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Voll in die Botten: Mando Diao, Bob Dylan, Console, Outkast, Beenie Man und andere
Mando Diao – Ode To Ochrasy (EMI) Vor der Rezension muss ich eine kleine Geschichte erzählen. Anlässlich des letzten Albums „Hurricane Bar“ waren ein paar deutsche Journalisten nach Stockholm verschickt worden, um ein Wochenende lang die Band Mando Diao zu beobachten. Nach dem Konzert, das sehr leise war, ging man mit gewissen Exzess-Erwartungen noch backstage. Mando Diao standen da, hatten bereits geduscht und der Schlagzeuger setzte sich behutsam seine Brille auf. Sie sahen genau aus wie die kleinen Jungs, die sie waren, verhielten sich total ungefährlich und tranken Ramlösa-Mineralwasser. Später kamen noch ihre Eltern vorbei und ein Studienrat-Vater mit Weste sagte wirklich: „Es ist doch schön, wenn sich die Kinder ein bisschen austoben können.“ Damit wurde das Licht ausgemacht und die Bandkinder fuhren mit den Eltern nach Hause. Es war halb elf, es war das Stockholm-Konzert von Mando Diao und ist die verdammte Wahrheit über schwedischen Rock’n’Roll. Das ändert natürlich nichts daran, dass „Hurricane Bar“ und „Bring Em In“ fantastische Werke sind, vergoldeter Rotz ohne Verfallsdatum, die Mando Diao ganz rechtmäßig in die Oasis-Klasse beförderten. Und eigentlich spricht nichts dagegen, dass sie dort auch mit „Ode to Ochrasy“ wieder das Klassenziel erreichen. Der Einstieg in die Platte ist überaus manierlich, die ersten vier Lieder sind wie der Rahm dieser frisch gemolkenen Rockmilch – alles Bewährte ist da oben versammelt: das Glam-Gegröl ("Killer Kacinsky"), das absolut charakteristische Dengelbrett ("Long Before Rock’n Roll") wie es derzeit keine andere Band schreiben kann und dann noch ein pestalozzi-cooler Whiskygläser-hoch-Sing-along-Brocken ("The Wildfire"). Hinter all diese schönen Lieder ließe sich freilich auch ohne bösen Willen "(vgl. Frühwerk)" schreiben, denn sie sind mehr oder weniger maßstabsgetreue Nachbauten früherer Hits. Aber das ist auch okay. Nach bravourösem Präludium also, franst die Platte etwas aus, die zehn Lieder, die noch folgen, neigen zu konturloser Gefälligkeit, geilen einem die Kanten nicht kreuz und quer in die Ohren, sondern mogeln sich durch. „TV and Me“ ist ein schwaches Hard-Fi-Echo, die Balladen „Josephine“ und „The New Boy“ wirken etwas beschränkt, sind aber einigermaßen zärtlich und das reicht ja. Einzig „Good Morning Herr Horst“ kann noch begeistern und bringt auch Neues, einen Gypsy-Chor-Refrain zum Beispiel. Insgesamt konstatiert man bei der Band das Fehlen epischen Genies, wie es mit „Can’t steal my love“ noch auf der letzten Platte verschüttet wurde, man konstatiert bei sich, dass die MD-Euphorie etwas eingekocht ist und man konstatiert für den Weltenlauf: „Ode to Ochrasy“ ist trotzdem nicht die „Be here Now“ von Mando Diao, sondern besser.
Console - Mono (Disko B) Zu Console weiß ich eine nicht minder kleine Geschichte: Es war weit im letzten Jahrtausend, da saß ich mit „meiner Band“ beim „proben“ und uns ging mal wieder die Beherrschung des Computerprogramms verlustig, das unserer Musik mit elektrischen Furunkeln zu Glanz verhelfen sollte. Es furunkelte aber nix. Unser Bassist hatte irgendwie die Telefonnummer von Martin Gretschmann ergattert und war nun partout gewillt, ihn anzurufen und um Rat zu fragen, schließlich war Weilheim nicht weit weg. Wir anderen aber kreischten wie die Röhnrad-Mädchen: „Nein! Tu’s nicht! Oh Gott! Martin Gretschmann am Handy! Das kannst du nicht machen!” Vor Ehrfurcht, denn so berühmt war Gretschmann damals. Heute ist ja die ganze Weilheim-Musiziererei etwas in Vergessenheit geraten und Gretschmann und seine Console-Band nicht mehr avantgardistische Leitkultur für das, was mit einem Powerbook möglich ist. Die Platte, die er nun vorlegt, ist auch eine zutiefst unscheinbare, ein ganz schüchternes Stück elektronischer Musik, zartes Wabbern und streichelndes Diffundieren weiter Töne. Das Vermengen zahlreicher Spuren, das frühere Console-Lieder bisweilen zu wild rumpelnden elektronischen Störfeuern geraten ließ, wird hier nun zugunsten einer einzigen (Mono!), sonoren Grundspur getauscht. Sehr homogenes Stück, Konzeptplatte, kein Wunder, dass die Hälfte der Lieder auch für den Dokumentarfilm „Houwelandt“ (über die Entstehung des John-von-Düffel-Romans) verwendet wird. Denn das ist es: Filmmusik, Traumsoundtrack, Hintergrundweichheit. Im Vordergrund allerdings etwas langweilig.
