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Das Paradies im Kopf

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Foto: Constantin Der Film: Paradise Now Das lernen wir: Wir können es sehen, aber nie wirklich verstehen Es ist nur ein Film. Als Zuschauer von „Paradise Now“ vergisst man das manchmal und man sucht in den Gesichtern der Figuren, die ja doch nur die Gesichter von Schauspielern sind, nach Antworten auf Fragen, die mit der echten, grausamen Realität zu tun haben: „Warum machen Menschen das? Was bewegt sie dazu, Selbstmordattentäter zu werden?“ Aber die Gesichter der beiden Hauptfiguren Said (Kais Nashef) und Khaled (Ali Suliman) verraten es nicht. Said und Khaled leben im Westjordanland, sie arbeiten als Automechaniker und manchmal sitzen sie auf einem Hügel und rauchen Wasserpfeife, unter ihnen eine graue, staubige Stadt, Nabul. In der Ferne hört man eine Explosion, eine Bombe womöglich. Die beiden sind in Nabul aufgewachsen und in dieser Stadt werden sie ihr Leben verbringen. Als Said und Khaled erfahren, dass sie von der Befreiungsorganisation, der sie angehören, als Selbstmordattentäter ausgewählt wurden, scheint ihnen der Abschied aus diesem Leben zunächst nicht schwer zu fallen. „Lieber das Paradies im Kopf, als in dieser Hölle zu leben.“ sagt Said einmal und an einer anderen Stelle sagt Jamal (Amer Hlehel), der auch zur Terrororganisation gehört: „Wir sind die Schwächeren. Wenn wir das Recht des Stärkeren einfach so akzeptieren, sind wir nicht besser als Tiere.“ Und man glaubt es den beiden in diesen Momenten sogar. Der palästinensische Regisseur Hany Abu-Assad ist ganz nah bei den beiden Hauptfiguren und deren Schicksal, große politische Aussagen vermeidet er. So erfährt man nicht, wie die Organisation heißt, der Said und Khaled angehören und was sie mit ihrer Tat genau erreichen wollen. Vielleicht wollen sie auch gar nichts erreichen. Vielleicht wollen sie einfach raus aus dieser Hölle und die, die sie ihrer Ansicht nach in diese Hölle gebracht haben, wollen sie mitnehmen, zumindest ein paar davon. Und ins Paradies wollen sie, doch was das ist und wie es aussieht, davon haben die beiden keine genauen Vorstellungen. Zwei Engel werden sie abholen, erklärt ihnen Jamal und das scheint zu reichen. Der Versuch, über die Grenze nach Israel zu kommen geht schief und Said und Khaled, die Sprengstoffgürtel schon umgeschnallt, müssen zurück. Die Aktion wird aufgeschoben und die zwei Männer haben noch einmal Zeit, über ihr Vorhaben nachzudenken. Einmal nach dem gescheiterten ersten Versuch, sitzt Khaled bei Suha im Auto. Suha (Lubna Azabel) ist der Gegenentwurf zu Said und Khaled, sie ist reich und hat eine Zeit in Frankreich gelebt. Susha weiß, was die beiden Männer vorhaben und versucht, sie davon abzuhalten. Susha und Khaled werfen sich gegenseitig ihre Floskeln an den Kopf, Khaled sagt: „Ohne Kampf keine Freiheit“ und „Wer den Tod fürchtet, ist schon tot.“ Und Suha spricht von moralischer Überlegenheit, die Palästinenser gegenüber Israelis zeigen müssen, von den Unschuldigen, die sinnlos sterben und davon, dass eine Zukunft nur ohne Töten möglich ist. Wir kennen Suhas Argumente. Und natürlich hat sie Recht, wir wissen es, wenn wir im Kinosessel sitzen und sie reden hören. Aber in diesem Auto in Nabul wirken Suhas Argumente fehl am Platz. „Paradise Now“ zeigt eindringlich die traurige und ausweglose Situation zweier Palästinenser. Dass der einzige Ausweg aus dieser Situation ein Attentat sein soll, das hilft der Film nicht zu verstehen. Aber das wird kein Film jemals können.

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