Nordrhein-Westfalen gezogen. Die Menschen hier denken anders als im Libanon. In Deutschland sind Traditionen nicht so wichtig, es gibt mehr Atheisten. Ich glaube, das liegt auch daran, dass die Leute hier wenig über Religion wissen. Es kann gut sein, dass die Kultur in Deutschland mich beeinflussen wird und ich irgendwann anders über Religion oder Sex nachdenken werde. Vielleicht werde ich irgendwann sogar selbst ein Feminist sein.
Vor zwei Monaten habe ich eine Bekannte eines Freundes kennengelernt. Sie wohnt in Kanada. Wir haben angefangen, uns über den Video-Chat miteinander zu unterhalten. Nach ein paar Gesprächen haben wir entschieden, dass wir Freunde bleiben wollen. Ich denke, das war eine weise Entscheidung. Wir wohnen schließlich nicht einmal am selben Ort. Trotzdem stelle ich mir immer wieder die Frage, wie ich mich verhalten würde, wenn ich vor der Ehe die Chance bekäme, Sex zu haben. Würde ich sie nutzen? Ich weiß nicht, ob ich stark genug wäre, der Versuchung zu widerstehen. Aber ich hoffe es.“