The Beautiful South – Superbi (Sony) Zu denen fällt mir leider keine Geschichte ein, die Band ist stets aktiv an meiner Begeisterung vorbeigewandert, seit, äh, 18 Jahren. Ich kenne TBS eigentlich nur von den dicken Stapeln, die ihre Platten im Second Hand-Plattenladen ausmachen. Die großen Erfolge dieser britischen Band, die sich seit jeher durch sorgfältiges Pop-Songwriting auszeichnete, fanden Mitte der neunziger Jahre statt - die leichtverdauliche, mit anspruchsvoller Komposition und Text versehen Gitarrenmusik, war auf der Insel ganz schön mehrheitsfähig. Rein handwerklich schließt „Superbi“ an die Familientradition an. Insgesamt wurde aber viel neuer Country und Bluegrass unter den Pop geschmuggelt, was das Ganze endgültig nach Beschallung fürs britische Versehrtenheim klingen lässt – Duettgesang zu schwingender Säge. Immerhin völlig frei von zeitgenössischen Moden bieten The Beautiful South heute also sehr britische Erwachsenunterhaltung. Sei hiermit festgestellt.
Pete Yorn - Nightcrawler (Columbia) Als Singer-Songwriter hat man generell ein bisschen Probleme, sein Profil klar herauszuarbeiten. Sind halt doch viele gefühlige Männer mit Gitarren unterwegs. Der Amerikaner Pete Yorn nun ist einer von jenen, die zur Gitarre auch noch jede Menge Instrumente selber einspielen, mit einem Ergebnis, das fast nach Rockband mit dominantem Frontmann klingt. Seine beiden ersten Alben beschäftigten sich mit Morgen und Tag, jetzt folgt also die Nacht. Schlecht klingt das nicht, auch wenn die Rockideen, die Herr Yorn so aus dem Beutel holt, ganz schön an einem Grat balancieren - dem Grat zwischen klebrigem Pathos und gutem Mixkassettenlied. Ein bisschen weniger Glätte täte allgemein gut, die Produktion dürfte mehr rumpeln und sich lieber an Kweller orientieren als an Bob Seger. Nicht falsch verstehen, das ist alles schon passabel (und zum Beispiel „The Man“ sogar richtig super), ich könnte aber niemandem genau erklären, warum er das hier braucht. Und bei, sagen wir, Ryan Adams, könnte ich das schon. Also weiter am Profil tunen.
