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Wie christliche Influencer*innen auf Youtube Homophobie promoten und Pornos verteufeln
Darf eine gute Christin unverheiratet Sex haben? Pornos gucken? Yoga machen? Christfluencer*innen haben die Antwort. Sie leben streng bibeltreu – und nutzen die sozialen Medien, um ihre Ansichten mit der Welt zu teilen. Eine von ihnen ist Jennifer. Auf Youtube folgen ihrem Kanal „Jennifer K. C.“ mehr als 12 000 Menschen, ihre Videos dauern im Schnitt zehn Minuten, sie sind also gut zwischendurch konsumierbar. Die Clips beschäftigen sich mit Fragen wie: Komme ich in den Himmel? Was passiert nach dem Tod? Oder auch: Was darf man eigentlich anziehen? Frauen, findet Jennifer, sollten sich in der Öffentlichkeit bedecken: „Gott sagt, wie wir uns anzuziehen haben“, sagt sie. Das bedeute konkret: „Bitte nicht mit halbnacktem Arsch durch die Gegend wackeln“ – um Männer nicht in Versuchung zu führen.
Denn das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist insgesamt ein wichtiges Thema für christliche Influencer*innen. Besonders beliebt: Sex oder eben auch kein Sex vor der Ehe. Insgesamt vier Videos hat Lisa Stowasser alias „LiMarie“ gemeinsam mit ihrem Mann Lukas auf Youtube zu dem Thema veröffentlicht – das erste Video gehört mit knapp 360 000 Views zu den meistgeklickten auf ihrem Kanal. Ihre Meinung ist deutlich: „Unzucht beschreibt alles, was als Sexualität außerhalb der Ehe zwischen Mann und Frau passiert. Das ist nicht gut und nicht erstrebenswert.“ Sie hätten vor ihrer Hochzeit nie zusammen in einem Bett geschlafen, auch im Urlaub zwei unterschiedliche Hotelzimmer gebucht, sich nicht voreinander umgezogen.
Lisa kann man leider nicht persönlich befragen, sie teilt auf jetzt-Anfrage mit, lieber kein Interview führen zu wollen. Lukas und sie hätten mit „säkularen Medien“ in der Vergangenheit vermehrt schlechte Erfahrungen gemacht und sprechen daher derzeit nur mit „christlichen Medien“. Dennoch wünsche sie ein friedliches Weihnachtsfest.
Lisa ist Anhängerin einer evangelikalen, bibeltreuen Freikirche
13 600 Menschen folgen Lisas Youtube-Kanal, auf dem sie sowohl alleine als auch zusammen mit Lukas Videos veröffentlicht. Beide haben Theologie an der THS-Akademie für Pastorale Führungskräfte in Bingen studiert, einer evangelikalen Ausbildungsstätte, die unter anderem mit dem Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden kooperiert. Gründerin und Leiterin der THS ist Inga Haase. Sie war es auch, die 2016 unter anderem gemeinsam mit Lisa die sogenannte „Global Video Church“ (Kurz: Givici) gegründet hat. Die evangelikale Freikirche propagiert ein bibeltreues Leben – und hat sich auf das Internet spezialisiert. Givici veröffentlicht Predigten online und betreibt verschiedene Youtube-Kanäle. Givici Youth richtet sich direkt an junge Menschen. Auch Lisa hat früher Videos für den Givici-Kanal produziert, seit kurzer Zeit lebt sie in Frankurt und konzentriert sich vor allem auf ihren eigenen Kanal.
