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Das Rikscha-Tagebuch: Warten

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Jetzt ist es passiert. Ich habe mir eine leichte Erkältung geholt. Schuld sind die fiese Kälte und der noch fiesere Regen. Neben den ganzen Betrunkenen ist das Wetter die größte Herausforderung. Der Münchner Herbst kann furchtbar wehtun, das musste ich in den vergangenen Tagen am eigenen Leib spüren. Kein Wunder, dass auf der letzten Wiesn nach einer Woche jeder zweite Rikschafahrer mindestens eine Erkältung mit sich rumgetragen hat. Mich hat es dieses Mal schon am zweiten Tag erwischt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

  

Schlimmer als der Fahrtwind ist das ständige Warten auf Kunden in der Kälte. Besonders unter der Woche ist oft gar nicht so viel los. Dann stehe ich oft länger als eine Stunde frustriert bei meiner Rikscha und träume von spendierfreudigen Russen, die mir einen 500-Euro-Schein in die Hand drücken. Manchmal denke ich auch einfach nur an mein warmes Bett.  

Die vergangenen zwei Tage ging es mir oft so. Zusammen mit anderen Rikschafahrern stand ich am Stellplatz und wartete, dass endlich etwas passiert. Das Gute am Rikschafahren ist aber, dass irgendwann immer was passiert. Dieses Mal waren es zwei Finnen, die mich aus meiner Lethargie rissen. Die wollten um ein Uhr früh unbedingt noch einmal zur Wiesn – obwohl die meisten Zelte um elf schließen.  

Ich erfüllte ihren Wunsch gerne und fuhr die beiden zur St. Pauls Kirche. Als wir ankamen, merkten sie, dass sie nur einen 500-Euro-Schein dabei hatten. Kurz hatte ich die Hoffnung, dass dieses Mal mein Traum vom Geldregen in Erfüllung gehen könnte. Sie wollten mir den Schein aber leider nicht geben. Ich musste also wieder warten und zwar auf ihren Freund, der mich bezahlen sollte. 15 Minuten später kam er endlich – und gab mir anstatt 20, gleich 50 Euro. Wegen der langen Wartezeit. Auch wenn ich wieder keine 500 Euro geschenkt bekam, hatte ich endlich genug Geld verdient, um nach Hause zu fahren und in mein warmes Bett zu schlüpfen. Ich musste dringend Kraft tanken für die Tage, an denen wieder mehr los ist. Und das Wetter wird hoffentlich auch bald wieder besser.

Folge verpasst? Das komplette Rikscha-Tagebuch kannst du hier nachlesen.

Text: alexander-gutsfeld - Foto: himberry/ photocase.de

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