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Herr Moderator

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Herr Fröhlich, wie sah der Computerraum 1993 in Neubiberg aus, als Sie dort Lehrer waren?
Es gab zwölf Standalone-Rechner. IBM-PCs mit Festplatten von je 20 MB.

In jener Zeit waren Informatiklehrer noch Helden: Sie haben den Schülern Geräte gezeigt, die es zu Hause nicht gab. Was hat sich seitdem verändert?
Erst haben immer mehr Familien Heimcomputer angeschafft, und es gab den Hype um Grafikkarten und Intel- Pentium-Prozessoren. Zu der Zeit musste man den Schülern klarmachen: Es ist egal, was das für ein Rechner ist, mach deine Arbeit! Um die Jahrtausendwende kam das Internet, und wir haben per Webcam zugesehen, wie Schiffe durch den Panamakanal geschleust wurden. Die nächste Phase, in der sind wir noch, ist die Virtualisierung des Unterrichts.

Das heißt?
Schüler und Lehrer treffen sich auf einer Lernplattform und schreiben zum Beispiel in der Woche vor einer Schulaufgabe ihre Lernfragen in ein Forum. Diese Fragen können dann gleichermaßen Mitschüler wie der Lehrer beantworten! Eine vollkommen neue Kultur des Lernens und Kooperierens. Dafür muss der Lehrer fit sein im Umgang mit neuen Medien.

Spüren Sie die Überheblichkeit mancher Schüler, die im Gegensatz zu Ihnen mit dem Internet aufgewachsen sind?
Jugendliche dürfen überheblich sein. Wenn sie etwas wissen, geben sie damit an.

Na ja, wenn Schüler mehr wissen als Sie, ist Ihre Kompetenz infrage gestellt.
Ich kann nicht alles wissen. Wenn es zum Problem wird, muss ich den Unterricht umstellen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Michael Fröhlich.

Wie?
Ich trage nicht mehr nur vor, ich moderiere. Das ist ein Paradigmenwechsel in der Lehrerwelt.

Dieser Wechsel hat entscheidend mit der Digitalisierung des Lebens zu tun, weil Wissen überall abrufbar ist. Können alle Lehrer damit umgehen?
Für viele ist es ein Problem. Das, was sie an der Uni gelernt haben, trägt sie nicht mehr durch die Berufsjahre.

Wie reagieren die Kollegen auf die Digitalisierung?
Es gibt ältere Lehrer, die sich nicht mehr damit auseinandersetzen wollen, es gibt aber auch jüngere Kollegen, die nicht damit anfangen.

Das heißt?
Es gibt Junglehrer, die kommen an die Schule und wissen nicht, wie man eine gute Internetrecherche macht. Das kriegen sie auch in der Lehrerausbildung nicht gezeigt.

Tatsächlich, ist das so?
Die können ein Arbeitsblatt schreiben, aber das Medium Internet als Unterrichtsmethode nutzen, das geht nicht.

Entsteht nicht so etwas wie ein Lehrerprekariat, das vom Digitalen nix mitkriegt und dann schlechten Unterricht macht?
Wenn ein Mensch gut mit Kindern umgehen kann, dann kann er das. Studien zeigen bislang, dass digitale Medien den Unterricht weder besser noch schlechter machen.

Wissen alle Kollegen, was Facebook ist?
Was genau sollen die darüber wissen?

Dass es das gibt.
Das wissen, glaube ich, schon die meisten.

Wissen alle, wie’s funktioniert?
Nein. Das wissen aber auch nicht alle Eltern.

Sind Sechzehnjährige kompetenter im Umgang mit PCs als früher?
Ich hatte Situationen, in denen ich einem Sechzehnjährigen gesagt habe: Schau mal, rechte Maustaste, „Bild speichern unter“, so kannst du das Bild auf der Festplatte ablegen.

Wusste er nicht?
Wenn die Lust auf „World of Warcraft“ haben, dann haben die für das andere auch keinen Kopf. Ich kann es nie verhindern, dass im Informatikunterricht mal Unterrichtsfremdes angeschaut wird, zum Beispiel Comics. Aber ich kann trotzdem den Horizont erweitern und darauf hoffen, dass sie an einer Aufgabe Spaß finden. Lernen ist kein Prozess, den man erzwingen kann.

Interessieren sich heute mehr Schüler fürs Programmieren als früher?
Nein.

Warum?
Wenn ich einen Programmierer ausbilde, braucht der immer einen, der ihm sagt, was er zu tun hat.

Niemand bekommt gern was gesagt.
Wenn ich Schüler berate, sage ich: Studier Medizin, Physik, lern ein Fach mit Inhalt. Dann kannst du immer noch in dem Bereich was programmieren.

Es gibt Wissenschaftler, die empfehlen, Latein durch Programmieren zu ersetzen. Und Sie sagen, Programmieren soll man sich später bei Bedarf selber beibringen?
Natürlich. Lieber bringen wir noch eine Fremdsprache an die Schule. Kommunizieren ist viel schwieriger. Das andere, das lernen sie schnell.

Michael Fröhlich ist Medienpädagogischer Berater und Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik am Gymnasium Kirchseeon. Er unterrichtet seit 25 Jahren.

Text: peter-wagner - Foto: Gerald von Foris

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