Inga Haase sagt gegenüber jetzt: „Viele Menschen in Deutschland können mit einer klassischen Kirche nicht mehr so viel anfangen, der Weg in einen Gottesdienst ist sehr weit.“ Eine Videopredigt dagegen kann man auch im Schlafanzug im Bett anschauen – genauso wie die Videos von Lisa, Lukas und Jennifer. Sie sind jung, sehen gut aus, wirken ganz cool und vor allem nahbar. Lisa erklärt auch mal ihre Schminkroutine (Make-up, Puder, Rouge, Mascara, Kajal, Lidschatten und dann noch ein bisschen was, um die Augenbrauen zu betonen) und beantwortet nebenher die Fragen ihrer Zuschauer*innen. Das funktioniert zumindest teilweise sehr gut – unter den Videos stehen dankbare und bewundernde Kommentare wie zum Beispiel: „Du bist so eine liebe und sympathische Person! Freue mich immer soo über jedes einzelne Video!“
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Allerdings nicht nur: Im Mai wurden Lisa und ihr Kanal kurzzeitig berühmt, als Satiriker Jan Böhmermann beim „Neo Magazin Royale“ ein (mittlerweile gelöschtes) Video von Lisa zum Thema Pornos genüsslich auseinander nahm. Darin wird auch die These aufgestellt, dass Porno-Konsument*innen irgendwann mit höherer Wahrscheinlichkeit die eigenen Kinder missbrauchen würden. Auf das Video und Jan Böhmermann angesprochen, sagt Givici-Gründerin Inga Haase, sie habe den Clip „hilfreich“ gefunden, da es viele pornosüchtige junge Menschen gebe. Dennoch seien die Macher*innen mit dem Video „ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen“, wie sie es ausdrückt: „Es stimmt, dass manche Aussagen überzogen waren.“
Die Aufregung, die auf das Video folgte, habe sie nicht überrascht: „Jan Böhmermann pickt sich natürlich immer was raus und zieht es einmal durch den Dreck. Er spitzt provokativ zu. Grundsätzlich finden wir solche Angriffe nicht schlimm. Wir wissen, dass wir in vielen Dingen anders denken als der Mainstream.“ Givici bekennt sich klar zu einem sehr konservativen und heteronormativen Gesellschaftsbild, das auf einem starken Mann und einer sich unterordnenden Frau basiert. Die Kirche lehnt Trans- und Homosexualität ab. Lisa Stowasser bezeichnet während ihres Make-up-Tutorials Schwangerschaftsabbrüche nebenbei als „Massenmord“.
Sektenberater Jörg Pegelow kennt sich aus mit fundamentalistisch ausgerichteten christlichen Szenen. „Zu den angesprochenen Youtube-Channels konkret sind bei mir noch keine Anfragen angekommen. Aber die Inhalte, die dort verhandelt werden, sind mir natürlich bekannt“, sagt er. Die klassischen Themen hat auch er klar ausgemacht: „,Kein Sex vor der Ehe‘, ,Homosexualität ist verboten‘, ,Die Bibel hat immer Recht‘.“ Problematisch findet er vor allem, dass dort immer eine einzige, zwangsläufig richtige Antwort propagiert wird: „In einem einseitigen Bibelverständnis gibt es immer nur die eine richtige Lösung, nur den einen akzeptablen Weg.“ Und es könne durchaus sein, dass diese Videos junge Erwachsene beeinflussen.
Inga Haases Traum: Youtube-Kanäle auf allen Sprachen
Insgesamt hält Pegelow den Einfluss der Christfluencer*innen und von Givici aber für überschaubar, da die Reichweite der Kanäle nicht besonders groß ist. Givici Youth Deutschland hat 6600 Abonnent*innen auf Youtube – zum Vergleich: Rezos Kanal folgen 1,18 Millionen Menschen. Das deckt sich auch mit dem, was Inga Haase zu den Zuschauer*innen-Zahlen der jungen Youtube-Kanäle der Freikirche sagt: „Im vergangenen Jahr hat die Anzahl der Menschen, die die jungen Videos schauen, stagniert.“ Anders das Angebot für Ältere, wo die Klickzahlen laut Haase wachsen. In jedem Fall hat sie eine Vision: Kanäle auf allen Sprachen, eine Hauskirche in jedem Ort.
Sektenberater Pegenow dagegen findet, dass es auf die wichtigen Fragen des Lebens nicht nur eine richtige Antwort gibt – und erzählt am Ende noch, was er persönlich zum Thema „kein Sex vor der Ehe“ denkt: „Wenn jemand sich ‚aufbewahren‘ möchte bis zur Ehe, dann sei es so. Wenn ein Paar das aber nicht möchte und in einer Partnerschaft auch Sex haben will, dann kann ich nicht sagen, dass das falsch ist. Das ist Realität und Normalität.“ Er selbst habe mehr als 20 Jahre als Gemeindepastor gearbeitet und in dieser Zeit sehr viele Paare getraut. Pegelow vermutet, „dass alle vor der Hochzeit schon Sex hatten“. Für ihn als Pastor – kein Problem.