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Liegen bleiben, Mädchen!

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Manchmal sind die Ansprüche, die das Leben an uns stellt, erdrückend. Deshalb kann es sich herrlich anfühlen, sie einfach zu ignorieren. Tagelang in derselben Jogginghose im Bett zu lungern, die ganze Matratze mit Essen vollzubröseln, etliche Filme und Serien zu streamen.

Die meisten Menschen absolvieren diese Flucht vor der Welt still und heimlich. Faulheit und Motivationslosigkeit sind nichts, worauf sie stolz sind. Seit einer Weile wächst jedoch die Zahl von Tumblr-Bloggerinnen, die solche Bekenntnisse reihenweise in die Welt hinausschicken. Und dafür gefeiert werden. Sie schreiben: „Hab seit drei Wochen nicht mehr meine Beine rasiert, egal.“ Oder: „Ich habe so wenig Bock, aus dem Bett aufzustehen, dass ich mir jetzt eine Standleitung zum Pizza-Lieferdienst legen lasse“. Oder: „Once I take my bra off, don’t ask me to do shit for u bitch bc once that bra comes off, I am clocked out of life. I am done. I am finished. I am logged the fuck out.“ Dieser Tumblr-Eintrag wurde mehr als 350 000 Mal geteilt oder geliket.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Woher kommt die Begeisterung für diese Worte eines wildfremden 17-jährigen Mädchens aus Wyoming? Warum lacht man darüber? Und warum ist man geradezu ein bisschen aufgeregt? Wahrscheinlich ist es erleichternd, wenn sich jemand traut, all die unfeinen Gedanken auszuformulieren, die man sich heimlich selbst so oft macht. Das entspannt. Man ist im Innern auf einmal weniger allein mit seinen Unsittlichkeiten.

Die beste Laune aber bereitet einem die Ahnung, dass das Slackertum nun endlich auch offiziell bei den Frauen angekommen zu sein scheint. Die männliche Variante hat schon lange einen festen Platz in der Welt der Popkultur, von den Urmüttern aller Stonerfilme wie „Cheech & Chong“ oder „Clerks“ bis hin zu „The Big Lebowski“. Und auch im Kosmos der Judd-Apatow-Filme („Knocked Up“, „The 40-Year-Old Virgin“, „Step Brothers“) wurde der dauerkiffende, Unsinn quatschende Slacker ausgiebig gefeiert. Und weil Humor sehr oft davon lebt, dass sich der Protagonist an einem „Straight Man“ abarbeiten kann – also irgendjemandem, der stellvertretend für den Zuschauer den ganz normalen Spießer gibt –, gab es in diesen Filmen für die Frauen meist nur genau diese Rolle: die der „Straight Woman“, der augenrollenden Freundin, die den Jungs die gute Laune verderben will, damit sie endlich erwachsen werden.

Mit der Realität hat diese Rollenverteilung eher wenig zu tun. Auch Mädchen graut es davor, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Und jetzt zeigen sie es öfter: Sie sitzen phlegmatisch am Stadtbrunnen herum, hängen auf dem Supermarkt-Parkplatz ab oder am See oder im eigenen Bett. Und natürlich im Internet. Dort können sie ihr leichtes Aufmerksamkeitsdefizit nämlich am besten ausleben und für null Anstrengung die schönsten Belohnungen bekommen: lustige Filmchen, den Kontakt zu Menschen, die sie nicht anstrengen, wenn sie das nicht wollen, und natürlich: jede Menge anderer Slackermädchen, mit denen es sich hervorragend über die eigene Motivationslosigkeit lachen lässt. Die auch zwischen 13 und 30 Jahre alt sind, weder ein klares Ziel vor Augen noch eine Topkarrierestrategie parat haben und auch keinen lückenlosen Lebenslauf zücken können. Die sich keinen Fitnessstudio-Body antrainieren, weil sie sich keine „Abgerechnet wird am Strand“- oder „Hol das Beste aus dir raus“-Mantren verschreiben. Sie sind vielleicht nicht frei vom Druck dieser gesellschaftlichen Ideale. Aber ihnen wirklich hinterherlaufen? Viel zu stressig.

