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Sex auf Arabisch: Ägypterin Dina steht auf Frauen
Potente Machos und prüde Jungfrauen. Über arabische Männer und Frauen gibt es viele Vorurteile. In der Kolumne „Sex auf Arabisch“ reden sie über Geschlechterrollen, Liebe und Sex – und ihr Verhältnis zu Deutschland. *Dina aus diesem Text heißt in Wirklichkeit anders. Ihr wahrer Name ist der Redaktion aber bekannt.
Mit achtzehn hatte ich mein erstes Mal mit einem Mann. Danach hat es mehr als ein Jahrzehnt gedauert, bis ich mit einer Frau geschlafen habe. Dabei fühlte ich mich schon immer zu Frauen hingezogen. Aber es kam mir einfach nicht in den Sinn, dass ich auf Frauen stehe. Ich dachte damals, allen Frauen geht es wie mir. Weil Frauen objektiv gesehen einfach unglaublich schön sind. Heute weiß ich, dass ich queer bin – und schlafe nur noch mit Frauen.
Ich bin in Kairo aufgewachsen und zur Schule gegagen, seit drei Jahren wohne ich in München. In Ägypten ist Sex ein mit Scham behaftetes Thema, besonders für Frauen. Sex soll nur in der Ehe stattfinden und nur zwischen Mann und Frau. Als Teenagerin traf ich mich zwar manchmal mit Jungs zum Eis essen, aber mehr als Händchenhalten ist da nicht passiert. In Ägypten heißt es oft: Wenn du dem Mann erlaubst, dir näher zu kommen, wird er dich nicht mehr respektieren. Nur wenn du ihn abweist, wird er dich als „gute“, sittsame Frau respektieren.
Mit siebzehn begegnete ich an der Uni endlich Menschen in Ägypten, die sich nicht an die gesellschaftlichen Normen hielten. Sie waren alternativ, aktivistisch und atheistisch. Viele von ihnen hatten Sex, auch vor der Ehe. Auch mein damaliger Freund wollte mit mir schlafen. Bei jedem Treffen drängte er mich, endlich mit ihm Sex zu haben. Obwohl auch ich mit ihm schlafen wollte, wehrte ich seine Versuche zunächst ab. Ich hatte Angst, dass sich nach meinem ersten Sex mein Leben für immer verändern würde. Dass es danach keinen Weg zurück mehr in mein altes Leben geben würde. Trotzdem gab ich irgendwann nach und wir schliefen miteinander. Heute bin ich prinzipiell froh über diese Entscheidung: Mein erstes Mal hat mich ein Stück weit von dem Druck befreit, gesellschaftlichen Erwartungen genügen zu müssen. Gleichzeitig sehe ich es heute sehr kritisch, dass er damals immer wieder versucht hat, mich zum Sex zu überreden.
„Damals dachte ich, jede Frau hat solche Träume, es sagt nur niemand etwas“
Nachdem ich mit meinem Ex-Freund Schluss gemacht hatte, ging ich in den folgenden zwölf Jahren mehrere längere Beziehungen mit Männern ein. Dabei hatte ich auch befriedigenden Sex. Und ich war zum ersten Mal in eine Frau verliebt. Sie war meine Arbeitskollegin. Damals wusste ich nicht, dass ich verliebt war, dabei war ich wie besessen von ihr. Einmal übernachtete sie bei mir und ich träumte vom Sex mit ihr. Ich bin komplett panisch aufgewacht und dachte nur: Habe ich vielleicht im Schlaf geredet? Ich habe ihr natürlich nichts gesagt. Damals dachte ich, jede Frau habe solche Träume, es sagt nur niemand etwas. Anders konnte ich mir nicht erklären, dass ich gleichzeitig auch auf Männer stand.
Dass es auch Frauen gibt, die andere Frauen nicht erotisch finden, habe ich erst mit 30 Jahren verstanden. Damals habe ich eine Freundin gefragt, ob sie auch so gerne etwas mit einer Frau anfangen würde. Als sie meine Frage verneinte, habe ich meinen anderen Freundinnen dieselbe Frage gestellt. Am Ende meiner kleinen Umfrage wusste ich, dass sie heterosexuell sind – und ich nicht.
