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Horror-Urlaub: Krank auf den Kanaren

Illustration: Julia Schubert

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Urlaubszeit: Frühjahr 2017

Urlaubsziel: Kanarische Inseln

Horror-Stufe: 6 von 10

Zwei Tage vor unserem Urlaub auf den Kanaren stieß sich meine Reisefreundin Lena versehentlich ihr Trommelfell mit einem Q-Tip durch. Ihr Arzt sagte, sie könne die Reise trotzdem antreten. Nur bei Wind solle sie lieber eine Mütze tragen und nicht ins Wasser gehen. Tatsächlich hatten wir auf Teneriffa, unserem ersten Ziel, ein paar sehr angenehme Tage. Mit dem Mietwagen fuhren wir umher zwischen Vulkanen, Urwald und Meer, wanderten Berge hinauf und wieder herunter und lagen (mit einer Mütze) am Strand.

Danach ging es per Fähre weiter nach Fuerteventura. In einem kleinen Inseldorf, umgeben von Sand und Palmen, lag unser Hotel. Wir waren beide sehr hungrig nach der langen Überfahrt und steuerten deshalb das einzige Restaurant an der Hauptstraße an. Davor stand ein Schild, auf dem ich auf Spanisch „Mittagsmenü“ lesen konnte. Wir beschäftigten uns nicht so ausgiebig mit der Übersetzung der Gerichte, sondern setzten uns einfach und warteten, was da wohl käme. Neben Salat gab es als Hauptgericht ein Gemisch aus Kichererbsen und Fleisch. Zuerst schmeckte es uns, dann wurde der Geschmack im Mund allmählich beißender. Ich schaute die Wörter auf dem Menü auf meinem Handy nach und kam zu dem Schluss, dass wir wohl Ziege gegessen hatten. Mit flauem Gefühl im Magen und ständig aufstoßend, holten wir uns im einzigen Lädchen des Dorfes Nüsse und Bier um den hochkommenden Geschmack zu neutralisieren. Am nächsten Morgen war er leider immer noch in unseren Mündern.

Zum Frühstück war Lena sehr schweigsam. Am Morgen hatte sie gelbliche Flecken auf ihrem Kopfkissen gefunden, Flüssigkeit, die aus ihrem Ohr stammte. Noch dazu fühlte sie sich einfach nicht gut vom Essen des Vorabends. Die geplante Wanderung durch ein Tal machten wir trotzdem. Auf dem Rückweg sagte Lena, sie fühle sich ganz krank, vermutlich wegen ihres Ohres. Also suchten wir die nächste Arztpraxis auf. Dort angekommen erfuhren wir, dass sich Lenas Ohr entzündet hatte und die Ärztin verschrieb ihr ein Antibiotikum. Erst einmal beruhigt, verbrachten wir den Rest des Tages in einem Strandlokal und aßen Pommes.

Am übernächsten Tag ging es weiter zu unserem letzten Teil der Reise, nach Lanzarote. Wir waren uns einig, dass wir ab jetzt möglichst unanstrengende Ausflüge machen würden, denn aus Lenas Ohr lief komischerweise immer noch gelbes Zeug, trotz Einnahme des Antibiotikums.

Sich nach einem Kopfstoß in die pralle Sonne zu setzen, war keine gute Idee gewesen

Wir beschlossen, eine Höhle zu besichtigen. Außer uns waren dort nur ältere Touristen, diese Tour sollte also wirklich nicht anstrengend werden. Es lief auch alles gut, bis Lena mir auf dem Weg zum Ausgang ein Foto auf ihrer Kamera zeigen wollte. Ich schaute im Gehen kurz zu ihr rüber, als ich plötzlich einen dumpfen Schlag gegen den Kopf spürte. Ich taumelte etwas nach hinten und sah, dass die Höhlenwand neben mir in den Gang hineinragte und ich dagegen gelaufen sein musste. Außer einem kurzen stechenden Schmerz am Oberkopf ging es mir aber gut. Ich hatte mir schon öfters mal den Kopf angestoßen, dieser Schlag kam mir nicht stärker vor als vorherige. Zum Abendessen gingen wir in ein Fischrestaurant.

Lena ging es da glücklicherweise besser, sie bestellte sich einen großen gegrillten Fisch. Ich hatte hingegen nicht so viel Hunger. Nach einer Viertelstunde wurde mir schwummrig. Sich nach einem Kopfstoß in die pralle Sonne zu setzen, war keine gute Idee gewesen, ich sah alles leicht verzögert. Also ließ ich mir im Restaurant noch etwas Eis geben um es auf meinen Kopf zu legen und ging zurück ins Hotel.

Nachts im Bett versuchte ich einzuschlafen, aber meine Finger und Füße hinderten mich daran. Ein komisches Taubheitsgefühl machte sich breit. Mit ständigen Bewegungen unter der Decke versuchte ich, dagegen anzukämpfen. Schlafen konnte ich jetzt eh nicht mehr, da ich mir Sorgen machte, dass der Schlag auf den Kopf irgendwie meine Nerven in Fingern und Zehen geschädigt haben könnte. Am nächsten Morgen sagte ich Lena, dass ich dringend einen Arzt aufsuchen müsse, weil etwas mit meinem Kopf ganz und gar nicht stimme. Ihr kam das sehr gelegen, ihr Kopfkissen war morgens immer noch gelb von Sekret aus ihrem Ohr. Also gingen wir ein zweites Mal in diesem Urlaub zum Arzt.

Der Arzt sagte, er sähe dort gar kein Trommelfell  mehr

Der Mann war zum Glück sehr freundlich, aber auch unsicher. Es könnte eine Gehirnerschütterung sein, aber er könne ja nicht in mein Gehirn reinschauen. Ich müsse ein MRT machen, sonst könnte es gefährlich sein, am kommenden Tag zurück nach Hause zu fliegen. Lena schaute er auch noch ins Ohr. Er sagte, er sähe dort gar kein Trommelfell mehr und könne einfach ungehindert ins Ohr hineinsehen. Das Trommelfell müsse sich vollständig aufgelöst haben. Nervlich am Ende, rief Lena ihren Hausarzt an. Der sagte ihr, da könne man jetzt nichts machen, sie solle einfach sofort vorbei kommen, nachdem sie morgen gelandet sei.

Im nächstgelegenen Krankenhaus wurde ich ein MRT geschoben. Der Arzt dort redete mir auf Spanisch gut zu. Dass ich an etwas Schönes denken solle, dass es „muy ruidoso“ (sehr laut) und auch „estrecho“ (eng) wäre in der Röhre aber nur zwanzig Minuten dauern würde. Sehr viele, sehr laute Baustellengeräusche später kam ich wieder aus dem Gerät heraus. Mein Kopf war in Ordnung, ich konnte am nächsten Tag nach Hause fliegen.

Als wir nach draußen traten, ging hinter dem Krankenhaus die Sonne unter und wir traten den Heimweg zurück zum Hotel an, vorbei an den roten Hügeln des Naturparks, den wir eigentlich besichtigen wollten. Am nächsten Morgen zogen wir unsere Rollkoffer durch die Gartenanlage des Hotels, vorbei am Pool, in dem wir kein einziges Mal schwimmen waren.

Wieder zu Hause, legten sich meine Empfindungsstörungen irgendwann wieder und Lena rief mich an, um mir mitzuteilen, dass sie sehr wohl noch Trommelfell hätte. Das Loch sei sogar kleiner geworden.

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