Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Aushalten

Teile diesen Beitrag mit Anderen:



Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute lautet: Ja, es geht. Die schlechte: Es ist nicht immer leicht. Als ich damals bei Viva als Moderator angefangen habe, war das keine Arbeit – oder es hat sich zumindest nicht so angefühlt. Ich war 17 und noch Schüler. Jeden Nachmittag stand ich im Fernsehstudio in Köln-Ossendorf und hab irgendwelche Euro-Dance-Acts angesagt. Manch­mal musste ich auch noch zu Preisverleihungen, um eine Laudatio zu halten und danach mit meinen Lieblingsbands zu feiern. Man kann vielleicht erahnen, wie over the top awesome mein Leben zu der Zeit war. Ich hatte mit nichts gerechnet und alles bekommen. Das Moderieren lag mir, und plötzlich hatte ich auch noch ein richtig gutes Einkommen! Als Schüler! Mein Beruf brachte damals ausschließlich positive Effekte mit sich.

Den meisten Menschen hierzulande ist es suspekt, wenn man so über seinen Job redet. Wenn man richtig Lust auf die Arbeit hat, werden die Leute argwöhnisch. Sie vermuten dann ein übertriebenes Gehalt oder dass da jemand die Schattenseiten des Arbeitslebens verdrängt. Und die habe ich dann irgendwann auch kennengelernt. Gerade für einen Moderator gehört Scheitern schon fast zum Berufsbild. Ich bin nach meiner Zeit bei Viva zum DSF gegangen und hab da eine tolle Show mit einem tollen und megamotivierten Team gemacht. Aber dann kam ein neuer Programmdirektor, und mit der Sendung war es schneller vorbei, als man „sinnlose Entscheidungsgrundlage“ sagen kann. Damals habe ich die fiese Seite einer Arbeit beim Fernsehen kennengelernt: Man ist von Leuten abhängig, denen es nicht um ein originelles, sondern um ein effizientes Programm geht. Und ich musste plötzlich einen neuen Job finden. Die Sender standen nicht gerade Schlange bei mir. Dann wurde ich Papa. Und dann wurde es ganz still. Wenn man sich dafür entscheidet, das zu tun, was einem Spaß macht, muss man vor allem eines können: aushalten.

Aushalten, dass das Telefon nicht mehr klingelt. Aushalten, dass kei­ner an einen denkt. Aushalten, dass man eine Zeit lang vollkommen ab­ge­schrieben sein kann. Das kratzt nicht nur am Ego, sondern auch am Konto. Das bedeutet dann auch: Instantnudeln und so ein Zeug. Das bedeutet: Grübeln und immer wie­der Neuorientierung. Bei mir führte es zu einem Stu­dium: Ich bin nach München gegangen und habe an der Filmhochschule Regie studiert. Im ersten Jahr meines Studiums verdiente ich mein Geld mit WG-Pfandflaschen-Wegbringen und Plattenverkaufen. Dann hat ein Freund eine neue Bar eröffnet, und ich konnte auflegen. Halleluja. Das war nicht viel Geld, aber es war genug. Es passte zu den Preisen beim Discounter um die Ecke. Vielleicht, denke ich heute, ist das die wichtigste Fähigkeit, die man haben muss, wenn man selbstbestimmt und spaßorientiert arbeiten möchte: Man muss sich der Menge an Geld anpassen, die man zur Verfügung hat. Man wird nicht zwangsläufig reich, wenn man das tut, was man mag. Aber es macht zufrieden. Und das ist auch eine gute Nachricht.

Nilz Bokelberg, 35, moderiert heute nicht mehr bei Viva, aber noch ab und zu vor der Kamera. Er legt manchmal auf und schreibt eigentlich die meiste Zeit irgendwelche Texte, in seiner Küche in Berlin. Sein Roman erscheint vermutlich im Jahre 5328.

Text: nilz-bokelberg - Foto: Felix Krüger

  • teilen
  • schließen