Trotzdem habe ich danach erstmal nichts mit Frauen angefangen. Ich hatte die gleiche Sorge, die mich auch vor meinem ersten Mal mit meinem Ex-Freund plagte: Dass sich mein Leben für immer verändern würde, wenn ich diesen Schritt wagte. Ich wusste, dass ich nach meinem Outing Freund*innen verlieren würde. Dass ich in Ägypten sogar verhaftet werden könnte, wenn ich dort offen homosexuell leben würde. Ich kenne queere Menschen in Ägypten, die sich nur noch in einem kleinen Freundeskreis bewegen. Weil sie Angst haben, dass sie jemand an die Polizei verrät.
Als ich schließlich vor drei Jahren fürs Studium nach München gezogen bin, hat es immer noch ein Jahr gedauert, bis ich mein erstes Date mit einer Frau hatte. Auf Tinder und Bumble hatte ich zwar angegeben, dass ich an Frauen interessiert bin. Aber wenn ich eine Frau gematcht habe, warf ich das Handy vor Schreck erstmal im hohen Bogen weg. Als ich mich dann doch mit einer Frau verabredete, konnte ich in der Nacht zuvor nicht schlafen. Mein Herz pochte schnell und ich überlegte mir, was beim Date alles schief gehen könnte. Ich fragte mich, ob es eine Geheimsprache gibt, die nur lesbische Frauen kennen und mich mein Date deshalb als Eindringling enttarnen und mir zur Strafe Wasser ins Gesicht schütten würde. Eine Sekunde später war ich mir plötzlich sicher, dass ich auf dem Date merken würde, dass ich doch nicht auf Frauen stehe und nur noch weg wollen würde. Ich hatte Angst, dass ich einfach nur Aufmerksamkeit wollte. Das wird queeren Menschen oft genug vorgeworfen.
„All das, was Männer als Vorspiel abgetan haben, was auch ich beim Sex mit Männern als Vorspiel abgetan habe: Das ist jetzt der Sex“
Die Frau, die ich am nächsten Tag in einem Café traf, war dann zum Glück total nett zu mir. Als wir uns nach dem Date küssten, hatte ich das Gefühl, dass mir mein Herz aus der Brust springt. Nicht, weil ich verliebt in sie war. Sondern weil ich zum ersten Mal eine Frau küssen durfte. Und sie wusste nicht einmal, wie besonders dieser Moment für mich war.
Zum ersten Mal mit einer Frau geschlafen habe ich vor zwei Jahren, mit 32. Es war wunderschön – und ganz anders, als der Sex, den ich in den Jahren zuvor mit Männern gehabt hatte. Dieser endete oft mit dem Orgasmus des Mannes. Wenn ich davor gekommen war – schön. Wenn nicht, dann eben nicht. Die Befriedigung der Männer stand meistens im Fokus. Sex bedeutete Penetration. Seit ich mit Frauen schlafe, hat sich meine Vorstellung von Sex komplett geändert. All das, was Männer als Vorspiel abgetan haben, was auch ich beim Sex mit Männern als Vorspiel abgetan habe: Das ist jetzt der Sex. Und das ist Sex, der mich unglaublich befriedigt.
Momentan date ich nur noch Frauen. Die meisten meiner Freund*innen und zwei meiner Verwandten wissen das inzwischen auch und akzeptieren mich so, wie ich bin. Trotzdem glaube ich immer noch, dass ich auch auf Männer stehe. Ich finde nämlich nichts heißer als die Vorstellung, dass zwei Männer miteinander schlafen. Vor einem Jahr hat mich die Frage sehr beschäftigt, ob ich jetzt lesbisch oder bisexuell bin. Heute sehe ich das viel entspannter und bezeichne mich einfach als queer. Denn eines weiß ich mit Sicherheit: Dass ich nicht heterosexuell bin. Dafür liebe ich Frauen einfach zu sehr.