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„Ein Sternchen hinter ‚Gott‘ nimmt niemandem etwas weg“

Foto: Mateus Campos Felipe / Unsplash / Bearbeitung: jetzt

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Die Katholische Studierenden Jugend macht sich für ein anderes Gottesbild stark. Und hat entschieden, das Wort „Gott“ ab sofort mit Gendersternchen zu schreiben: Gott*. Mit ihrer Kampagne #whoisgodtoday wollen die Studierenden bewirken, dass Gott vorurteilsfrei wahrgenommen wird: „Gott ist in allen Lebewesen“, schreiben sie dazu auf ihrer Website. Die KSJ wurde 1919 vom Jesuitenorden gegründet und ist heute Teil des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend.

Wir haben mit Anna-Sophia Kleine, 21, über die Kampagne gesprochen. Sie ist theologische Assistentin in der KSJ und studiert katholische Theologie.

gott sternchen anna paulina text

Links: Anna von der KSJ. Rechts: Pauline aus der Gott*-Arbeitsgruppe mit einer Postkarte der Kampagne.

Fotos: Privat

jetzt: Ihr wollt das katholische Gottesbild entstauben. Aber warum ausgerechnet mit einem Gendersternchen?

Anna-Sophia Kleine: Unser Anliegen ist, damit Gott aus der geschlechtlichen Ebene zu heben. Wir wollen darauf aufmerksam machen, welche Masken wir Menschen Gott angedichtet haben. Im Deutschen ist es bei einsilbigen Worten oft der Fall, dass die Artikel männlich sind. Das stört meistens nicht – bei ‚der Tisch‘ oder ‚der Stift‘ zum Beispiel, weil es sich um Objekte handelt. Aber Gott ist so was Krasses, dass es doch schade ist, Gott durch einen Artikel in eine Kategorie zu drängen. Deshalb haben wir darüber diskutiert, wie wir Gott kenntlich anders schreiben können: um zu irritieren und dazu anzuregen, das eigene Gottesbild zu hinterfragen. Das wurde natürlich hitzig diskutiert. Wir haben auch überlegt, das Wort mit gespiegelten oder auf den Kopf gestellten Buchstaben zu schreiben. Am Ende haben wir uns für das Sternchen entscheiden. Auch, weil es am praktikabelsten ist, da das Zeichen in jeder Tastatur enthalten ist.

„Gott spürbar und komplett fassbar machen, das können wir gar nicht“

Ihr schreibt auch, dass man sich Gott nicht mehr als alten, weißen, strafenden Mann vorstellen soll. Als wen denn dann? 

Generell soll man sich ja kein Bild von Gott machen. Denn: Alles, was ich denken kann, ist viel zu klein, um Gott zu fassen. Aber ich glaube, es ist natürlich in Ordnung, sich für die eigene, ganz persönliche Beziehung zu Gott ein Bild zu machen. Ich habe in den letzten Tagen zwischen vielen unreflektierten Kommentaren zu unserer Kampagne auch viele Glaubenszeugnisse von Menschen gelesen, die erzählt haben, was genau Gott für sie persönlich bedeutet. Da waren so viele unterschiedliche Äußerungen dabei. Deswegen glaube ich: Die Gesamtheit aus allem, was Gott ist und nicht ist, stellt Gott dar. Ein Mensch kann für sich persönlich ein Gottesbild schaffen, mit dem er sich identifizieren kann. Aber Gott spürbar und komplett fassbar machen, das können wir gar nicht. Dafür ist Gott zu groß. 

Was waren das zum Beispiel für Gottesbilder?

Das waren vor allem viele verschiedene Eigenschaften. Die Menschen haben gesagt: „Gott ist für mich die Liebe und Zuversicht.“ Oder: „Gott bedeutet, dass ich vertrauen darf und am Ende alles gut wird.“ Viele haben auch geschrieben: „Gott war für mich noch nie ein Mann.“ Das fand ich auch spannend zu lesen. Andere haben aber auch gesagt: „Für mich ist Gott der Vater und das soll sich nicht ändern.“ Auch das finde ich als persönliche Entscheidung legitim.

Das Gendersternchen steht eigentlich dafür, neben ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ noch weitere Geschlechter einzuschließen. Du hast aber davon gesprochen, dass ihr mit dem Sternchen Gott komplett aus der geschlechtlichen Ebene heben wollt. Wie passt das zusammen? 