Zukunftspläne? Was für eine anstrengende Scheißfrage!


Diese Slackermädchen also hat endlich auch die Popkultur als taugliche Protagonistinnen erkannt und in den vergangenen Jahren in Filmen wie zum Beispiel „Young Adult“, „Frances Ha“, „Bridesmaids“ oder der Serie „Girls“ aufgegriffen. Doch wenn man genau hinsieht, haben all diese Geschichten, trotz großen Identifikationspotenzials und großer Unterhaltsamkeit, die Kurve niemals ganz gekriegt. Dort gibt es weibliches Slackertum, aber nie ohne schlechtes Gewissen, nie ohne die Angst vor dem Versagen. Wenn die Ziele im Leben aber, trotz allen Humors, Erfolg und Prestige bleiben, dann ist die bewitzelte Nachlässigkeit dazwischen wieder nur scheinheilige Koketterie.

In den USA wird jetzt aber eine Serie populär, die das endgültig ändern könnte: „Broad City“ wurde von den beiden Hauptdarstellerinnen Abby Jacobson und Ilana Glazer ursprünglich fürs Web entwickelt, seit Januar läuft die Serie auf dem US-Sender Comedy Central. „Broad City“ verleiht dem Slackergirl ein Gesicht, das mit Demut nicht mehr viel zu tun hat. Die Serie erzählt die Geschichte zweier Freundinnen in New York. Ilana und Abby halten sich mit unterbezahlten Nebenjobs über Wasser, nennen sich gegenseitig „Dude“ und kiffen gern. Ilana ist zwar heimlich verknallt in einen Nachbarn, aber das wird selten weiter thematisiert. Überhaupt geht’s nicht dauernd um Typen und unerfüllte Liebschaften, sondern vor allem um die Freundschaft der beiden Mädchen, das Rumhängen und die uneitle Hoffnung auf die nächste Portion Spaß. Irgendwann eine große Nummer zu sein oder die Beste in irgendwas – damit halten sie sich nicht auf, ist ja eh ungefähr so wahrscheinlich, wie im Lotto zu gewinnen. Warum sollte man sich also überhaupt auf all die potenziellen Enttäuschungen einlassen?

Das widerspricht natürlich auf den ersten Blick allen derzeit vorherrschenden Mantren des guten Lebens und des aktuellen Feminismus. Die diktieren einem schließlich: Arbeitest du nicht diszipliniert daran, deine Talente in Kapital umzuwandeln, mangelt es dir wohl an Selbstachtung, Stolz und Durchsetzungskraft.

Wahrscheinlich sind die Slackermädchen deswegen gerade so beliebt. Weil sie das genaue Gegenteil beweisen: Weil sie sich trauen, all der Selbstoptimierungsgesinnung den Mittelfinger entgegenzuhalten, und zwar ohne als Fleißausgleich auf einen veganen Selbstversorgerhof zu ziehen.

Würde man Ilana oder Abby fragen, wo sie sich in fünf Jahren sehen, würden sie vermutlich zurückfragen: Häh, was ist das denn für eine anstrengende Scheißfrage? Und damit zeigen, dass sie geschafft haben, wofür andere Menschen ein ganzes Leben brauchen: zu verstehen, dass man so sein darf, wie man gerade ist, wenn man schon ungefragt auf die Welt geholt wurde. Dass es okay ist, nicht viel mehr vom Leben zu wollen als ausreichend Schlaf, eine entspannte Grundhaltung und gute Freunde.

Natürlich muss jeder tun, wozu es ihn drängt. Aber wenn alle so verbissen damit beschäftigt sind, große Nummern zu werden, Karriere, Kreativität und Konsum glanzvoll und ohne Zeitverschwendung hinzulegen, dann ist keine Zeit mehr übrig für das, was die Slackermädchen so gut können: einfach miteinander zu sein, anstatt nur bei sich selbst; immer jemanden zu haben, für den man bleibt, wer man immer war; mit dem man sich an die Tanke setzen, Cola trinken und sich blöde Witze erzählen kann, wenn alles andere den Bach runtergeht.           



Text: mercedes-lauenstein - und christina-waechter

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