Die Fankritik von Johannes Waechter (SZ-Magazin) zu: Bob Dylan - „Modern Times“ (Sony BMG) Ob Bob Dylan wohl ein guter Großvater ist? Nimmt er seine Enkelkinder auf den Schoß und erzählt ihnen von der Welt seiner Kindheit, als das Fernsehen noch schwarz-weiß war und die neuesten Songs von Hank Williams und Frank Sinatra aus dem Röhrenradio im Wohnzimmer kamen, mit starkem Knistern in der Übertragung? Man weiß es nicht; dank Dylans neuem Album „Modern Times“ weiß man aber zumindest, dass ihm die großväterliche Pose gut zu Gesicht steht. In den zehn Songs der Platte präsentiert er sich als alter Griesgram, der alles gesehen und erlebt, der „die Milch aus tausend Kühen gesaugt“ hat und nun mit wachem Geist und mürrischer Miene durch eine Welt voller „Enttäuschung und Schmerzen“ spaziert. Er weiß genau, was alle über ihn denken, nämlich dass er ein Mann von gestern sei, mit komischen Klamotten und überholten Ansichten. Und genau das weckt seine kämpferischen Instinkte. Einmal will er sich noch zu Wort melden und das Ergebnis ist „Modern Times“, Dylans Kommentar zu einer Popwelt, in der Stereotypen und Rollenklischees dominieren. Dem setzt er die Rückbesinnung auf die Musik von Vorgestern entgegen, als die Performer noch nicht durch die Medien gleichgeschaltet waren, sondern über eine ausgeprägte Originalität verfügten. Die zehn Songs des Albums klingen zwar modern, beruhen jedoch alle auf alten Musikstilen, die teilweise schon überholt waren, als der kleine Bobby Mitte der Vierziger selbst noch bei seinem Großvater auf den Knien saß. Der Opener „Thunder On the Mountain“ ist ein Blues-Shuffle, „Spirit On The Water“ erinnert an Schellackplatten von Bing Crosby oder Guy Lombardo, und „Nettie Moore“ könnte auch eine Folkballade aus den entlegenen Bergregionen von Kentucky sein. Dylans verwitterte Raspelstimme tut ein Übriges, dem Album eine altmodische, anti-digitale Note zu verleihen. Und doch ist das ganze keine nostalgische Angelegenheit, sondern ein brillanter, packend vorgetragener Lösungsvorschlag zur Kreativitätskrise der Popmusik. „Vorwärtsgehen, indem man die Zeit zurückdreht“, hat Dylan seine Methode vor einigen Jahren genannt. Nichts wie hinterher. HipHop und Ähnliches mit hannes-kerber:
Beenie Man - Undisputed (Virgin) Die 90er kommen zurück. Aber Beenie Man, der Ende dieses Jahrzehnts jährlich einen Dancehall-Klassiker veröffentlichte, muss gar nicht erst zurückkommen. Toll ist: Beenie Man arbeitet wieder mit zwei der derzeit besten Dancehall-Produzenten zusammen – Scott Storch und Tony Kelly. Nicht-so-doll ist: Die ersten paar Tracks schleppen sich ein bisschen und erst bei "Come Again", dem immerhin achten Track, wird die Musik schön schnell und tanzbar.
Outkast - Idlewild (SonyBMG) "Idlewild" sollte man sich vom besten Freund leihen – und nicht zurückgeben. Dann: Als erstes "Morris Brown", das siebte Lied, anhören, sich zurücklehnen und erst danach in das ganze Album eintauchen. Denn "Idlewild" ist das am schwersten zugängliche Album von Outkast. Das hat auch einen Grund: "Idlewild" ist der Soundtrack zu dem gleichnamigen Outkast-Musical, das gerade in Amerika angelaufen ist - und in Deutschland eben noch nicht. Dieses spielt in den Dreißigern des letzten Jahrhunderts und erzählt die Geschichte von Percival (gespielt von Andre), Sohn eines Bestattungsunternehmers, der lieber das Piano im Klub spielt, als seinem Vater zu helfen und von Rooster (Big Boi), einem der Percivals musikalische Ambitionen unterstützt. Nach dieser Story richten sich natürlich auch die Songs und so braucht man etwas, um durchzublicken. Dann aber stellt man fest: "Idlewild" ist runder, aber auch weniger gewagt produziert als "Speakerboxxx/The Love Below" (2003) und es ist aber immer noch dieser typische Stilmix aus Blues, Jazz, R & B, Dirty South und P-Funk und Hip-Hop ist. Außerdem sind Andre und Big Boi erstmals seit "Stankonia" (2000), abgesehen von dem Best-Of "Big Boi and Dre Present... Outkast" (2001), wieder gemeinsam auf einem Track zu hören.
Masta Killa – Made In Brooklyn (Nature Sounds/SonyBMG) "Lovely Lady", der letzte Track, ist ein Reggae-Song und auf "Then and Now", dem ersten Track, rappt Masta Killa selbst gar nicht, sondern sein Sohn und der von GZA - das ist absolut unüblich für das unauffälligste Wu-Tang Clan-Mitglied, das sonst eher darauf bedacht ist, seinen Sound zurück an die Wurzeln zu führen, zu dem "Entert the Wu-Tang"-Sound, im Prinzip sogar zurück zu "Protect Ya Neck". Ansonsten ist "Made in Brooklyn" ganz so geartet wie "No Said Date" (2001), seinem ersten Soloalbum: reduzierte Beats, lässiger, wenig akzentuierter Rap im guten, alten NY-Style.