Ich bin selbst nicht queer und kann daher nicht für queere Personen sprechen. Aber ich habe schon häufiger gehört, dass das Sternchen ja eigentlich die Unfähigkeit unserer Sprache ausdrückt. Dass es zeigt: „Da ist etwas, das ich nicht in Worte fassen kann, deshalb nutze ich ein Sonderzeichen dafür.“ Und genau das ist Gott: viel mehr, als man in Worte fassen kann. Und deshalb passt auch das Sternchen zu Gott.

„Ich glaube nicht, dass man alles von heute auf morgen auf den Kopf stellen muss“

Aber wenn man konsequent geschlechtsneutrale Sprache im Bezug auf Gott verwenden will, gäbe es da doch auch andere Stellen, an denen man etwas umgestalten müsste: Ich denke da an das „Vaterunser“ oder an „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Wie seht ihr das? 

Speziell zum Vaterunser würde ich persönlich sagen, dass es da eine Veränderung nicht unbedingt und vor allem nicht auf die Schnelle braucht. Das Besondere an diesem Gebet ist ja, dass es alle Christen auf der ganzen Welt vereint. Es wäre schade, das über Bord zu werfen. Es gibt schließlich auch gute Traditionen. Etwas ist nicht automatisch schlecht, weil es schon immer so gemacht wird. Aber ich glaube, an anderen Stellen darf das geschlechtsneutrale Gottesbild dafür umso deutlicher werden. Vor allem, wenn man im Geschriebenen das Sternchen sieht und damit zum Nachdenken angeregt wird. 

Es gibt mittlerweile auch geschlechtergerechte Versionen der Bibel.

Ja, aber dabei geht es nicht nur um Gott. Sondern zum Beispiel auch darum, vormals weibliche Vornamen, die im Laufe der Zeit in der Bibel zu männlichen gemacht wurden, wieder zu weiblichen zu machen. Bei den Neuauflagen mancher Textübersetzungen dreht es sich nicht allein um das Gottesbild. Man muss sich dabei auch bewusst sein, dass die Gesellschaft in den vergangenen 2000 Jahren natürlich von patriarchalen Strukturen geprägt wurde. Ich glaube nicht, dass man alles von heute auf morgen auf den Kopf stellen muss. Aber man muss die Strukturen so schaffen, dass Dinge, die sich verändern sollen, auch verändert werden können. 

Habt ihr denn auch über mögliche Pronomen und Artikel für Gott gesprochen? 

Ehrlich gesagt nicht, weil der männliche Artikel grammatikalisch ja zu Gott gehört. Ich habe aber schon häufiger gelesen, dass Menschen explizit das weibliche Pronomen verwenden. Dadurch soll darauf aufmerksam gemacht werden, was Gott angedichtet wird – und dass Gott mehr ist. Ich denke, dass beides möglich ist. Oder im besten Fall einfach kein Artikel benutzt wird. Es darf ruhig das männliche Pronomen bleiben, es darf aber auch das weibliche sein. 

„Unser Anliegen ist es, mehr über Macht in der katholischen Kirche zu sprechen“

Wie waren denn die Reaktionen auf eure Kampagne innerhalb der katholischen Kirche?

Klar, am Anfang wurde es kontrovers diskutiert. Aber sobald wir die neue Schreibweise erklären, verstehen es die meisten. Denn: Ein Sternchen hinter „Gott“ nimmt niemandem etwas weg. Niemand muss das setzen, niemand muss das nutzen. Es ist eher eine Bereicherung. Und darauf sollte man sich konzentrieren. Manche, die am Anfang total dagegen waren, sind mittlerweile sogar Fans davon geworden. Der Grundgedanke von „Gott*“ ist ja, Gott größer zu machen. Und das Bewusstsein zu schaffen, dass Gott größer ist. Unser Beschluss wurde außerdem demokratisch getroffen. 

Ist die katholische Kirche also gar nicht mehr so konservativ wie ihr Ruf?

Es gibt mittlerweile viele Orte, die gar nicht so konservativ sind, wie man vielleicht denkt: zum Beispiel die Citypastoral (Seelsorgestellen in verschiedenen deutschen Städten, Anm. d. Red.). Oder das sozialpastorale Zentrum in Duisburg. Ich kenne kaum einen Ort, an dem Nächstenliebe so stark gelebt wird wie dort. Aber auch die Jugendverbände machen generell oft intensive, progressive Arbeit. Wenn man nicht in der Bubble ist, sieht man das nur leider oft nicht. Unser Anliegen ist es, mehr über Macht in der katholischen Kirche zu sprechen. Man kann natürlich nicht verhindern, dass es dort Machtstrukturen gibt. Aber es ist uns wichtig, darüber offen zu kommunizieren. Um sie dadurch auch abzubauen. 

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