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Ein Plädoyer dafür, immer wieder am gleichen Ort Urlaub zu machen
Seit meinem 17. Geburtstag war ich jedes Jahr in einem anderen außereuropäischen Land. Manchmal auch in mehreren. Ich reise, um Neues zu entdecken, eine Zeit lang anders zu leben, mehr über einen anderen Ort, Menschen und mich selbst zu lernen.
Auf diesen Reisen habe ich sehr viel Ungewöhnliches, Spannendes und Schönes erlebt. Keine dieser Erfahrungen möchte ich missen und ich bin dankbar, bereits so viel erlebt zu haben. Doch eines hat mir dennoch oft gefehlt: Ruhe. Denn ständig von einem Ort zum nächsten zu ziehen ist anstrengend und nicht immer so erfüllend, wie man sich das vorgestellt hat. Reisen ist für mich nicht Urlaub. Wenn ich an Urlaub denke, denke ich an salzige Luft, Wind, Sanddünen hinter Pinienwäldchen und kleine bunte
Ferienhäusern aus Holz, die nicht in Sri Lanka, sondern in Dänemark stehen – wo ich schon viele Male war.
Das klingt im Gegensatz zu „per Anhalter von Patagonien nach Panama“ nicht besonders spektakulär. Doch das ist gerade das Wundervolle daran. Es ist so herrlich unaufgeregt und vertraut.
Als meine Eltern mir anboten, wieder mit ihnen nach Dänemark zu fahren, war ich erst einmal skeptisch
Im Urlaub an bekannten Orten schafft man tatsächlich das, was man sich beim Reisen zwar immer vornimmt, aber dann doch nicht hinbekommt: sich auf sich selbst zu konzentrieren. Denn man ist keinen ständigen Ablenkungen ausgesetzt und kann sich guten Gewissens Zeit für das nehmen, was man wirklich machen will: nichts.
Als Kind, bin ich oft mit meiner Familie nach Dänemark gefahren. Zwar nicht immer an den gleichen Ort, aber es war doch ähnlich: Sandburgenbauen und Schlauchbootfahren mit meinen Brüdern, ewig lange Strandspaziergänge, Ausflüge in kleine, süße Städtchen.
Doch irgendwann hörten die Familienurlaube auf. Ich ging lieber auf meine eigenen Reisen. Ich wollte weg, völlig neue Dinge sehen, riechen und schmecken.
Als vor zwei Jahren das Angebot von meinen Eltern kam, wieder nach Dänemark zu fahren, war ich erst einmal skeptisch: Mit Anfang 20 mit Mama und Papa in den Urlaub fahren und dann ausgerechnet nach Dänemark, wo mir schon so vieles bekannt ist? Brandmarke ich mich nicht selbst als Spießer, wenn ich mich für die Ostsee anstatt für die Südsee entscheide? Schließlich gibt es da draußen eine ganze Welt zu entdecken!
Doch dann war es wundervoll. Es war wie nach Hause kommen.
Es war ein Zuhausesein fernab vom eigentlichen Zuhause, ohne negative Erinnerungen
Bereits auf der Fahrt Richtung Norden, hellte sich meine Stimmung auf: Sowie sich die Vegetation und das Licht veränderte, wurde ich automatisch ruhiger. Hier musste ich nach nichts suchen. Ich habe lange geschlafen, viel gelesen, und meine Zeit nicht verplant. Letzteres wäre auch kaum möglich gewesen, da es in der näheren Umgebung nicht viel zu tun gab. Man konnte sich gar nicht zwischen den verschiedensten Aktivitäten entscheiden und damit war ich befreit von Zwängen: Ich konnte, oder besser gesagt durfte mich hier einfach ausruhen und den Kopf freikriegen, ohne den Druck, irgendetwas sehen zu müssen.
Es war eine Oase der Harmonie. Ein Zuhausesein fernab vom eigentlichen Zuhause, ohne negative Erinnerungen an vergeigte Mathearbeiten oder anstrengende Nachbarn. Am Ende der zehn Tage wollte ich überhaupt nicht mehr weg.
Aber Orte erneut zu besuchen, finde ich nicht nur schön, wenn ich mich irgendwo in der dänischen Pampa zwischen Kühen und Schafen nach Ruhe sehne, es lohnt sich auch, manche Städte immer wieder zu bereisen.
Ein solcher Ort ist für mich Istanbul. Die Stadt fasziniert mich jedes Mal und nach bereits drei Besuchen, wovon der letzte immerhin zwei Wochen dauerte, habe ich immer noch nicht das Gefühl, alles gesehen zu haben. Und das muss ich auch nicht: Ganz im Gegenteil, dort habe ich schon manche Dinge zwei- oder dreimal gesehen. Aber es war immer anders. Denn ich habe mir jedes Mal Zeit gegeben, in der Gewissheit, immer wieder zurückkehren zu können.
Dieses Jahr frage ich mich nicht: „Wohin will ich?“, sondern: „Wohin will ich wieder?“
In neuen, fremden Städten bin ich erst einmal überfordert und stopfe meinen Tag voll mit Dingen, die ich unbedingt sehen will oder irgendeinem Reiseführer zufolge sehen sollte. Und das alles innerhalb von drei Tagen. Auch wenn ich mir hier genauso gut sagen könnte: „Mach langsam. Du kannst ja wiederkommen“, weiß ich, dass ich es wahrscheinlich nicht tun werde. Und das ist schade. Denn es ist etwas Wundervolles, in eine bereits bekannte Stadt zurückzukehren. Sich in das gleiche Café wie vor zwei Jahren zu setzen und zu sehen, wie sich die Stadt und auch wie man sich selbst verändert hat.
Ich sage nicht: Hört auf zu reisen und fahrt nur noch an den gleichen Ort! Reisen an neue Ziele sind aufregend und bereichernd, wenn man die Chance dazu hat. Aber es lohnt sich auch, einen Ort zwei- oder dreimal oder immer wieder zu besuchen, egal aus welchem Grund – weil man das Gefühl hat, noch nicht alles gesehen zu haben, weil das Essen dort so gut ist oder weil man einfach Mal seine Ruhe haben will.
Und daher frage ich mich auch dieses Jahr nicht: „Wohin will ich?“, sondern: „Wohin will ich wieder?“