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Horror Mitfahrgelegenheit Folge 5: Der Psycho-Raser
Die Strecke: Von Stuttgart nach München mit der Mitfahrgelegenheit.
Der Fahrer: Ein schmieriger Manager, der trotz üppigem Gehalt und Benzingeld von der Firma den Hals einfach nicht vollkriegt.
Horrorstufe: 9 von 10
Ich war jung, unerfahren, naiv. Kaum 20 Jahre alt. Ich hatte erst wenige Mitfahrgelegenheiten erlebt und noch weniger Psychopathen getroffen. Als ich also die Mercedes AMG S-Klasse auf der Mitfahrgelegenheits-Plattform mit dem kleinen Zusatz „zügiger Fahrer“ sah, dachte ich nicht: „Hm, das könnte eventuell ein kranker Raser sein.“ Nein. Mein naives Hirn hatte nur einen stumpfen Gedanken: „Fett!“
Gedacht, gebucht. Und so stand ich am nächsten Tag an einer Tankstelle am äußersten Rand Stuttgarts und wartete auf die heftige Karre, die mich nach München kutschieren würde. Es war Sonntag und ich ziemlich verkatert. Während die Minuten vergingen, gesellten sich zu meinen Schmerzen im Kopf erste Zweifel: „Warum kommt der Typ denn nicht? Bestimmt hat der gar nicht so ein geiles Auto.“
Schmieriges Grinsen, geschleckte Haare – die Angeber-Uhr rundet das Bild ab
Gerade als ich begann, nervös zu werden, hielt ein Auto mit quietschenden Reifen. Vor mir stand ein nagel-neuer silberner Luxus-Schlitten. Frisch poliert, die Fenster runtergelassen. „Sorry für die Verspätung, die holen wir aber gleich wieder rein“, sagte der Mittvierziger, der mit einem schmierigen Grinsen und nach hinten geschleckten Haaren aus dem Auto stieg. An dem Arm, den er mir entgegenstreckte, hing eine dicke Uhr, die das Erscheinungsbild perfekt abrundete. „Du bist Raphael, oder? Die anderen zwei stehen glaube ich da hinten“, sagte der Manager-Dude mit einer Stimme, als wollte er mich von seinem hippen Start-up überzeugen.
Die zwei anderen Mitfahrer waren offensichtlich Touristen, sprachen nur Englisch. Ich musste auf den Beifahrersitz, die zwei Männer setzten sich auf die Rückbank. Stuttgart - München, das sind circa 200 Kilometer Autobahn, nicht wenige davon zweispurig. Eine vielbefahrene Strecke. Gerade an einem Sonntag ist die Chance, ohne Stau durchzukommen, gleich null. Und so war es auch an diesem Tag. Kaum hatten wir Stuttgart hinter uns gelassen, begann ein dichter Kolonnenverkehr. Dem Fahrer, der angeblich einen Management-Posten bei Mercedes hatte, war die Nervosität sofort anzumerken.
Ich war plötzlich hellwach, der Kater verschwunden
Mit schönstem Kaugummi-Englisch wendete er sich an die Touristen: „Guys, schon mal auf der deutschen Autobahn gefahren?“ Die beiden verneinten und fragten das, worauf unser Fahrer wohl gehofft hatte: „Stimmt es, dass man hier so schnell fahren kann, wie man will?“ - „Yes, habt ihr Lust?“ Ich hatte keine Lust, aber mein zögerliches Murren ging in der begeisterten Zustimmung unter. „Hier kann man ja eh nicht schnell fahren“, dachte ich noch, als der Manager das Gaspedal durchdrückte, dem Auto vor uns immer näher kam und in letzter Sekunde das Lenkrad herum riss, in eine winzige Lücke auf der linken Spur stach, um das Lenkrad gleich wieder nach rechts zu reißen.
Ich war plötzlich hellwach, der Kater verschwunden. Von der Rückbank hörte ich Klatschen, meine aufgerissen Augen sahen das zufriedene Grinsen des Managers, der schon wieder zum nächsten Überholmanöver ansetzte. Mein Körper wurde wieder ruckartig von links nach rechts und wieder zurück geworfen. Wieder begeistertes Klatschen. Ich überlegte, ob ich mich beschweren sollte, traute mich aber nicht, den Stimmungskiller für die beiden Jungs hinter mir zu spielen.
