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Schwanger!-Kolumne: Der Vater spricht
Juhuu, er hat was geschrieben! Anbei also Max’ Versuch einer Kolumnen-Folge, entstanden in einer deutlich spürbaren Schreibwut nach unserem letzten gemeinsamen Frauenarzt-Besuch ... Jetzt also ich. Hm. Ich, Max. Genauer: ER, Max. Mehrere tausend Jahre Patriarchat sind an den Frauen nämlich nicht spurlos vorüber gegangen. Wie auch. Und während der Schwangerschaft kriegen es die Männer zurück. Keine Ahnung, ob das immer schon so gewesen ist. Inzwischen jedenfalls ist es so. Wobei man sich diese Rache der Frauen auf keinen Fall zu direkt vorstellen darf. So von werdender Mutter zu werdendem Vater. So läuft es nicht. Es ist vielmehr so, dass wir jüngeren Männer heute, so scheint es wenigstens, für unsere Väter büßen dürfen. Und für die Väter von deren Vätern. Danke, Papa.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Rache – so einfach ist das – besteht darin, dass wir von nicht mehr ganz jungen Frauenärztinnnen, Krippenleiterinnen, den eigenen Müttern, Omas und sonstigen Menopausen in freier Wildbahn in Partnerinnen- und Babypflegefragen vom ersten Moment an für komplett unfähig, tollpatschig und überflüssig gehalten werden. Man spricht über uns mit „ER“, egal ob wir direkt daneben sitzen, ja, uns ab und zu sogar zu Wort melden. Als – Ihr entschuldigt den Ausdruck – Individuum, kommt man im Grunde nicht mehr vor. Als Begleitung des Bauches nicht mehr wirklich wahrgenommen zu werden, daran gewöhnt man sich schnell. Kein Problem. Ist ja auch wirklich toll, so ein Bauch. Spätestens wenn er dann von kleinen Fäustchen, Füßen, Knien von innen bewegt wird. Aber dass von einem in der dritten Person gesprochen wird – „ER kümmert sich doch gut um sie, nicht wahr, das sollte ER?“ –, das ist eine harte, vielleicht sogar die härteste Prüfung. Denn sie trifft einen vollkommen unvorbereitet, anders als etwa die Aufgabe des aus Zivildiensttagen wohlbekannten allmorgendlichen stützstrümpfelns.
Zu gewinnen gibt es nichts. Zu wenig Interesse bei der Frauenärztin etwa bestätigt das Klischee: „Hat ER es eilig, Termine?“ Zu viel Interesse wiederum weckt Misstrauen. Haarscharf wird kombiniert, man sei dem Wunsch der Partnerin, zur Ärztin mitzukommen, nur widerwillig gefolgt und wolle selbige jetzt mit übertriebenen Engagement milde stimmen: „ER stellt Fragen!“
Das Beste, was mir passieren konnte, war, meinen Freund Tim zu treffen. Tims Sohn Erik ist ein Jahr alt. Tim sagt: „Willkommen im Club der Idioten, mein Lieber.“ Und: „Das ist erst der Anfang.“ Babypflegekurs, Geburtsvorbereitung, später die Hebammenbesuche, der Kinderarzt – das käme ja alles noch. Abgesehen von hysterischen Parallelschwangeren, Räucherstäbchenalarm und der schockierenden Erkenntnis, dass Väter heutzutage seltenst unter 40 sind, solle ich mich auf eine große Portion totaler Gefühlsverblödung und Babysprache schon vor der Geburt gefasst machen. Dieser geballten Ladung „Gefüüüüühl“ dürfe man auf keinen Fall mit zu großer Coolness, ja erst recht nicht mit Zynismus begegnen.
„Du hast nur eine einzige Chance: Umarme es! Umarme deine Rolle. Gehe offensiv auf sie zu. Alles andere ist lächerlich.“ Er sei im Geburtshaus dazu übergegangen, sich nicht mehr schüchtern reinzuschleichen, verschämt die Schuhe auszuziehen und dann abzuwarten, bis ihm jemand einen Tee anbietet, der nach Schlamm und Erde schmeckt. Im Gegenteil: „Du musst da rein gehen, mit offenen Armen, uns sagen: ,Hallo! Ich zieh mal gleich die Schuhe aus! Und kann ich vielleicht ein Tässchen von diesem köstlich erdigen Schlamm-Tee haben! Oh, die Räucherstäbchen, wie die duften!’“
So wird ER es in Zukunft auch machen. Yeah.
Text: linda-ende - Illu: Dirk Schmidt