„Ich fahr sicher nicht langsamer, nur weil du Schiss hast“
Der Stau löste sich allmählich auf. Freie Fahrt. 200 km/h. Das Auto lag sicher auf der Straße, also beruhigte ich mich ein bisschen, während der Fahrer über die Freisprechanlage mit seiner Frau viel zu intime Gespräche darüber führte, welches Kleid sie bei seiner Ankunft tragen solle. Doch kaum hatte ich mich an die Geschwindigkeit gewöhnt, staute es sich wieder auf der Autobahn.
Wieder riss der Fahrer das Lenkrad wild hin und her. Überholte plötzlich auch rechts und lachte immer wieder laut auf, wenn ein Manöver besonders riskant war. „Kannst du bitte ein bisschen langsamer fahren?“, brachte ich endlich heraus. „Keine Chance. Ich will mein Leben nicht auf der fucking Autobahn verbringen!“ „Und ich will mein Leben nicht auf der fucking Autobahn lassen“, hätte ich rückblickend gerne gesagt, aber heraus kam nur ein „Ne, wirklich jetzt“, was jedoch reichte, um einen funkelnden Blick vom Fahrer zu bekommen. „Ich fahr sicher nicht langsamer, nur weil du Schiss hast. Wenn’s dir nicht passt, kann ich dich gerne an der nächsten Raststätte absetzen.“ Und weil ich nicht wusste, wie ich von irgendeinem Ort, der Holzmaden hieß, nach München kommen würde, hielt ich von dem Moment an den Mund.
Mit einer Vollbremsung entkamen wir nur um wenige Zentimeter einem Crash
Die Touristen hatten bis dahin jedes einzelne Überholmanöver gefeiert, doch der kurze hitzige Austausch schien auch sie, trotz Sprachbarriere, zu verunsichern. Langsam verstanden sie wohl, dass man selbst in Deutschland auf der Autobahn nicht so fuhr. Ich krampfte mich in meinen Sitz hinein, während unser Fahrer an seinem Lenkrad herumriss. Keine Lücke schien zu klein, um nicht doch irgendwie hineinzustoßen. Keine Situation war zu unübersichtlich. Als der Mercedes von der rechten Spur, zwischen zwei LKW hindurch auf die linke Spur preschte, übersah der Fahrer einen Van. Mit einer Vollbremsung entkamen wir nur um wenige Zentimeter einem Crash.
Im Auto herrschte kurz Stille, bis das schrille Lachen des Fahrers sie durchbrach. Während er sich umdrehte, schrie er in Richtung der beiden Mitfahrer: „Ihr seid einfach zu fett! Ohne euch im Auto, hätte ich das easy geschafft.“ Als ich mich nach hinten drehte, sah ich in fassungslose Augen. Doch bei dem Fahrer war dieser Schock nicht angekommen, oder, noch wahrscheinlicher, er war ihm einfach egal.
Ich hatte tatsächlich Todesangst
Der Manager steuerte weiter im Zickzack – links, rechts, links – bremste scharf ab, um wieder voll zu beschleunigen. Wenn es keine Möglichkeit zum Überholen gab, wechselte der Fahrer einfach auf den Standstreifen. Mein Rücken war nass geschwitzt. Alles in mir schrie mich an, dem Arschloch neben mir meine Meinung zu sagen, mich am nächsten Rasthof absetzen und von irgendjemanden abholen zu lassen, auch wenn das Stunden dauern würde. Doch ich widersetzte mich meinen Instinkten und holte mein Handy raus. Mit zitternden Fingern schrieb ich an meine Eltern, an meine Schwester, an meine damalige Freundin, dass ich sie lieb habe und dass ich hoffe, sie bald wiederzusehen. Ich hatte tatsächlich Todesangst.
Die Fahrt, so schnell sie auch war, in meinem Kopf dauerte sie ewig. Irgendwann sah ich endlich bekannte Landschaften und das Schild, dass mir die Erlösung versprach. Noch nie hatte ich so gern die Buchstaben gelesen, die in diesem Moment Freiheit bedeuteten: „München 20km“. Noch einmal beschleunigte der Vollidiot neben mir, überquerte vier Spuren auf einmal, dann waren wir auf dem Mittleren Ring. „Soll ich dich noch nach Hause fahren?“, fragte der Manager. Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Als ich verschwitzt und erleichtert aus dem Auto stieg, hatte ich nur einen Gedanken im Kopf: Warum bin ich Depp nicht in Holzmaden geblieben?